Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Zeit von Ray bis Klein.
Ray's Tode, theils in Folge seiner Anregung theils unabhängig von
ihm, fast alle Thierclassen, deren Kenntniß so weit gefördert worden
war, daß sich eine Ordnung der Thatsachen als wünschenswerth her-
ausstellte, Bearbeiter gefunden hatten. Sie konnten nicht einmal
sämmtlich aufgeführt werden, da es sich hier nicht um ein Litteratur-
verzeichniß handelt. Noch wurden diese größeren Gruppen nicht mit
dem Namen von "Classen" aufgeführt, eine Bezeichnung, welche zwar
hier und da auftrat, aber noch keine scharfe Bestimmung in dem syste-
matischen Bau erhalten hatte. Nicht unerwähnt mag gelassen werden,
daß vom Ende des siebzehnten Jahrhunderts an auch der Ausdruck
Naturreich, die Eintheilung der gesammten Natur in die drei
"Regna" aufkam und zwar wie es scheint zuerst durch Emanuel
König
, welcher in seinem 1682 erschienenen Regnum animale noch
einmal nach alter Weise alles Wißbare und Nichtwißbare von den
Thieren zusammentrug und so die Reihe der letzten Ausläufer der En-
cyklopädiker schließt.

Die Zeit von Ray bis Klein.

Nach Ray's Tode trat die Zeit einer vergleichsweisen Ruhe ein,
wenn man die wichtigen Schritte in's Auge faßt, welche die Zoologie
durch seine hervorragenden Nachfolger that. Man darf dies aber eben
sowenig für einen Stillstand wie für eine Folge der verhältnißmäßig
schnelleren Entwickelung der Botanik halten. Auch in der Zoologie
wurde den einzelnen Richtungen entsprechend rüstig gearbeitet; es sind
aber in ihr sowohl die Schwierigkeit für die Beschaffung hinreichenden
Materials als auch die ganz ungleich größere Complexität der einzel-
nen Theile und ihrer Leistungen wie ihrer Anordnung zum Thierkörper
Elemente, welche nothwendig eine langsamere Entwickelung bedingten.
Es wurde oben gezeigt, wie spät erst alte Anschauungen über die Be-
deutung ganzer anatomischer Systeme, z. B. des Muskelsystems durch
naturgemäße ersetzt wurden. Noch in der Mitte des siebzehnten Jahr-
hunderts mußte Schneider mit allen nur möglichen Beweismitteln die
Annahme einer Absonderung des Schleims vom Gehirn aus wider-

V. Carus, Gesch. d. Zool. 29

Die Zeit von Ray bis Klein.
Ray's Tode, theils in Folge ſeiner Anregung theils unabhängig von
ihm, faſt alle Thierclaſſen, deren Kenntniß ſo weit gefördert worden
war, daß ſich eine Ordnung der Thatſachen als wünſchenswerth her-
ausſtellte, Bearbeiter gefunden hatten. Sie konnten nicht einmal
ſämmtlich aufgeführt werden, da es ſich hier nicht um ein Litteratur-
verzeichniß handelt. Noch wurden dieſe größeren Gruppen nicht mit
dem Namen von „Claſſen“ aufgeführt, eine Bezeichnung, welche zwar
hier und da auftrat, aber noch keine ſcharfe Beſtimmung in dem ſyſte-
matiſchen Bau erhalten hatte. Nicht unerwähnt mag gelaſſen werden,
daß vom Ende des ſiebzehnten Jahrhunderts an auch der Ausdruck
Naturreich, die Eintheilung der geſammten Natur in die drei
»Regna« aufkam und zwar wie es ſcheint zuerſt durch Emanuel
König
, welcher in ſeinem 1682 erſchienenen Regnum animale noch
einmal nach alter Weiſe alles Wißbare und Nichtwißbare von den
Thieren zuſammentrug und ſo die Reihe der letzten Ausläufer der En-
cyklopädiker ſchließt.

Die Zeit von Ray bis Klein.

Nach Ray's Tode trat die Zeit einer vergleichsweiſen Ruhe ein,
wenn man die wichtigen Schritte in's Auge faßt, welche die Zoologie
durch ſeine hervorragenden Nachfolger that. Man darf dies aber eben
ſowenig für einen Stillſtand wie für eine Folge der verhältnißmäßig
ſchnelleren Entwickelung der Botanik halten. Auch in der Zoologie
wurde den einzelnen Richtungen entſprechend rüſtig gearbeitet; es ſind
aber in ihr ſowohl die Schwierigkeit für die Beſchaffung hinreichenden
Materials als auch die ganz ungleich größere Complexität der einzel-
nen Theile und ihrer Leiſtungen wie ihrer Anordnung zum Thierkörper
Elemente, welche nothwendig eine langſamere Entwickelung bedingten.
Es wurde oben gezeigt, wie ſpät erſt alte Anſchauungen über die Be-
deutung ganzer anatomiſcher Syſteme, z. B. des Muskelſyſtems durch
naturgemäße erſetzt wurden. Noch in der Mitte des ſiebzehnten Jahr-
hunderts mußte Schneider mit allen nur möglichen Beweismitteln die
Annahme einer Abſonderung des Schleims vom Gehirn aus wider-

V. Carus, Geſch. d. Zool. 29
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0460" n="449"/><fw place="top" type="header">Die Zeit von <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118788000">Ray</persName> bis <persName ref="http://d-nb.info/gnd/117523216">Klein</persName>.</fw><lb/><persName ref="http://d-nb.info/gnd/118788000">Ray</persName>'s Tode, theils in Folge &#x017F;einer Anregung theils unabhängig von<lb/>
ihm, fa&#x017F;t alle Thiercla&#x017F;&#x017F;en, deren Kenntniß &#x017F;o weit gefördert worden<lb/>
war, daß &#x017F;ich eine Ordnung der That&#x017F;achen als wün&#x017F;chenswerth her-<lb/>
aus&#x017F;tellte, Bearbeiter gefunden hatten. Sie konnten nicht einmal<lb/>
&#x017F;ämmtlich aufgeführt werden, da es &#x017F;ich hier nicht um ein Litteratur-<lb/>
verzeichniß handelt. Noch wurden die&#x017F;e größeren Gruppen nicht mit<lb/>
dem Namen von &#x201E;Cla&#x017F;&#x017F;en&#x201C; aufgeführt, eine Bezeichnung, welche zwar<lb/>
hier und da auftrat, aber noch keine &#x017F;charfe Be&#x017F;timmung in dem &#x017F;y&#x017F;te-<lb/>
mati&#x017F;chen Bau erhalten hatte. Nicht unerwähnt mag gela&#x017F;&#x017F;en werden,<lb/>
daß vom Ende des &#x017F;iebzehnten Jahrhunderts an auch der Ausdruck<lb/><hi rendition="#g">Naturreich</hi>, die Eintheilung der ge&#x017F;ammten Natur in die drei<lb/>
»<hi rendition="#aq">Regna</hi>« aufkam und zwar wie es &#x017F;cheint zuer&#x017F;t durch <hi rendition="#g"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/124152198">Emanuel<lb/>
König</persName></hi>, welcher in &#x017F;einem 1682 er&#x017F;chienenen <hi rendition="#aq">Regnum animale</hi> noch<lb/>
einmal nach alter Wei&#x017F;e alles Wißbare und Nichtwißbare von den<lb/>
Thieren zu&#x017F;ammentrug und &#x017F;o die Reihe der letzten Ausläufer der En-<lb/>
cyklopädiker &#x017F;chließt.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">Die Zeit von <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118788000">Ray</persName> bis <persName ref="http://d-nb.info/gnd/117523216">Klein</persName>.</hi> </head><lb/>
          <p>Nach <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118788000">Ray</persName>'s Tode trat die Zeit einer vergleichswei&#x017F;en Ruhe ein,<lb/>
wenn man die wichtigen Schritte in's Auge faßt, welche die Zoologie<lb/>
durch &#x017F;eine hervorragenden Nachfolger that. Man darf dies aber eben<lb/>
&#x017F;owenig für einen Still&#x017F;tand wie für eine Folge der verhältnißmäßig<lb/>
&#x017F;chnelleren Entwickelung der Botanik halten. Auch in der Zoologie<lb/>
wurde den einzelnen Richtungen ent&#x017F;prechend rü&#x017F;tig gearbeitet; es &#x017F;ind<lb/>
aber in ihr &#x017F;owohl die Schwierigkeit für die Be&#x017F;chaffung hinreichenden<lb/>
Materials als auch die ganz ungleich größere Complexität der einzel-<lb/>
nen Theile und ihrer Lei&#x017F;tungen wie ihrer Anordnung zum Thierkörper<lb/>
Elemente, welche nothwendig eine lang&#x017F;amere Entwickelung bedingten.<lb/>
Es wurde oben gezeigt, wie &#x017F;pät er&#x017F;t alte An&#x017F;chauungen über die Be-<lb/>
deutung ganzer anatomi&#x017F;cher Sy&#x017F;teme, z. B. des Muskel&#x017F;y&#x017F;tems durch<lb/>
naturgemäße er&#x017F;etzt wurden. Noch in der Mitte des &#x017F;iebzehnten Jahr-<lb/>
hunderts mußte <persName ref="http://d-nb.info/gnd/104117672">Schneider</persName> mit allen nur möglichen Beweismitteln die<lb/>
Annahme einer Ab&#x017F;onderung des Schleims vom Gehirn aus wider-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/104288647">V. <hi rendition="#g">Carus</hi></persName>, Ge&#x017F;ch. d. Zool. 29</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[449/0460] Die Zeit von Ray bis Klein. Ray's Tode, theils in Folge ſeiner Anregung theils unabhängig von ihm, faſt alle Thierclaſſen, deren Kenntniß ſo weit gefördert worden war, daß ſich eine Ordnung der Thatſachen als wünſchenswerth her- ausſtellte, Bearbeiter gefunden hatten. Sie konnten nicht einmal ſämmtlich aufgeführt werden, da es ſich hier nicht um ein Litteratur- verzeichniß handelt. Noch wurden dieſe größeren Gruppen nicht mit dem Namen von „Claſſen“ aufgeführt, eine Bezeichnung, welche zwar hier und da auftrat, aber noch keine ſcharfe Beſtimmung in dem ſyſte- matiſchen Bau erhalten hatte. Nicht unerwähnt mag gelaſſen werden, daß vom Ende des ſiebzehnten Jahrhunderts an auch der Ausdruck Naturreich, die Eintheilung der geſammten Natur in die drei »Regna« aufkam und zwar wie es ſcheint zuerſt durch Emanuel König, welcher in ſeinem 1682 erſchienenen Regnum animale noch einmal nach alter Weiſe alles Wißbare und Nichtwißbare von den Thieren zuſammentrug und ſo die Reihe der letzten Ausläufer der En- cyklopädiker ſchließt. Die Zeit von Ray bis Klein. Nach Ray's Tode trat die Zeit einer vergleichsweiſen Ruhe ein, wenn man die wichtigen Schritte in's Auge faßt, welche die Zoologie durch ſeine hervorragenden Nachfolger that. Man darf dies aber eben ſowenig für einen Stillſtand wie für eine Folge der verhältnißmäßig ſchnelleren Entwickelung der Botanik halten. Auch in der Zoologie wurde den einzelnen Richtungen entſprechend rüſtig gearbeitet; es ſind aber in ihr ſowohl die Schwierigkeit für die Beſchaffung hinreichenden Materials als auch die ganz ungleich größere Complexität der einzel- nen Theile und ihrer Leiſtungen wie ihrer Anordnung zum Thierkörper Elemente, welche nothwendig eine langſamere Entwickelung bedingten. Es wurde oben gezeigt, wie ſpät erſt alte Anſchauungen über die Be- deutung ganzer anatomiſcher Syſteme, z. B. des Muskelſyſtems durch naturgemäße erſetzt wurden. Noch in der Mitte des ſiebzehnten Jahr- hunderts mußte Schneider mit allen nur möglichen Beweismitteln die Annahme einer Abſonderung des Schleims vom Gehirn aus wider- V. Carus, Geſch. d. Zool. 29

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/carus_zoologie_1872
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/carus_zoologie_1872/460
Zitationshilfe: Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872, S. 449. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_zoologie_1872/460>, abgerufen am 25.04.2024.