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Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 2. Leipzig, 1820.

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das Rudiment der Centralorgane für eigentlich animales Leben
die Wirbelsäule, welche über das Bläschen wie ein Me-
ridian über eine künstliche Erdkugel sich herumbiegt. Von
der Wirbelsäule aus vereinigen sich die Wände des Rumpfs
und Kopfs allmählig immer weiter nach der Bauch- und
Antlitzseite hin, ungefähr wie ein Mannesrock vom Rücken
aus sich um den Leib herum legt um sich vorn zu schließen.

§. 672.

Hierbei schließen sich die Kieferbogen in der Mittellinie
des Gesichts, zuweilen jedoch Lippen- und Gaumenspalten
offen lassend; hierbei schließen sich die Brustrippen in Wie-
derholung einer Wirbelsäule im Brustbein, zuweilen Brust-
spalte und blos liegendes Herz hinterlassend; hierbei schließen
sich endlich Bauch- und Beckenwände in der Linea alba,
und Symphysis ossium pubis, zuweilen Nabelspalten und
angeborne Nabelbrüche, oder getrennten Schambogen und
vorgefallene Harnblase hinterlassend.

§. 673.

Von dem Nabelbläschen, welches bei eierlegenden Thie-
ren als Dottersack mit in die Bauchhöhle eingeht, kommen hin-
gegen im Säugthier und Menschen nur die aus ihm ent-
standenen Gebilde d. i. der Darmkanal in die Bauchhöhle;
dieses Organ, welches bei Eierlegenden Blutbereitungs-
werkzeug und Receptaculum chyli ist, erscheint hier nur
gleichsam als erste Form, über welche der eigentliche Em-
bryo sich bildet, und welche, alsbald er in seinen Grund-
zügen gebildet ist, unnütz wird und abzusterben beginnt.
Man darf wohl bey der Schnelligkeit des Bildungsprozesses
in der ersten Periode, die eigentliche wichtige Bedeutung und
Function der Nabelblase nur in die erste bis zweite Woche
der Schwangerschaft rechnen.

§. 674.

Wie nun zuerst blos ein Gegensatz im Ei bestand,
nämlich zwischen Chorion (Schale) und Nabelbläschen (Kern),

das Rudiment der Centralorgane fuͤr eigentlich animales Leben
die Wirbelſaͤule, welche uͤber das Blaͤschen wie ein Me-
ridian uͤber eine kuͤnſtliche Erdkugel ſich herumbiegt. Von
der Wirbelſaͤule aus vereinigen ſich die Waͤnde des Rumpfs
und Kopfs allmaͤhlig immer weiter nach der Bauch- und
Antlitzſeite hin, ungefaͤhr wie ein Mannesrock vom Ruͤcken
aus ſich um den Leib herum legt um ſich vorn zu ſchließen.

§. 672.

Hierbei ſchließen ſich die Kieferbogen in der Mittellinie
des Geſichts, zuweilen jedoch Lippen- und Gaumenſpalten
offen laſſend; hierbei ſchließen ſich die Bruſtrippen in Wie-
derholung einer Wirbelſaͤule im Bruſtbein, zuweilen Bruſt-
ſpalte und blos liegendes Herz hinterlaſſend; hierbei ſchließen
ſich endlich Bauch- und Beckenwaͤnde in der Linea alba,
und Symphysis ossium pubis, zuweilen Nabelſpalten und
angeborne Nabelbruͤche, oder getrennten Schambogen und
vorgefallene Harnblaſe hinterlaſſend.

§. 673.

Von dem Nabelblaͤschen, welches bei eierlegenden Thie-
ren als Dotterſack mit in die Bauchhoͤhle eingeht, kommen hin-
gegen im Saͤugthier und Menſchen nur die aus ihm ent-
ſtandenen Gebilde d. i. der Darmkanal in die Bauchhoͤhle;
dieſes Organ, welches bei Eierlegenden Blutbereitungs-
werkzeug und Receptaculum chyli iſt, erſcheint hier nur
gleichſam als erſte Form, uͤber welche der eigentliche Em-
bryo ſich bildet, und welche, alsbald er in ſeinen Grund-
zuͤgen gebildet iſt, unnuͤtz wird und abzuſterben beginnt.
Man darf wohl bey der Schnelligkeit des Bildungsprozeſſes
in der erſten Periode, die eigentliche wichtige Bedeutung und
Function der Nabelblaſe nur in die erſte bis zweite Woche
der Schwangerſchaft rechnen.

§. 674.

Wie nun zuerſt blos ein Gegenſatz im Ei beſtand,
naͤmlich zwiſchen Chorion (Schale) und Nabelblaͤschen (Kern),

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[22/0044] das Rudiment der Centralorgane fuͤr eigentlich animales Leben die Wirbelſaͤule, welche uͤber das Blaͤschen wie ein Me- ridian uͤber eine kuͤnſtliche Erdkugel ſich herumbiegt. Von der Wirbelſaͤule aus vereinigen ſich die Waͤnde des Rumpfs und Kopfs allmaͤhlig immer weiter nach der Bauch- und Antlitzſeite hin, ungefaͤhr wie ein Mannesrock vom Ruͤcken aus ſich um den Leib herum legt um ſich vorn zu ſchließen. §. 672. Hierbei ſchließen ſich die Kieferbogen in der Mittellinie des Geſichts, zuweilen jedoch Lippen- und Gaumenſpalten offen laſſend; hierbei ſchließen ſich die Bruſtrippen in Wie- derholung einer Wirbelſaͤule im Bruſtbein, zuweilen Bruſt- ſpalte und blos liegendes Herz hinterlaſſend; hierbei ſchließen ſich endlich Bauch- und Beckenwaͤnde in der Linea alba, und Symphysis ossium pubis, zuweilen Nabelſpalten und angeborne Nabelbruͤche, oder getrennten Schambogen und vorgefallene Harnblaſe hinterlaſſend. §. 673. Von dem Nabelblaͤschen, welches bei eierlegenden Thie- ren als Dotterſack mit in die Bauchhoͤhle eingeht, kommen hin- gegen im Saͤugthier und Menſchen nur die aus ihm ent- ſtandenen Gebilde d. i. der Darmkanal in die Bauchhoͤhle; dieſes Organ, welches bei Eierlegenden Blutbereitungs- werkzeug und Receptaculum chyli iſt, erſcheint hier nur gleichſam als erſte Form, uͤber welche der eigentliche Em- bryo ſich bildet, und welche, alsbald er in ſeinen Grund- zuͤgen gebildet iſt, unnuͤtz wird und abzuſterben beginnt. Man darf wohl bey der Schnelligkeit des Bildungsprozeſſes in der erſten Periode, die eigentliche wichtige Bedeutung und Function der Nabelblaſe nur in die erſte bis zweite Woche der Schwangerſchaft rechnen. §. 674. Wie nun zuerſt blos ein Gegenſatz im Ei beſtand, naͤmlich zwiſchen Chorion (Schale) und Nabelblaͤschen (Kern),

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Zitationshilfe: Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 2. Leipzig, 1820, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_gynaekologie02_1820/44>, abgerufen am 16.04.2024.