Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 2. Leipzig, 1820.

Bild:
<< vorherige Seite

namentlich auf den Uterus concentrirt, macht, daß die ge-
sammte Beckengegend jetzt ebenfalls reichlicher ernährt wird;
die Beckenknochen selbst erhalten daher erst zur Zeit der er-
sten Schwangerschaft ihre recht vollkommene Ausbildung und
Rundung. Die Beckenbänder werden elastischer, aber keines-
weges erschlafft, so daß etwa ein Beweglichwerden der sonst
sten Knochenverbindungen des Beckens angenommen werden
dürfte (welche Annahme früher von den meisten Geburts-
helfern behauptet wurde, obwohl sie für den Menschen kei-
nesweges statthaft ist, wenn auch nach Le Gallois und An-
dern die Schamfuge bei einigen Säugethieren [Meerschwein-
chen, Igeln, Bären] sich während der Geburt allerdings
wohl erweitert). Mit dieser größern Ausbildung des Beckens
aber erfolgt das Stärkerwerden der Hüften und die Ablage-
rung von mehrerem Fett und Zellgewebe unter der Haut in
der Gegend des Beckens und Leibes gleichzeitig, dahingegen
zugleich oft sehr bemerklich die obere Hälfte des Rumpfs
und die obern Extremitäten magerer werden. -- Was die
Ausdehnung des Unterleibes betrifft, so richtet sie sich nach
der Größe und Lage des schwangern Uterus und ist daher
schon in den vorigen Paragraphen mit betrachtet worden.

§. 759.

2) Die einzelnen organischen Systeme. Hier
ist zu erwarten, daß diejenigen die auffallendsten Verände-
rungen zeigen werden, welche dem Geschlechtssysteme am
nächsten stehen, ihrer Lage sowohl als Verrichtung nach. --
Hierher gehört aber vorzüglich erstens die gesammte vegeta-
tive Sphäre des Organismus überhaupt und das Verdau-
ungs- und Gefäßsystem insbesondere.

Anmerkung. Die mancherlei Störungen, welche in
diesen verschiedenen organischen Systemen zur Zeit der Schwan-
gerschaft vorkommen, begründen zugleich die mancherlei Stö-
rungen des völligen Wohlbefindens schwangerer Personen im
Allgemeinen, und es werden diese Störungen eines Theils,
sobald sie nicht allzubeträchtlich sind, als gewöhnliche Zei-
chen und Begleiter der Schwangerschaft, Gegenstände der

namentlich auf den Uterus concentrirt, macht, daß die ge-
ſammte Beckengegend jetzt ebenfalls reichlicher ernaͤhrt wird;
die Beckenknochen ſelbſt erhalten daher erſt zur Zeit der er-
ſten Schwangerſchaft ihre recht vollkommene Ausbildung und
Rundung. Die Beckenbaͤnder werden elaſtiſcher, aber keines-
weges erſchlafft, ſo daß etwa ein Beweglichwerden der ſonſt
ſten Knochenverbindungen des Beckens angenommen werden
duͤrfte (welche Annahme fruͤher von den meiſten Geburts-
helfern behauptet wurde, obwohl ſie fuͤr den Menſchen kei-
nesweges ſtatthaft iſt, wenn auch nach Le Gallois und An-
dern die Schamfuge bei einigen Saͤugethieren [Meerſchwein-
chen, Igeln, Baͤren] ſich waͤhrend der Geburt allerdings
wohl erweitert). Mit dieſer groͤßern Ausbildung des Beckens
aber erfolgt das Staͤrkerwerden der Huͤften und die Ablage-
rung von mehrerem Fett und Zellgewebe unter der Haut in
der Gegend des Beckens und Leibes gleichzeitig, dahingegen
zugleich oft ſehr bemerklich die obere Haͤlfte des Rumpfs
und die obern Extremitaͤten magerer werden. — Was die
Ausdehnung des Unterleibes betrifft, ſo richtet ſie ſich nach
der Groͤße und Lage des ſchwangern Uterus und iſt daher
ſchon in den vorigen Paragraphen mit betrachtet worden.

§. 759.

2) Die einzelnen organiſchen Syſteme. Hier
iſt zu erwarten, daß diejenigen die auffallendſten Veraͤnde-
rungen zeigen werden, welche dem Geſchlechtsſyſteme am
naͤchſten ſtehen, ihrer Lage ſowohl als Verrichtung nach. —
Hierher gehoͤrt aber vorzuͤglich erſtens die geſammte vegeta-
tive Sphaͤre des Organismus uͤberhaupt und das Verdau-
ungs- und Gefaͤßſyſtem insbeſondere.

Anmerkung. Die mancherlei Stoͤrungen, welche in
dieſen verſchiedenen organiſchen Syſtemen zur Zeit der Schwan-
gerſchaft vorkommen, begruͤnden zugleich die mancherlei Stoͤ-
rungen des voͤlligen Wohlbefindens ſchwangerer Perſonen im
Allgemeinen, und es werden dieſe Stoͤrungen eines Theils,
ſobald ſie nicht allzubetraͤchtlich ſind, als gewoͤhnliche Zei-
chen und Begleiter der Schwangerſchaft, Gegenſtaͤnde der

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <div n="6">
                  <div n="7">
                    <p><pb facs="#f0094" n="72"/>
namentlich auf den Uterus concentrirt, macht, daß die ge-<lb/>
&#x017F;ammte Beckengegend jetzt ebenfalls reichlicher erna&#x0364;hrt wird;<lb/>
die Beckenknochen &#x017F;elb&#x017F;t erhalten daher er&#x017F;t zur Zeit der er-<lb/>
&#x017F;ten Schwanger&#x017F;chaft ihre recht vollkommene Ausbildung und<lb/>
Rundung. Die Beckenba&#x0364;nder werden ela&#x017F;ti&#x017F;cher, aber keines-<lb/>
weges er&#x017F;chlafft, &#x017F;o daß etwa ein Beweglichwerden der &#x017F;on&#x017F;t<lb/>
&#x017F;ten Knochenverbindungen des Beckens angenommen werden<lb/>
du&#x0364;rfte (welche Annahme fru&#x0364;her von den mei&#x017F;ten Geburts-<lb/>
helfern behauptet wurde, obwohl &#x017F;ie fu&#x0364;r den Men&#x017F;chen kei-<lb/>
nesweges &#x017F;tatthaft i&#x017F;t, wenn auch nach <hi rendition="#aq">Le Gallois</hi> und An-<lb/>
dern die Schamfuge bei einigen Sa&#x0364;ugethieren [Meer&#x017F;chwein-<lb/>
chen, Igeln, Ba&#x0364;ren] &#x017F;ich wa&#x0364;hrend der Geburt allerdings<lb/>
wohl erweitert). Mit die&#x017F;er gro&#x0364;ßern Ausbildung des Beckens<lb/>
aber erfolgt das Sta&#x0364;rkerwerden der Hu&#x0364;ften und die Ablage-<lb/>
rung von mehrerem Fett und Zellgewebe unter der Haut in<lb/>
der Gegend des Beckens und Leibes gleichzeitig, dahingegen<lb/>
zugleich oft &#x017F;ehr bemerklich die obere Ha&#x0364;lfte des Rumpfs<lb/>
und die obern Extremita&#x0364;ten magerer werden. &#x2014; Was die<lb/>
Ausdehnung des Unterleibes betrifft, &#x017F;o richtet &#x017F;ie &#x017F;ich nach<lb/>
der Gro&#x0364;ße und Lage des &#x017F;chwangern Uterus und i&#x017F;t daher<lb/>
&#x017F;chon in den vorigen Paragraphen mit betrachtet worden.</p>
                  </div><lb/>
                  <div n="7">
                    <head>§. 759.</head><lb/>
                    <p>2) <hi rendition="#g">Die einzelnen organi&#x017F;chen Sy&#x017F;teme</hi>. Hier<lb/>
i&#x017F;t zu erwarten, daß diejenigen die auffallend&#x017F;ten Vera&#x0364;nde-<lb/>
rungen zeigen werden, welche dem Ge&#x017F;chlechts&#x017F;y&#x017F;teme am<lb/>
na&#x0364;ch&#x017F;ten &#x017F;tehen, ihrer Lage &#x017F;owohl als Verrichtung nach. &#x2014;<lb/>
Hierher geho&#x0364;rt aber vorzu&#x0364;glich er&#x017F;tens die ge&#x017F;ammte vegeta-<lb/>
tive Spha&#x0364;re des Organismus u&#x0364;berhaupt und das Verdau-<lb/>
ungs- und Gefa&#x0364;ß&#x017F;y&#x017F;tem insbe&#x017F;ondere.</p><lb/>
                    <p><hi rendition="#g">Anmerkung</hi>. Die mancherlei Sto&#x0364;rungen, welche in<lb/>
die&#x017F;en ver&#x017F;chiedenen organi&#x017F;chen Sy&#x017F;temen zur Zeit der Schwan-<lb/>
ger&#x017F;chaft vorkommen, begru&#x0364;nden zugleich die mancherlei Sto&#x0364;-<lb/>
rungen des vo&#x0364;lligen Wohlbefindens &#x017F;chwangerer Per&#x017F;onen im<lb/>
Allgemeinen, und es werden die&#x017F;e Sto&#x0364;rungen eines Theils,<lb/>
&#x017F;obald &#x017F;ie nicht allzubetra&#x0364;chtlich &#x017F;ind, als gewo&#x0364;hnliche Zei-<lb/>
chen und Begleiter der Schwanger&#x017F;chaft, Gegen&#x017F;ta&#x0364;nde der<lb/></p>
                  </div>
                </div>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[72/0094] namentlich auf den Uterus concentrirt, macht, daß die ge- ſammte Beckengegend jetzt ebenfalls reichlicher ernaͤhrt wird; die Beckenknochen ſelbſt erhalten daher erſt zur Zeit der er- ſten Schwangerſchaft ihre recht vollkommene Ausbildung und Rundung. Die Beckenbaͤnder werden elaſtiſcher, aber keines- weges erſchlafft, ſo daß etwa ein Beweglichwerden der ſonſt ſten Knochenverbindungen des Beckens angenommen werden duͤrfte (welche Annahme fruͤher von den meiſten Geburts- helfern behauptet wurde, obwohl ſie fuͤr den Menſchen kei- nesweges ſtatthaft iſt, wenn auch nach Le Gallois und An- dern die Schamfuge bei einigen Saͤugethieren [Meerſchwein- chen, Igeln, Baͤren] ſich waͤhrend der Geburt allerdings wohl erweitert). Mit dieſer groͤßern Ausbildung des Beckens aber erfolgt das Staͤrkerwerden der Huͤften und die Ablage- rung von mehrerem Fett und Zellgewebe unter der Haut in der Gegend des Beckens und Leibes gleichzeitig, dahingegen zugleich oft ſehr bemerklich die obere Haͤlfte des Rumpfs und die obern Extremitaͤten magerer werden. — Was die Ausdehnung des Unterleibes betrifft, ſo richtet ſie ſich nach der Groͤße und Lage des ſchwangern Uterus und iſt daher ſchon in den vorigen Paragraphen mit betrachtet worden. §. 759. 2) Die einzelnen organiſchen Syſteme. Hier iſt zu erwarten, daß diejenigen die auffallendſten Veraͤnde- rungen zeigen werden, welche dem Geſchlechtsſyſteme am naͤchſten ſtehen, ihrer Lage ſowohl als Verrichtung nach. — Hierher gehoͤrt aber vorzuͤglich erſtens die geſammte vegeta- tive Sphaͤre des Organismus uͤberhaupt und das Verdau- ungs- und Gefaͤßſyſtem insbeſondere. Anmerkung. Die mancherlei Stoͤrungen, welche in dieſen verſchiedenen organiſchen Syſtemen zur Zeit der Schwan- gerſchaft vorkommen, begruͤnden zugleich die mancherlei Stoͤ- rungen des voͤlligen Wohlbefindens ſchwangerer Perſonen im Allgemeinen, und es werden dieſe Stoͤrungen eines Theils, ſobald ſie nicht allzubetraͤchtlich ſind, als gewoͤhnliche Zei- chen und Begleiter der Schwangerſchaft, Gegenſtaͤnde der

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/carus_gynaekologie02_1820
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/carus_gynaekologie02_1820/94
Zitationshilfe: Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 2. Leipzig, 1820, S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_gynaekologie02_1820/94>, abgerufen am 19.04.2024.