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Carus, Carl Gustav: Psyche. Zur Entwicklungsgeschichte der Seele. Pforzheim, 1846.

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ruhen und immer wieder darauf Bezug nehmen, weit tiefer
in die Geheimnisse des eigentlichen Seelenlebens eindringen,
als etwa das Compendium der Psychologie eines Herbart.

Es ist indeß hier keinesweges die Meinung, daß diese
Abwege bloß von Denen betreten würden, welche als Lehrer
und Schriftsteller dem Geheimnisse des Seelenlebens nach¬
trachten, im Gegentheil finden wir, daß diese Verschiedenheit
irrender Richtung auch durch Diejenigen durchgeht, welche,
öfter oder seltener, im stillen Umgange mit sich selbst die Ange¬
legenheit der Seele bedenken, oder mindestens daran denken.
Auch in diesen Geistern schwanken die Vorstellungen viel¬
fältig bald ganz und gar nach der Seite dunkler Gefühle,
und bereiten das vor, was man, wo es herrschend wird, als
Schwärmerei bezeichnet, oder sie schießen zeitig an zu gewissen
festen hausbackenen Begriffen, nach welchen etwa das innere
Wesen des Menschen so als eine Art von Uhrwerk gedacht
wird, in welchem die Seele nur als eins der künstlich hinein¬
gesetzten Räder mit zählt. -- Wer in dieser Beziehung unter
Menschen sich umthun will, wird mitunter sonderbare Vorstel¬
lungen zu vernehmen bekommen, und man wird nicht selten
Ansichten hier gewahr werden können, welche in Bezug auf
die Seele von den Meinungen der Völker, welche das höchste
Mysterium Gottes als irgend einen Fetisch sich vorstellen,
sehr wenig sich unterscheiden.

Doch wie es unter Wissenden und Lehrenden immer eine
gewisse Anzahl gegeben hat, welche das Bewußte sorglich ver¬

ruhen und immer wieder darauf Bezug nehmen, weit tiefer
in die Geheimniſſe des eigentlichen Seelenlebens eindringen,
als etwa das Compendium der Pſychologie eines Herbart.

Es iſt indeß hier keinesweges die Meinung, daß dieſe
Abwege bloß von Denen betreten würden, welche als Lehrer
und Schriftſteller dem Geheimniſſe des Seelenlebens nach¬
trachten, im Gegentheil finden wir, daß dieſe Verſchiedenheit
irrender Richtung auch durch Diejenigen durchgeht, welche,
öfter oder ſeltener, im ſtillen Umgange mit ſich ſelbſt die Ange¬
legenheit der Seele bedenken, oder mindeſtens daran denken.
Auch in dieſen Geiſtern ſchwanken die Vorſtellungen viel¬
fältig bald ganz und gar nach der Seite dunkler Gefühle,
und bereiten das vor, was man, wo es herrſchend wird, als
Schwärmerei bezeichnet, oder ſie ſchießen zeitig an zu gewiſſen
feſten hausbackenen Begriffen, nach welchen etwa das innere
Weſen des Menſchen ſo als eine Art von Uhrwerk gedacht
wird, in welchem die Seele nur als eins der künſtlich hinein¬
geſetzten Räder mit zählt. — Wer in dieſer Beziehung unter
Menſchen ſich umthun will, wird mitunter ſonderbare Vorſtel¬
lungen zu vernehmen bekommen, und man wird nicht ſelten
Anſichten hier gewahr werden können, welche in Bezug auf
die Seele von den Meinungen der Völker, welche das höchſte
Myſterium Gottes als irgend einen Fetiſch ſich vorſtellen,
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[VII/0015] ruhen und immer wieder darauf Bezug nehmen, weit tiefer in die Geheimniſſe des eigentlichen Seelenlebens eindringen, als etwa das Compendium der Pſychologie eines Herbart. Es iſt indeß hier keinesweges die Meinung, daß dieſe Abwege bloß von Denen betreten würden, welche als Lehrer und Schriftſteller dem Geheimniſſe des Seelenlebens nach¬ trachten, im Gegentheil finden wir, daß dieſe Verſchiedenheit irrender Richtung auch durch Diejenigen durchgeht, welche, öfter oder ſeltener, im ſtillen Umgange mit ſich ſelbſt die Ange¬ legenheit der Seele bedenken, oder mindeſtens daran denken. Auch in dieſen Geiſtern ſchwanken die Vorſtellungen viel¬ fältig bald ganz und gar nach der Seite dunkler Gefühle, und bereiten das vor, was man, wo es herrſchend wird, als Schwärmerei bezeichnet, oder ſie ſchießen zeitig an zu gewiſſen feſten hausbackenen Begriffen, nach welchen etwa das innere Weſen des Menſchen ſo als eine Art von Uhrwerk gedacht wird, in welchem die Seele nur als eins der künſtlich hinein¬ geſetzten Räder mit zählt. — Wer in dieſer Beziehung unter Menſchen ſich umthun will, wird mitunter ſonderbare Vorſtel¬ lungen zu vernehmen bekommen, und man wird nicht ſelten Anſichten hier gewahr werden können, welche in Bezug auf die Seele von den Meinungen der Völker, welche das höchſte Myſterium Gottes als irgend einen Fetiſch ſich vorſtellen, ſehr wenig ſich unterſcheiden. Doch wie es unter Wiſſenden und Lehrenden immer eine gewiſſe Anzahl gegeben hat, welche das Bewußte ſorglich ver¬

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Zitationshilfe: Carus, Carl Gustav: Psyche. Zur Entwicklungsgeschichte der Seele. Pforzheim, 1846, S. VII. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_psyche_1846/15>, abgerufen am 19.04.2024.