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Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 2. Leipzig, 1820.

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Kindeskopfe, der Weichheit der Kopfknochen und Weite der
Fontanellen erkannt. Rücksichtlich der Behandlung verlangt
die Vorsicht daß, obwohl nicht so viel Gefahren als beim zu
weiten Becken zu befürchten stehen, doch eine solche Gebä-
rende zeitig die horizontale Lage einnehme und die Wehen
wenig oder gar nicht verarbeite.

§. 1524.

Ferner gehören hierher die Mißbildungen des Kin-
des
, welche indeß auf das Geburtsgeschäft meistens auch
nur, indem sie abnorme Vergrößerung oder Verkleinerung des
körperlichen Volumens verursachen, störend einwirken. Ueber
die Entstehung dieser krankhaften Bildungen haben wir in der
Pathologie des Fetus schon ausführlicher gehandelt; als Ein-
theilung
derselben, wenn sie zum Behuf der Behandlung
des Geburtsgeschäfts verlangt wird, können folgende alte vier
Klassen recht füglich gebraucht werden: -- 1. Mißbildung
durch Mangel gewisser Körpertheile
(Monstra
per defectum);
hierher gehören z. B. die völlig kopflosen
Mißgeburten (Acephali), der Schädelmangel oder die Katzen-
köpfe (Hemicephali), der Mangel einzelner Glieder, ja
der Mangel des ganzen Rumpfs nebst den Gliedern, wo also
(wie in dem einzigen im Berliner Musäum bewahrten Präpa-
rat) ein bloßer Kopf übrig bleibt, und dann das Fehlen der
Augen, einzelner Eingeweide u. s. w. welches indeß auf die
Geburt weiter keinen Einfluß äußern kann. Zu bemerken ist
noch, daß die sehr verstümmelten Mißgeburten am häufigsten
als unvollkommne Zwillingsfrüchte (Keime zu deren Ausbil-
dung die Produktivität nicht zureichte) neben entwickelten Kin-
dern geboren wurden. -- Zeichen dieser Monstrositäten kön-
nen nur zuweilen durch die innere Untersuchung erlangt wer-
den, die Regeln der Behandlung würden die im vorigen §.
beschriebenen seyn.

§. 1525.

2. Mißbildung durch überzählige Theile (Mon-
stra per excessum);
hierher gehören die zusammengewachse-

Kindeskopfe, der Weichheit der Kopfknochen und Weite der
Fontanellen erkannt. Ruͤckſichtlich der Behandlung verlangt
die Vorſicht daß, obwohl nicht ſo viel Gefahren als beim zu
weiten Becken zu befuͤrchten ſtehen, doch eine ſolche Gebaͤ-
rende zeitig die horizontale Lage einnehme und die Wehen
wenig oder gar nicht verarbeite.

§. 1524.

Ferner gehoͤren hierher die Mißbildungen des Kin-
des
, welche indeß auf das Geburtsgeſchaͤft meiſtens auch
nur, indem ſie abnorme Vergroͤßerung oder Verkleinerung des
koͤrperlichen Volumens verurſachen, ſtoͤrend einwirken. Ueber
die Entſtehung dieſer krankhaften Bildungen haben wir in der
Pathologie des Fetus ſchon ausfuͤhrlicher gehandelt; als Ein-
theilung
derſelben, wenn ſie zum Behuf der Behandlung
des Geburtsgeſchaͤfts verlangt wird, koͤnnen folgende alte vier
Klaſſen recht fuͤglich gebraucht werden: — 1. Mißbildung
durch Mangel gewiſſer Koͤrpertheile
(Monstra
per defectum);
hierher gehoͤren z. B. die voͤllig kopfloſen
Mißgeburten (Acephali), der Schaͤdelmangel oder die Katzen-
koͤpfe (Hemicephali), der Mangel einzelner Glieder, ja
der Mangel des ganzen Rumpfs nebſt den Gliedern, wo alſo
(wie in dem einzigen im Berliner Muſaͤum bewahrten Praͤpa-
rat) ein bloßer Kopf uͤbrig bleibt, und dann das Fehlen der
Augen, einzelner Eingeweide u. ſ. w. welches indeß auf die
Geburt weiter keinen Einfluß aͤußern kann. Zu bemerken iſt
noch, daß die ſehr verſtuͤmmelten Mißgeburten am haͤufigſten
als unvollkommne Zwillingsfruͤchte (Keime zu deren Ausbil-
dung die Produktivitaͤt nicht zureichte) neben entwickelten Kin-
dern geboren wurden. — Zeichen dieſer Monſtroſitaͤten koͤn-
nen nur zuweilen durch die innere Unterſuchung erlangt wer-
den, die Regeln der Behandlung wuͤrden die im vorigen §.
beſchriebenen ſeyn.

§. 1525.

2. Mißbildung durch uͤberzaͤhlige Theile (Mon-
stra per excessum);
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[521/0547] Kindeskopfe, der Weichheit der Kopfknochen und Weite der Fontanellen erkannt. Ruͤckſichtlich der Behandlung verlangt die Vorſicht daß, obwohl nicht ſo viel Gefahren als beim zu weiten Becken zu befuͤrchten ſtehen, doch eine ſolche Gebaͤ- rende zeitig die horizontale Lage einnehme und die Wehen wenig oder gar nicht verarbeite. §. 1524. Ferner gehoͤren hierher die Mißbildungen des Kin- des, welche indeß auf das Geburtsgeſchaͤft meiſtens auch nur, indem ſie abnorme Vergroͤßerung oder Verkleinerung des koͤrperlichen Volumens verurſachen, ſtoͤrend einwirken. Ueber die Entſtehung dieſer krankhaften Bildungen haben wir in der Pathologie des Fetus ſchon ausfuͤhrlicher gehandelt; als Ein- theilung derſelben, wenn ſie zum Behuf der Behandlung des Geburtsgeſchaͤfts verlangt wird, koͤnnen folgende alte vier Klaſſen recht fuͤglich gebraucht werden: — 1. Mißbildung durch Mangel gewiſſer Koͤrpertheile (Monstra per defectum); hierher gehoͤren z. B. die voͤllig kopfloſen Mißgeburten (Acephali), der Schaͤdelmangel oder die Katzen- koͤpfe (Hemicephali), der Mangel einzelner Glieder, ja der Mangel des ganzen Rumpfs nebſt den Gliedern, wo alſo (wie in dem einzigen im Berliner Muſaͤum bewahrten Praͤpa- rat) ein bloßer Kopf uͤbrig bleibt, und dann das Fehlen der Augen, einzelner Eingeweide u. ſ. w. welches indeß auf die Geburt weiter keinen Einfluß aͤußern kann. Zu bemerken iſt noch, daß die ſehr verſtuͤmmelten Mißgeburten am haͤufigſten als unvollkommne Zwillingsfruͤchte (Keime zu deren Ausbil- dung die Produktivitaͤt nicht zureichte) neben entwickelten Kin- dern geboren wurden. — Zeichen dieſer Monſtroſitaͤten koͤn- nen nur zuweilen durch die innere Unterſuchung erlangt wer- den, die Regeln der Behandlung wuͤrden die im vorigen §. beſchriebenen ſeyn. §. 1525. 2. Mißbildung durch uͤberzaͤhlige Theile (Mon- stra per excessum); hierher gehoͤren die zuſammengewachſe-

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Zitationshilfe: Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 2. Leipzig, 1820, S. 521. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_gynaekologie02_1820/547>, abgerufen am 29.03.2024.