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Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872.

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Stand des Wissens und der Cultur am Ende des zwölften Jahrh.
hunderts eine etwas verschiedene Richtung auf, so erhält sich doch die
Symbolisirung noch lange, weit über den Zeitraum hinaus, welcher
die Blüthe des Physiologus umfaßt. Wie noch das tridentiner Concil
durch den römischen Katechismus die Bedeutsamkeit dieser figürlichen
Verwendung anerkennen ließ, so finden sich vor und nach ihm zahl-
reiche Belege für diese, eigentlicher Erkenntniß fremd gegenüberstehende
Erfassung der Natur. Beispielsweise mag hier nur auf Alanus ab In-
sulis
73), Hildefonsus74) und Ioannes Institor75) verwiesen werden.



Stand des Wissens und der Cultur am Ende des
zwölften Jahrhunderts.

Es wurde oben der Gründung der beiden Bettelorden gedacht,
der Dominikaner und Franziskaner. Um die hervorragende Stellung,
welche dieselben im 13. Jahrhundert der Entwickelung der Wissenschaf-
ten gegenüber einnahmen, beurtheilen zu können, ist eine flüchtige Er-
innerung an die allgemeinen Culturverhältnisse, unter denen sie ent-
standen, nicht unzweckmäßig. Daß sie den Benediktinern den Beruf der
Lehrerschaft für das Volk abnahmen, wurde nach den Zuständen dieser
Genossenschaft oben kurz angedeutet. Tiefer liegende Gründe lassen in
ihnen die unabsichtlichen Verbreiter und Erhalter der Wissenschaftlichkeit
erkennen, selbst in Zeiten, wo die Kirche durch ihre Satzungen mehr
dahin zu wirken suchte, das Wissen vom Glauben abhängig zu machen,
als den letzteren durch Erweiterung des Wissens zu stützen.

Hatte Karl der Große durch Gründung und Förderung von Schu-

73) Alanus ab Insulis, Oculus s. Summa. Argentor. s. a. (Pitra).
74) In den lib. II. itineris deserti quo pergitur post baptismum (Baluze,
Miscellan. ed. Mansi T. II. p. 39)
werden von Cap. LIII bis LXXI zunächst das
Solatium avium spiritualium, dann die significationes von Vögeln, Schlangen
und Säugethieren angeführt.
75) Derselbe zählt im Breviloquium animi cujuslibet reformativum die
symbolischen Beziehungen von zwanzig Vögeln auf, zu denen er auch die Fleder-
maus rechnet. - Weiteres ist bei Pitra, Spicilegium. Tom. III. zu finden.
V. Carus, Gesch. d. Zool. 10

Stand des Wiſſens und der Cultur am Ende des zwölften Jahrh.
hunderts eine etwas verſchiedene Richtung auf, ſo erhält ſich doch die
Symboliſirung noch lange, weit über den Zeitraum hinaus, welcher
die Blüthe des Phyſiologus umfaßt. Wie noch das tridentiner Concil
durch den römiſchen Katechismus die Bedeutſamkeit dieſer figürlichen
Verwendung anerkennen ließ, ſo finden ſich vor und nach ihm zahl-
reiche Belege für dieſe, eigentlicher Erkenntniß fremd gegenüberſtehende
Erfaſſung der Natur. Beiſpielsweiſe mag hier nur auf Alanus ab In-
ſulis
73), Hildefonſus74) und Ioannes Inſtitor75) verwieſen werden.



Stand des Wiſſens und der Cultur am Ende des
zwölften Jahrhunderts.

Es wurde oben der Gründung der beiden Bettelorden gedacht,
der Dominikaner und Franziskaner. Um die hervorragende Stellung,
welche dieſelben im 13. Jahrhundert der Entwickelung der Wiſſenſchaf-
ten gegenüber einnahmen, beurtheilen zu können, iſt eine flüchtige Er-
innerung an die allgemeinen Culturverhältniſſe, unter denen ſie ent-
ſtanden, nicht unzweckmäßig. Daß ſie den Benediktinern den Beruf der
Lehrerſchaft für das Volk abnahmen, wurde nach den Zuſtänden dieſer
Genoſſenſchaft oben kurz angedeutet. Tiefer liegende Gründe laſſen in
ihnen die unabſichtlichen Verbreiter und Erhalter der Wiſſenſchaftlichkeit
erkennen, ſelbſt in Zeiten, wo die Kirche durch ihre Satzungen mehr
dahin zu wirken ſuchte, das Wiſſen vom Glauben abhängig zu machen,
als den letzteren durch Erweiterung des Wiſſens zu ſtützen.

Hatte Karl der Große durch Gründung und Förderung von Schu-

73) Alanus ab Insulis, Oculus s. Summa. Argentor. s. a. (Pitra).
74) In den lib. II. itineris deserti quo pergitur post baptismum (Baluze,
Miscellan. ed. Mansi T. II. p. 39)
werden von Cap. LIII bis LXXI zunächſt das
Solatium avium spiritualium, dann die significationes von Vögeln, Schlangen
und Säugethieren angeführt.
75) Derſelbe zählt im Breviloquium animi cujuslibet reformativum die
ſymboliſchen Beziehungen von zwanzig Vögeln auf, zu denen er auch die Fleder-
maus rechnet. ‒ Weiteres iſt bei Pitra, Spicilegium. Tom. III. zu finden.
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[145/0156] Stand des Wiſſens und der Cultur am Ende des zwölften Jahrh. hunderts eine etwas verſchiedene Richtung auf, ſo erhält ſich doch die Symboliſirung noch lange, weit über den Zeitraum hinaus, welcher die Blüthe des Phyſiologus umfaßt. Wie noch das tridentiner Concil durch den römiſchen Katechismus die Bedeutſamkeit dieſer figürlichen Verwendung anerkennen ließ, ſo finden ſich vor und nach ihm zahl- reiche Belege für dieſe, eigentlicher Erkenntniß fremd gegenüberſtehende Erfaſſung der Natur. Beiſpielsweiſe mag hier nur auf Alanus ab In- ſulis 73), Hildefonſus 74) und Ioannes Inſtitor 75) verwieſen werden. Stand des Wiſſens und der Cultur am Ende des zwölften Jahrhunderts. Es wurde oben der Gründung der beiden Bettelorden gedacht, der Dominikaner und Franziskaner. Um die hervorragende Stellung, welche dieſelben im 13. Jahrhundert der Entwickelung der Wiſſenſchaf- ten gegenüber einnahmen, beurtheilen zu können, iſt eine flüchtige Er- innerung an die allgemeinen Culturverhältniſſe, unter denen ſie ent- ſtanden, nicht unzweckmäßig. Daß ſie den Benediktinern den Beruf der Lehrerſchaft für das Volk abnahmen, wurde nach den Zuſtänden dieſer Genoſſenſchaft oben kurz angedeutet. Tiefer liegende Gründe laſſen in ihnen die unabſichtlichen Verbreiter und Erhalter der Wiſſenſchaftlichkeit erkennen, ſelbſt in Zeiten, wo die Kirche durch ihre Satzungen mehr dahin zu wirken ſuchte, das Wiſſen vom Glauben abhängig zu machen, als den letzteren durch Erweiterung des Wiſſens zu ſtützen. Hatte Karl der Große durch Gründung und Förderung von Schu- 73) Alanus ab Insulis, Oculus s. Summa. Argentor. s. a. (Pitra). 74) In den lib. II. itineris deserti quo pergitur post baptismum (Baluze, Miscellan. ed. Mansi T. II. p. 39) werden von Cap. LIII bis LXXI zunächſt das Solatium avium spiritualium, dann die significationes von Vögeln, Schlangen und Säugethieren angeführt. 75) Derſelbe zählt im Breviloquium animi cujuslibet reformativum die ſymboliſchen Beziehungen von zwanzig Vögeln auf, zu denen er auch die Fleder- maus rechnet. ‒ Weiteres iſt bei Pitra, Spicilegium. Tom. III. zu finden. V. Carus, Geſch. d. Zool. 10

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Zitationshilfe: Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872, S. 145. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_zoologie_1872/156>, abgerufen am 25.04.2024.