Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872.

Bild:
<< vorherige Seite

Periode der Morphologie.
darstellungen, wenn gleich nicht so plastisch ausgeführt, wie in dem
freilich bei Weitem nicht so umfassenden Werke von Pander und d'Alton.

Die Lehre von den thierischen Typen.

Es muß hier innegehalten werden, um die Entwickelung der auf
die weitere Ausbildung der vergleichenden Anatomie zu einer thierischen
Morphologie so wesentlich einwirkenden drei Momente zu schildern, die
der Lehre von den Typen, der Entwickelungsgeschichte und der Zellen-
theorie. Wie die vergleichende Anatomie ursprünglich davon ausgieng,
den Bau des Menschen mit den Thieren der zunächst auf den Menschen
folgenden Abtheilungen zu vergleichen, und dadurch gewissermaßen an-
deutete, was als vergleichbar anzusehen sei, so hatte doch die Linne'sche
Anordnung des Thierreichs die Aristotelische Eintheilung so weit in den
Hintergrund gedrängt, daß man höchstens (nach dem so verbreiteten
Misverständniß) die Insecten und Würmer als weißblütige Thiere zu-
sammenfaßte. Es wurde oben hervorgehoben, daß es zuerst Batsch
war, welcher eine Vereinigung der vier obern Classen Linne's unter dem
Namen Knochenthiere vornahm. Dieser Schritt fand aber kaum irgend
welche Beachtung. Cuvier zählt noch 1798 in seinem Tableau elemen-
taire
die Wirbelthierclassen einzeln auf und trennt nur die von ihm
ausdrücklich als weißblütige eingeführten niederen Thiere in die Ab-
theilungen der Mollusken, der Insecten und Würmer und der Zoophy-
ten, an erster Stelle die Form und Anwesenheit des Herzens, an zweiter
die des Nervensystems berücksichtigend. Eine indirecte Veranlassung
zu einer schärferen Hervorhebung des Typischen der verschiedenen
Classen gab Lamarck 1797 dadurch, daß er die weißblutigen Thiere
als "Wirbellose" den Thieren mit Wirbeln gegenüberstellte, welche Aus-
drücke (a vertebres und sans vertebres) von ihm herrühren, und daß
er eine Abtheilung als Strahlthiere von den Polypen schied. So häufig
auch sein Name mit der Aufstellung und Begründung der Typen in
Verbindung gebracht wird, so sind doch die beiden angeführten Momente
die einzigen, auf welche sich dieses Verdienst etwa gründen ließe. In
der im Jahre 1809 erschienenen zoologischen Philosophie theilt er das
Thierreich in vierzehn Classen und sechs Stufen, welche aber nicht auf

Periode der Morphologie.
darſtellungen, wenn gleich nicht ſo plaſtiſch ausgeführt, wie in dem
freilich bei Weitem nicht ſo umfaſſenden Werke von Pander und d'Alton.

Die Lehre von den thieriſchen Typen.

Es muß hier innegehalten werden, um die Entwickelung der auf
die weitere Ausbildung der vergleichenden Anatomie zu einer thieriſchen
Morphologie ſo weſentlich einwirkenden drei Momente zu ſchildern, die
der Lehre von den Typen, der Entwickelungsgeſchichte und der Zellen-
theorie. Wie die vergleichende Anatomie urſprünglich davon ausgieng,
den Bau des Menſchen mit den Thieren der zunächſt auf den Menſchen
folgenden Abtheilungen zu vergleichen, und dadurch gewiſſermaßen an-
deutete, was als vergleichbar anzuſehen ſei, ſo hatte doch die Linné'ſche
Anordnung des Thierreichs die Ariſtoteliſche Eintheilung ſo weit in den
Hintergrund gedrängt, daß man höchſtens (nach dem ſo verbreiteten
Misverſtändniß) die Inſecten und Würmer als weißblütige Thiere zu-
ſammenfaßte. Es wurde oben hervorgehoben, daß es zuerſt Batſch
war, welcher eine Vereinigung der vier obern Claſſen Linné's unter dem
Namen Knochenthiere vornahm. Dieſer Schritt fand aber kaum irgend
welche Beachtung. Cuvier zählt noch 1798 in ſeinem Tableau élémen-
taire
die Wirbelthierclaſſen einzeln auf und trennt nur die von ihm
ausdrücklich als weißblütige eingeführten niederen Thiere in die Ab-
theilungen der Mollusken, der Inſecten und Würmer und der Zoophy-
ten, an erſter Stelle die Form und Anweſenheit des Herzens, an zweiter
die des Nervenſyſtems berückſichtigend. Eine indirecte Veranlaſſung
zu einer ſchärferen Hervorhebung des Typiſchen der verſchiedenen
Claſſen gab Lamarck 1797 dadurch, daß er die weißblutigen Thiere
als „Wirbelloſe“ den Thieren mit Wirbeln gegenüberſtellte, welche Aus-
drücke (à vertèbres und sans vertèbres) von ihm herrühren, und daß
er eine Abtheilung als Strahlthiere von den Polypen ſchied. So häufig
auch ſein Name mit der Aufſtellung und Begründung der Typen in
Verbindung gebracht wird, ſo ſind doch die beiden angeführten Momente
die einzigen, auf welche ſich dieſes Verdienſt etwa gründen ließe. In
der im Jahre 1809 erſchienenen zoologiſchen Philoſophie theilt er das
Thierreich in vierzehn Claſſen und ſechs Stufen, welche aber nicht auf

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0623" n="612"/><fw place="top" type="header">Periode der Morphologie.</fw><lb/>
dar&#x017F;tellungen, wenn gleich nicht &#x017F;o pla&#x017F;ti&#x017F;ch ausgeführt, wie in dem<lb/>
freilich bei Weitem nicht &#x017F;o umfa&#x017F;&#x017F;enden Werke von <persName ref="http://d-nb.info/gnd/116021985">Pander</persName> und <persName ref="http://d-nb.info/gnd/119061341">d'Alton</persName>.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">Die Lehre von den thieri&#x017F;chen Typen.</hi> </head><lb/>
          <p>Es muß hier innegehalten werden, um die Entwickelung der auf<lb/>
die weitere Ausbildung der vergleichenden Anatomie zu einer thieri&#x017F;chen<lb/>
Morphologie &#x017F;o we&#x017F;entlich einwirkenden drei Momente zu &#x017F;childern, die<lb/>
der Lehre von den Typen, der Entwickelungsge&#x017F;chichte und der Zellen-<lb/>
theorie. Wie die vergleichende Anatomie ur&#x017F;prünglich davon ausgieng,<lb/>
den Bau des Men&#x017F;chen mit den Thieren der zunäch&#x017F;t auf den Men&#x017F;chen<lb/>
folgenden Abtheilungen zu vergleichen, und dadurch gewi&#x017F;&#x017F;ermaßen an-<lb/>
deutete, was als vergleichbar anzu&#x017F;ehen &#x017F;ei, &#x017F;o hatte doch die <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118573349">Linné</persName>'&#x017F;che<lb/>
Anordnung des Thierreichs die Ari&#x017F;toteli&#x017F;che Eintheilung &#x017F;o weit in den<lb/>
Hintergrund gedrängt, daß man höch&#x017F;tens (nach dem &#x017F;o verbreiteten<lb/>
Misver&#x017F;tändniß) die In&#x017F;ecten und Würmer als weißblütige Thiere zu-<lb/>
&#x017F;ammenfaßte. Es wurde oben hervorgehoben, daß es zuer&#x017F;t <hi rendition="#g"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/115682171">Bat&#x017F;ch</persName></hi><lb/>
war, welcher eine Vereinigung der vier obern Cla&#x017F;&#x017F;en <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118573349">Linné</persName>'s unter dem<lb/>
Namen Knochenthiere vornahm. Die&#x017F;er Schritt fand aber kaum irgend<lb/>
welche Beachtung. <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118677578">Cuvier</persName> zählt noch 1798 in &#x017F;einem <hi rendition="#aq">Tableau élémen-<lb/>
taire</hi> die Wirbelthiercla&#x017F;&#x017F;en einzeln auf und trennt nur die von ihm<lb/>
ausdrücklich als weißblütige eingeführten niederen Thiere in die Ab-<lb/>
theilungen der Mollusken, der In&#x017F;ecten und Würmer und der Zoophy-<lb/>
ten, an er&#x017F;ter Stelle die Form und Anwe&#x017F;enheit des Herzens, an zweiter<lb/>
die des Nerven&#x017F;y&#x017F;tems berück&#x017F;ichtigend. Eine indirecte Veranla&#x017F;&#x017F;ung<lb/>
zu einer &#x017F;chärferen Hervorhebung des Typi&#x017F;chen der ver&#x017F;chiedenen<lb/>
Cla&#x017F;&#x017F;en gab <hi rendition="#g"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/118726048">Lamarck</persName></hi> 1797 dadurch, daß er die weißblutigen Thiere<lb/>
als &#x201E;Wirbello&#x017F;e&#x201C; den Thieren mit Wirbeln gegenüber&#x017F;tellte, welche Aus-<lb/>
drücke (<hi rendition="#aq">à vertèbres</hi> und <hi rendition="#aq">sans vertèbres</hi>) von ihm herrühren, und daß<lb/>
er eine Abtheilung als Strahlthiere von den Polypen &#x017F;chied. So häufig<lb/>
auch &#x017F;ein Name mit der Auf&#x017F;tellung und Begründung der Typen in<lb/>
Verbindung gebracht wird, &#x017F;o &#x017F;ind doch die beiden angeführten Momente<lb/>
die einzigen, auf welche &#x017F;ich die&#x017F;es Verdien&#x017F;t etwa gründen ließe. In<lb/>
der im Jahre 1809 er&#x017F;chienenen zoologi&#x017F;chen Philo&#x017F;ophie theilt er das<lb/>
Thierreich in vierzehn Cla&#x017F;&#x017F;en und &#x017F;echs Stufen, welche aber nicht auf<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[612/0623] Periode der Morphologie. darſtellungen, wenn gleich nicht ſo plaſtiſch ausgeführt, wie in dem freilich bei Weitem nicht ſo umfaſſenden Werke von Pander und d'Alton. Die Lehre von den thieriſchen Typen. Es muß hier innegehalten werden, um die Entwickelung der auf die weitere Ausbildung der vergleichenden Anatomie zu einer thieriſchen Morphologie ſo weſentlich einwirkenden drei Momente zu ſchildern, die der Lehre von den Typen, der Entwickelungsgeſchichte und der Zellen- theorie. Wie die vergleichende Anatomie urſprünglich davon ausgieng, den Bau des Menſchen mit den Thieren der zunächſt auf den Menſchen folgenden Abtheilungen zu vergleichen, und dadurch gewiſſermaßen an- deutete, was als vergleichbar anzuſehen ſei, ſo hatte doch die Linné'ſche Anordnung des Thierreichs die Ariſtoteliſche Eintheilung ſo weit in den Hintergrund gedrängt, daß man höchſtens (nach dem ſo verbreiteten Misverſtändniß) die Inſecten und Würmer als weißblütige Thiere zu- ſammenfaßte. Es wurde oben hervorgehoben, daß es zuerſt Batſch war, welcher eine Vereinigung der vier obern Claſſen Linné's unter dem Namen Knochenthiere vornahm. Dieſer Schritt fand aber kaum irgend welche Beachtung. Cuvier zählt noch 1798 in ſeinem Tableau élémen- taire die Wirbelthierclaſſen einzeln auf und trennt nur die von ihm ausdrücklich als weißblütige eingeführten niederen Thiere in die Ab- theilungen der Mollusken, der Inſecten und Würmer und der Zoophy- ten, an erſter Stelle die Form und Anweſenheit des Herzens, an zweiter die des Nervenſyſtems berückſichtigend. Eine indirecte Veranlaſſung zu einer ſchärferen Hervorhebung des Typiſchen der verſchiedenen Claſſen gab Lamarck 1797 dadurch, daß er die weißblutigen Thiere als „Wirbelloſe“ den Thieren mit Wirbeln gegenüberſtellte, welche Aus- drücke (à vertèbres und sans vertèbres) von ihm herrühren, und daß er eine Abtheilung als Strahlthiere von den Polypen ſchied. So häufig auch ſein Name mit der Aufſtellung und Begründung der Typen in Verbindung gebracht wird, ſo ſind doch die beiden angeführten Momente die einzigen, auf welche ſich dieſes Verdienſt etwa gründen ließe. In der im Jahre 1809 erſchienenen zoologiſchen Philoſophie theilt er das Thierreich in vierzehn Claſſen und ſechs Stufen, welche aber nicht auf

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/carus_zoologie_1872
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/carus_zoologie_1872/623
Zitationshilfe: Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872, S. 612. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_zoologie_1872/623>, abgerufen am 25.04.2024.