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Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 2. Leipzig, 1820.

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§. 1478.

Bei der Niederkunft wird die Spätgeburt charakterisirt
durch den schwierigen Verlauf wegen zu beträchtlicher Stärke
des Kindes und übermäßiger Ausdehnung des Uterus; an dem
Kinde zeigen sich die Fontanellen und Näthe oft verknöchert,
und die Schwere und Länge des Kindes ungewöhnlich ver-
mehrt. -- Es ergiebt sich hieraus, daß die Folgen der zu
lange dauernden Schwangerschaft mit denen des zu engen
Beckens beinahe völlig übereinstimmen, nur daß hier auch schon
vor beginnender Geburt der Körper von der widernatürlichen
Dauer der Ernährung des Kindes leiden müsse, ja sich die
Folgen der Erschöpfung bis nach der Geburt fortsetzen und
mancherlei Krankheiten erzeugen können.

§. 1479.

Die Ursachen welche Verspätung der Geburt veran-
lassen genau auszumitteln, reichen die bisherigen Fälle schwerlich
zu; wahrscheinlich ist es, daß namentlich verminderte Reiz-
barkeit des Geschlechtssystems, Schwäche, Degenerationen im
Uterus u. s. w., Erschöpfungen der Nervenkraft überhaupt durch
physische oder psychische Ursachen, zu große Anhäufung des
Fruchtwassers u. s. w., hierher gehören.

§. 1480.

Die Behandlung dieses Zustandes vor dem Eintritt
wahrer Geburtsthätigkeit wird zunächst theils die Ursachen
der abnormen Verzögerung zu beseitigen suchen müssen, welches
durch aromatische Bäder, tonische gelind erregende Mittel, in
manchen Fällen wohl geschehen kann, theils, wenn die längere
Dauer wirklich für die Mutter durch anderweitige Zufälle
gefahrdrohend wird, in dem zum Behuf der künstlichen Früh-
geburt beschriebenen Verfahren ein Mittel zur Beendigung
der Schwangerschaft finden. -- Die Behandlung während
der Geburt selbst ist ganz die welche wir für das verengerte
Becken beschrieben haben, und häufig wird der Kunst auch

§. 1478.

Bei der Niederkunft wird die Spaͤtgeburt charakteriſirt
durch den ſchwierigen Verlauf wegen zu betraͤchtlicher Staͤrke
des Kindes und uͤbermaͤßiger Ausdehnung des Uterus; an dem
Kinde zeigen ſich die Fontanellen und Naͤthe oft verknoͤchert,
und die Schwere und Laͤnge des Kindes ungewoͤhnlich ver-
mehrt. — Es ergiebt ſich hieraus, daß die Folgen der zu
lange dauernden Schwangerſchaft mit denen des zu engen
Beckens beinahe voͤllig uͤbereinſtimmen, nur daß hier auch ſchon
vor beginnender Geburt der Koͤrper von der widernatuͤrlichen
Dauer der Ernaͤhrung des Kindes leiden muͤſſe, ja ſich die
Folgen der Erſchoͤpfung bis nach der Geburt fortſetzen und
mancherlei Krankheiten erzeugen koͤnnen.

§. 1479.

Die Urſachen welche Verſpaͤtung der Geburt veran-
laſſen genau auszumitteln, reichen die bisherigen Faͤlle ſchwerlich
zu; wahrſcheinlich iſt es, daß namentlich verminderte Reiz-
barkeit des Geſchlechtsſyſtems, Schwaͤche, Degenerationen im
Uterus u. ſ. w., Erſchoͤpfungen der Nervenkraft uͤberhaupt durch
phyſiſche oder pſychiſche Urſachen, zu große Anhaͤufung des
Fruchtwaſſers u. ſ. w., hierher gehoͤren.

§. 1480.

Die Behandlung dieſes Zuſtandes vor dem Eintritt
wahrer Geburtsthaͤtigkeit wird zunaͤchſt theils die Urſachen
der abnormen Verzoͤgerung zu beſeitigen ſuchen muͤſſen, welches
durch aromatiſche Baͤder, toniſche gelind erregende Mittel, in
manchen Faͤllen wohl geſchehen kann, theils, wenn die laͤngere
Dauer wirklich fuͤr die Mutter durch anderweitige Zufaͤlle
gefahrdrohend wird, in dem zum Behuf der kuͤnſtlichen Fruͤh-
geburt beſchriebenen Verfahren ein Mittel zur Beendigung
der Schwangerſchaft finden. — Die Behandlung waͤhrend
der Geburt ſelbſt iſt ganz die welche wir fuͤr das verengerte
Becken beſchrieben haben, und haͤufig wird der Kunſt auch

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[494/0520] §. 1478. Bei der Niederkunft wird die Spaͤtgeburt charakteriſirt durch den ſchwierigen Verlauf wegen zu betraͤchtlicher Staͤrke des Kindes und uͤbermaͤßiger Ausdehnung des Uterus; an dem Kinde zeigen ſich die Fontanellen und Naͤthe oft verknoͤchert, und die Schwere und Laͤnge des Kindes ungewoͤhnlich ver- mehrt. — Es ergiebt ſich hieraus, daß die Folgen der zu lange dauernden Schwangerſchaft mit denen des zu engen Beckens beinahe voͤllig uͤbereinſtimmen, nur daß hier auch ſchon vor beginnender Geburt der Koͤrper von der widernatuͤrlichen Dauer der Ernaͤhrung des Kindes leiden muͤſſe, ja ſich die Folgen der Erſchoͤpfung bis nach der Geburt fortſetzen und mancherlei Krankheiten erzeugen koͤnnen. §. 1479. Die Urſachen welche Verſpaͤtung der Geburt veran- laſſen genau auszumitteln, reichen die bisherigen Faͤlle ſchwerlich zu; wahrſcheinlich iſt es, daß namentlich verminderte Reiz- barkeit des Geſchlechtsſyſtems, Schwaͤche, Degenerationen im Uterus u. ſ. w., Erſchoͤpfungen der Nervenkraft uͤberhaupt durch phyſiſche oder pſychiſche Urſachen, zu große Anhaͤufung des Fruchtwaſſers u. ſ. w., hierher gehoͤren. §. 1480. Die Behandlung dieſes Zuſtandes vor dem Eintritt wahrer Geburtsthaͤtigkeit wird zunaͤchſt theils die Urſachen der abnormen Verzoͤgerung zu beſeitigen ſuchen muͤſſen, welches durch aromatiſche Baͤder, toniſche gelind erregende Mittel, in manchen Faͤllen wohl geſchehen kann, theils, wenn die laͤngere Dauer wirklich fuͤr die Mutter durch anderweitige Zufaͤlle gefahrdrohend wird, in dem zum Behuf der kuͤnſtlichen Fruͤh- geburt beſchriebenen Verfahren ein Mittel zur Beendigung der Schwangerſchaft finden. — Die Behandlung waͤhrend der Geburt ſelbſt iſt ganz die welche wir fuͤr das verengerte Becken beſchrieben haben, und haͤufig wird der Kunſt auch

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Zitationshilfe: Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 2. Leipzig, 1820, S. 494. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_gynaekologie02_1820/520>, abgerufen am 23.04.2024.