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Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 2. Leipzig, 1820.

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§. 680.

Gegen die Meinung vom Durchschwitzen des Nahrungs-
saftes durch die Eihäute in das Fruchtwasser, und Ernährung
des Kindes durch Mund und Haut aus diesem, sprechen die
doppelten Eihäute und der reichliche Chylusartige Saft der
bei vielen Säugethieren, namentlich bei denen, wo mehrere
Placenten (Kotyledonen) sich bilden, zwischen diesen Kotyledonen
und dem Uterus getroffen wird. Allerdings scheinen indeß
die Gründe dafür überwiegend zu seyn, sie bestehen in der
Mischung des Schafwassers, welches deutlich schon der dün-
nen ersten Milch (Colostrum) sich nähert, oft von mir
wirklich weißlich, genau wie Molken, gefunden worden ist,
und auch bei den Thieren, welche eine sehr fette Milch ha-
ben (wie Kühe und Schafe) durch seine auffallende, dem Ge-
fühl sich zu erkennen gebende Fettigkeit sich auszeichnet. Fer-
ner durch das unläugbare Eindringen des Fruchtwassers in
den Magen, welches ich theils durch die Untersuchung ge-
frorener Säugthiereier bestätigt gefunden habe (wo eine Säule
von Fruchtwassereis bis zum Magen herab geht) theils (wie
namentlich H. Osiander bemerkt) durch die dem Darm-
koth (Meconium) des menschlichen Fetus beigemischten mit
dem Fruchtwasser verschluckten Wollhaare erwiesen wird; und
endlich sprechen für das Einsaugen des Fruchtwassers die
erwähnten der Ernährung durch die Nabelgefäße entgegen-
stehenden Gründe, so wie die Beobachtung von H. Meyer *),
wo bei Kaninchen die Flüssigkeit des Eies durch eine in
die Lungen des trächtigen Thieres gegossene, und so dem
Blute mitgetheilte Indigobrühe grün gefärbt worden war. --



H. Osiander die Meinung vom Ernährtwerden durch die Haut.
S. Götting. gel. Anz. 1818. Nr. 132. Dahingegen H. Meckel
Patholog. Anat. I. Thl. S. 91) die Fälle von ganz frei liegenden
Früchten zu den Fabeln zählt und unter Mangel der Nabelschnur
nur den höchsten Grad von Kürze versteht.
*) Salzburg. med. Zeitung 1817. Nr. 52. S. 431.
§. 680.

Gegen die Meinung vom Durchſchwitzen des Nahrungs-
ſaftes durch die Eihaͤute in das Fruchtwaſſer, und Ernaͤhrung
des Kindes durch Mund und Haut aus dieſem, ſprechen die
doppelten Eihaͤute und der reichliche Chylusartige Saft der
bei vielen Saͤugethieren, namentlich bei denen, wo mehrere
Placenten (Kotyledonen) ſich bilden, zwiſchen dieſen Kotyledonen
und dem Uterus getroffen wird. Allerdings ſcheinen indeß
die Gruͤnde dafuͤr uͤberwiegend zu ſeyn, ſie beſtehen in der
Miſchung des Schafwaſſers, welches deutlich ſchon der duͤn-
nen erſten Milch (Colostrum) ſich naͤhert, oft von mir
wirklich weißlich, genau wie Molken, gefunden worden iſt,
und auch bei den Thieren, welche eine ſehr fette Milch ha-
ben (wie Kuͤhe und Schafe) durch ſeine auffallende, dem Ge-
fuͤhl ſich zu erkennen gebende Fettigkeit ſich auszeichnet. Fer-
ner durch das unlaͤugbare Eindringen des Fruchtwaſſers in
den Magen, welches ich theils durch die Unterſuchung ge-
frorener Saͤugthiereier beſtaͤtigt gefunden habe (wo eine Saͤule
von Fruchtwaſſereis bis zum Magen herab geht) theils (wie
namentlich H. Oſiander bemerkt) durch die dem Darm-
koth (Meconium) des menſchlichen Fetus beigemiſchten mit
dem Fruchtwaſſer verſchluckten Wollhaare erwieſen wird; und
endlich ſprechen fuͤr das Einſaugen des Fruchtwaſſers die
erwaͤhnten der Ernaͤhrung durch die Nabelgefaͤße entgegen-
ſtehenden Gruͤnde, ſo wie die Beobachtung von H. Meyer *),
wo bei Kaninchen die Fluͤſſigkeit des Eies durch eine in
die Lungen des traͤchtigen Thieres gegoſſene, und ſo dem
Blute mitgetheilte Indigobruͤhe gruͤn gefaͤrbt worden war. —



H. Oſiander die Meinung vom Ernaͤhrtwerden durch die Haut.
S. Goͤtting. gel. Anz. 1818. Nr. 132. Dahingegen H. Meckel
Patholog. Anat. I. Thl. S. 91) die Faͤlle von ganz frei liegenden
Fruͤchten zu den Fabeln zaͤhlt und unter Mangel der Nabelſchnur
nur den hoͤchſten Grad von Kuͤrze verſteht.
*) Salzburg. med. Zeitung 1817. Nr. 52. S. 431.
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[27/0049] §. 680. Gegen die Meinung vom Durchſchwitzen des Nahrungs- ſaftes durch die Eihaͤute in das Fruchtwaſſer, und Ernaͤhrung des Kindes durch Mund und Haut aus dieſem, ſprechen die doppelten Eihaͤute und der reichliche Chylusartige Saft der bei vielen Saͤugethieren, namentlich bei denen, wo mehrere Placenten (Kotyledonen) ſich bilden, zwiſchen dieſen Kotyledonen und dem Uterus getroffen wird. Allerdings ſcheinen indeß die Gruͤnde dafuͤr uͤberwiegend zu ſeyn, ſie beſtehen in der Miſchung des Schafwaſſers, welches deutlich ſchon der duͤn- nen erſten Milch (Colostrum) ſich naͤhert, oft von mir wirklich weißlich, genau wie Molken, gefunden worden iſt, und auch bei den Thieren, welche eine ſehr fette Milch ha- ben (wie Kuͤhe und Schafe) durch ſeine auffallende, dem Ge- fuͤhl ſich zu erkennen gebende Fettigkeit ſich auszeichnet. Fer- ner durch das unlaͤugbare Eindringen des Fruchtwaſſers in den Magen, welches ich theils durch die Unterſuchung ge- frorener Saͤugthiereier beſtaͤtigt gefunden habe (wo eine Saͤule von Fruchtwaſſereis bis zum Magen herab geht) theils (wie namentlich H. Oſiander bemerkt) durch die dem Darm- koth (Meconium) des menſchlichen Fetus beigemiſchten mit dem Fruchtwaſſer verſchluckten Wollhaare erwieſen wird; und endlich ſprechen fuͤr das Einſaugen des Fruchtwaſſers die erwaͤhnten der Ernaͤhrung durch die Nabelgefaͤße entgegen- ſtehenden Gruͤnde, ſo wie die Beobachtung von H. Meyer *), wo bei Kaninchen die Fluͤſſigkeit des Eies durch eine in die Lungen des traͤchtigen Thieres gegoſſene, und ſo dem Blute mitgetheilte Indigobruͤhe gruͤn gefaͤrbt worden war. — *) *) Salzburg. med. Zeitung 1817. Nr. 52. S. 431. *) H. Oſiander die Meinung vom Ernaͤhrtwerden durch die Haut. S. Goͤtting. gel. Anz. 1818. Nr. 132. Dahingegen H. Meckel Patholog. Anat. I. Thl. S. 91) die Faͤlle von ganz frei liegenden Fruͤchten zu den Fabeln zaͤhlt und unter Mangel der Nabelſchnur nur den hoͤchſten Grad von Kuͤrze verſteht.

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Zitationshilfe: Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 2. Leipzig, 1820, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_gynaekologie02_1820/49>, abgerufen am 19.04.2024.