Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 2. Leipzig, 1820.

Bild:
<< vorherige Seite

Harnwerkzeuge. Der Urin wird daher wieder fast wie bei
einer beginnenden Entzündung dunkelroth, brennend, und der
Quantität nach vermindert, öfterer Drang zum Uriniren, er-
schwertes und tropfenweißes Harnlassen, ja Harnverhaltung
treten ein, wovon man ebenfalls die Ursache nicht etwa dem
Drucke des Uterus allein zuschreiben darf, da auch diese Be-
schwerden weit gewöhnlicher im Anfange als im spätern
Verlaufe der Schwangerschaft gefühlt werden, und eigentlich
nur die in den letzten Wochen der Schwangerschaft bei tief
herabgesunkenem Kopfe zuweilen eintretende Ischurie, oder
Incontinentia urinae offenbar von mechanischem Drucke ab-
hängig ist.

§. 768.

d) Animale Funktionen. Die Veränderungen, wel-
che in der Empfindungs- und Bewegungsthätigkeit sich zei-
gen, sind hauptsächlich Reflexe, welche aus den Umänderun-
gen des vegetativen Lebens auf diesen höheren Kreis der
Lebensthätigkeiten geworfen werden. Hierhin gehören aber
die vorzüglich von ungleicher Blutvertheilung abhängigen
schmerzhaften Empfindungen, als Zahnschmerzen, Halsschmer-
zen, Kreuzschmerzen, der unruhige, von mancherlei Träumen
unterbrochene Schlaf, oder die besonders in den letzten Wo-
chen der Schwangerschaft zuweilen vorkommende Schlaflosig-
keit, oder auch die bald zu einer bald zur andern Periode
der Schwangerschaft eintretende Schlafsucht. Ferner gehören
hierher die Zufälle von Schwindel, Ohnmachten, welche zu-
weilen in völlig asphyktische Zustände übergehen können, und
endlich die mancherlei Verstimmungen des Gemüths, große
Reizbarkeit, Trübsinn, Aergerlichkeit u. s. w.

§. 769.

Am wenigsten zeigt sich verhältnißmäßig die Bewegungs-
thätigkeit umgeändert, nur erschwert sind überhaupt, so-
wohl durch das Stärkerwerden des Leibes, als namentlich
durch das Beengen der Respiration, alle Anstrengung for-
dernde Bewegungen, und die Natur scheint dadurch einen Wink

Harnwerkzeuge. Der Urin wird daher wieder faſt wie bei
einer beginnenden Entzuͤndung dunkelroth, brennend, und der
Quantitaͤt nach vermindert, oͤfterer Drang zum Uriniren, er-
ſchwertes und tropfenweißes Harnlaſſen, ja Harnverhaltung
treten ein, wovon man ebenfalls die Urſache nicht etwa dem
Drucke des Uterus allein zuſchreiben darf, da auch dieſe Be-
ſchwerden weit gewoͤhnlicher im Anfange als im ſpaͤtern
Verlaufe der Schwangerſchaft gefuͤhlt werden, und eigentlich
nur die in den letzten Wochen der Schwangerſchaft bei tief
herabgeſunkenem Kopfe zuweilen eintretende Iſchurie, oder
Incontinentia urinae offenbar von mechaniſchem Drucke ab-
haͤngig iſt.

§. 768.

d) Animale Funktionen. Die Veraͤnderungen, wel-
che in der Empfindungs- und Bewegungsthaͤtigkeit ſich zei-
gen, ſind hauptſaͤchlich Reflexe, welche aus den Umaͤnderun-
gen des vegetativen Lebens auf dieſen hoͤheren Kreis der
Lebensthaͤtigkeiten geworfen werden. Hierhin gehoͤren aber
die vorzuͤglich von ungleicher Blutvertheilung abhaͤngigen
ſchmerzhaften Empfindungen, als Zahnſchmerzen, Halsſchmer-
zen, Kreuzſchmerzen, der unruhige, von mancherlei Traͤumen
unterbrochene Schlaf, oder die beſonders in den letzten Wo-
chen der Schwangerſchaft zuweilen vorkommende Schlafloſig-
keit, oder auch die bald zu einer bald zur andern Periode
der Schwangerſchaft eintretende Schlafſucht. Ferner gehoͤren
hierher die Zufaͤlle von Schwindel, Ohnmachten, welche zu-
weilen in voͤllig asphyktiſche Zuſtaͤnde uͤbergehen koͤnnen, und
endlich die mancherlei Verſtimmungen des Gemuͤths, große
Reizbarkeit, Truͤbſinn, Aergerlichkeit u. ſ. w.

§. 769.

Am wenigſten zeigt ſich verhaͤltnißmaͤßig die Bewegungs-
thaͤtigkeit umgeaͤndert, nur erſchwert ſind uͤberhaupt, ſo-
wohl durch das Staͤrkerwerden des Leibes, als namentlich
durch das Beengen der Reſpiration, alle Anſtrengung for-
dernde Bewegungen, und die Natur ſcheint dadurch einen Wink

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <div n="6">
                  <div n="7">
                    <p><pb facs="#f0099" n="77"/>
Harnwerkzeuge. Der Urin wird daher wieder fa&#x017F;t wie bei<lb/>
einer beginnenden Entzu&#x0364;ndung dunkelroth, brennend, und der<lb/>
Quantita&#x0364;t nach vermindert, o&#x0364;fterer Drang zum Uriniren, er-<lb/>
&#x017F;chwertes und tropfenweißes Harnla&#x017F;&#x017F;en, ja Harnverhaltung<lb/>
treten ein, wovon man ebenfalls die Ur&#x017F;ache nicht etwa dem<lb/>
Drucke des Uterus allein zu&#x017F;chreiben darf, da auch die&#x017F;e Be-<lb/>
&#x017F;chwerden weit gewo&#x0364;hnlicher im Anfange als im &#x017F;pa&#x0364;tern<lb/>
Verlaufe der Schwanger&#x017F;chaft gefu&#x0364;hlt werden, und eigentlich<lb/>
nur die in den letzten Wochen der Schwanger&#x017F;chaft bei tief<lb/>
herabge&#x017F;unkenem Kopfe zuweilen eintretende I&#x017F;churie, oder<lb/><hi rendition="#aq">Incontinentia urinae</hi> offenbar von mechani&#x017F;chem Drucke ab-<lb/>
ha&#x0364;ngig i&#x017F;t.</p>
                  </div><lb/>
                  <div n="7">
                    <head>§. 768.</head><lb/>
                    <p><hi rendition="#aq">d</hi>) <hi rendition="#g">Animale Funktionen</hi>. Die Vera&#x0364;nderungen, wel-<lb/>
che in der Empfindungs- und Bewegungstha&#x0364;tigkeit &#x017F;ich zei-<lb/>
gen, &#x017F;ind haupt&#x017F;a&#x0364;chlich Reflexe, welche aus den Uma&#x0364;nderun-<lb/>
gen des vegetativen Lebens auf die&#x017F;en ho&#x0364;heren Kreis der<lb/>
Lebenstha&#x0364;tigkeiten geworfen werden. Hierhin geho&#x0364;ren aber<lb/>
die vorzu&#x0364;glich von ungleicher Blutvertheilung abha&#x0364;ngigen<lb/>
&#x017F;chmerzhaften Empfindungen, als Zahn&#x017F;chmerzen, Hals&#x017F;chmer-<lb/>
zen, Kreuz&#x017F;chmerzen, der unruhige, von mancherlei Tra&#x0364;umen<lb/>
unterbrochene Schlaf, oder die be&#x017F;onders in den letzten Wo-<lb/>
chen der Schwanger&#x017F;chaft zuweilen vorkommende Schlaflo&#x017F;ig-<lb/>
keit, oder auch die bald zu einer bald zur andern Periode<lb/>
der Schwanger&#x017F;chaft eintretende Schlaf&#x017F;ucht. Ferner geho&#x0364;ren<lb/>
hierher die Zufa&#x0364;lle von Schwindel, Ohnmachten, welche zu-<lb/>
weilen in vo&#x0364;llig asphykti&#x017F;che Zu&#x017F;ta&#x0364;nde u&#x0364;bergehen ko&#x0364;nnen, und<lb/>
endlich die mancherlei Ver&#x017F;timmungen des Gemu&#x0364;ths, große<lb/>
Reizbarkeit, Tru&#x0364;b&#x017F;inn, Aergerlichkeit u. &#x017F;. w.</p>
                  </div><lb/>
                  <div n="7">
                    <head>§. 769.</head><lb/>
                    <p>Am wenig&#x017F;ten zeigt &#x017F;ich verha&#x0364;ltnißma&#x0364;ßig die Bewegungs-<lb/>
tha&#x0364;tigkeit umgea&#x0364;ndert, nur <hi rendition="#g">er&#x017F;chwert</hi> &#x017F;ind u&#x0364;berhaupt, &#x017F;o-<lb/>
wohl durch das Sta&#x0364;rkerwerden des Leibes, als namentlich<lb/>
durch das Beengen der Re&#x017F;piration, alle An&#x017F;trengung for-<lb/>
dernde Bewegungen, und die Natur &#x017F;cheint dadurch einen Wink<lb/></p>
                  </div>
                </div>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[77/0099] Harnwerkzeuge. Der Urin wird daher wieder faſt wie bei einer beginnenden Entzuͤndung dunkelroth, brennend, und der Quantitaͤt nach vermindert, oͤfterer Drang zum Uriniren, er- ſchwertes und tropfenweißes Harnlaſſen, ja Harnverhaltung treten ein, wovon man ebenfalls die Urſache nicht etwa dem Drucke des Uterus allein zuſchreiben darf, da auch dieſe Be- ſchwerden weit gewoͤhnlicher im Anfange als im ſpaͤtern Verlaufe der Schwangerſchaft gefuͤhlt werden, und eigentlich nur die in den letzten Wochen der Schwangerſchaft bei tief herabgeſunkenem Kopfe zuweilen eintretende Iſchurie, oder Incontinentia urinae offenbar von mechaniſchem Drucke ab- haͤngig iſt. §. 768. d) Animale Funktionen. Die Veraͤnderungen, wel- che in der Empfindungs- und Bewegungsthaͤtigkeit ſich zei- gen, ſind hauptſaͤchlich Reflexe, welche aus den Umaͤnderun- gen des vegetativen Lebens auf dieſen hoͤheren Kreis der Lebensthaͤtigkeiten geworfen werden. Hierhin gehoͤren aber die vorzuͤglich von ungleicher Blutvertheilung abhaͤngigen ſchmerzhaften Empfindungen, als Zahnſchmerzen, Halsſchmer- zen, Kreuzſchmerzen, der unruhige, von mancherlei Traͤumen unterbrochene Schlaf, oder die beſonders in den letzten Wo- chen der Schwangerſchaft zuweilen vorkommende Schlafloſig- keit, oder auch die bald zu einer bald zur andern Periode der Schwangerſchaft eintretende Schlafſucht. Ferner gehoͤren hierher die Zufaͤlle von Schwindel, Ohnmachten, welche zu- weilen in voͤllig asphyktiſche Zuſtaͤnde uͤbergehen koͤnnen, und endlich die mancherlei Verſtimmungen des Gemuͤths, große Reizbarkeit, Truͤbſinn, Aergerlichkeit u. ſ. w. §. 769. Am wenigſten zeigt ſich verhaͤltnißmaͤßig die Bewegungs- thaͤtigkeit umgeaͤndert, nur erſchwert ſind uͤberhaupt, ſo- wohl durch das Staͤrkerwerden des Leibes, als namentlich durch das Beengen der Reſpiration, alle Anſtrengung for- dernde Bewegungen, und die Natur ſcheint dadurch einen Wink

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/carus_gynaekologie02_1820
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/carus_gynaekologie02_1820/99
Zitationshilfe: Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 2. Leipzig, 1820, S. 77. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_gynaekologie02_1820/99>, abgerufen am 24.04.2024.