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Chamberlain, Houston Stewart: Die Grundlagen des Neunzehnten Jahrhunderts. Bd. 1. München 1899.

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Allgemeine Einleitung.
von nun ab das -- hin und wieder an Bein- und Armbrüchen
leidende, jedoch feste -- Skelett ab, haben aber an der all-
mählichen Entstehung einer neuen Welt verhältnismässig wenig An-
teil; fortan folgen sie mehr als dass sie führen. Dagegen entsteht
in allen Ländern Europas auf den verschiedensten Gebieten freier
menschlicher Thätigkeit von etwa dem Jahre 1200 an eine wirklich
neuschöpferische Bewegung. Das kirchliche Schisma und die Auf-
lehnung gegen staatliche Verordnungen sind eigentlich mehr nur die
mechanische Seite dieser Bewegung, sie entspringen aus dem Lebens-
bedürfnis der neu sich regenden Kräfte, sich Raum zu schaffen; das
eigentlich Schöpferische ist an anderen Orten zu suchen. Wo, habe
ich schon oben angedeutet, als ich meine Wahl des Jahres 1200 als
Grenzpfahl zu rechtfertigen suchte: das Aufblühen von Technik und
Industrie, die Begründung des Grosshandels auf der echt germanischen
Grundlage makelloser Ehrenhaftigkeit, das Emporkommen emsiger
Städte, die Entdeckung der Erde (wie wir kühn sagen dürfen), die
schüchtern beginnende, bald aber ihren Horizont über den gesamten
Kosmos ausdehnende Naturforschung, der Gang in die tiefsten Tiefen
des menschlichen Denkens, von Roger Bacon bis Kant, das Himmel-
wärtsstreben des Geistes, von Dante bis Beethoven: das alles ist es,
worin wir eine neue Welt im Entstehen erkennen dürfen.

Der
zweite Band.

Mit dieser Betrachtung des allmählichen Entstehens einer neuen
Welt, etwa vom Jahre 1200 bis zum Jahre 1800, schliesst der erste
Band. Der ausführliche Entwurf zum zweiten liegt vor mir. In ihm
weiche ich jeder künstlichen Schematisierung, auch jedem Versuch, in
tendenziöser Weise an den vorangehenden Teil anzuknüpfen, sorgfältig
aus. Es genügt nämlich zunächst vollkommen, dass die erläuternde
Untersuchung der ersten achtzehnhundert Jahre vorausgeschickt wurde;
ohne dass häufig ausdrücklich darauf zurückzukommen wäre, wird sie
sich als unerlässliche Einführung bewähren; die vergleichende Wert-
schätzung und Parallelisierung folgt dann im Anhang. Hier begnüge
ich mich also damit, die verschiedenen wichtigsten Erscheinungen des
Jahrhunderts nacheinander zu betrachten: die Hauptzüge der politischen,
religiösen und sozialen Gestaltung, den Entwicklungsgang der Technik,
der Industrie und des Handels, die Fortschritte der Naturwissenschaft
und der Humanitäten, zuletzt die Geschichte des menschlichen Geistes
in seinem Denken und Schaffen, indem überall natürlich nur die Haupt-
strömungen hervorgehoben und einzig die Gipfelpunkte berührt werden.

Allgemeine Einleitung.
von nun ab das — hin und wieder an Bein- und Armbrüchen
leidende, jedoch feste — Skelett ab, haben aber an der all-
mählichen Entstehung einer neuen Welt verhältnismässig wenig An-
teil; fortan folgen sie mehr als dass sie führen. Dagegen entsteht
in allen Ländern Europas auf den verschiedensten Gebieten freier
menschlicher Thätigkeit von etwa dem Jahre 1200 an eine wirklich
neuschöpferische Bewegung. Das kirchliche Schisma und die Auf-
lehnung gegen staatliche Verordnungen sind eigentlich mehr nur die
mechanische Seite dieser Bewegung, sie entspringen aus dem Lebens-
bedürfnis der neu sich regenden Kräfte, sich Raum zu schaffen; das
eigentlich Schöpferische ist an anderen Orten zu suchen. Wo, habe
ich schon oben angedeutet, als ich meine Wahl des Jahres 1200 als
Grenzpfahl zu rechtfertigen suchte: das Aufblühen von Technik und
Industrie, die Begründung des Grosshandels auf der echt germanischen
Grundlage makelloser Ehrenhaftigkeit, das Emporkommen emsiger
Städte, die Entdeckung der Erde (wie wir kühn sagen dürfen), die
schüchtern beginnende, bald aber ihren Horizont über den gesamten
Kosmos ausdehnende Naturforschung, der Gang in die tiefsten Tiefen
des menschlichen Denkens, von Roger Bacon bis Kant, das Himmel-
wärtsstreben des Geistes, von Dante bis Beethoven: das alles ist es,
worin wir eine neue Welt im Entstehen erkennen dürfen.

Der
zweite Band.

Mit dieser Betrachtung des allmählichen Entstehens einer neuen
Welt, etwa vom Jahre 1200 bis zum Jahre 1800, schliesst der erste
Band. Der ausführliche Entwurf zum zweiten liegt vor mir. In ihm
weiche ich jeder künstlichen Schematisierung, auch jedem Versuch, in
tendenziöser Weise an den vorangehenden Teil anzuknüpfen, sorgfältig
aus. Es genügt nämlich zunächst vollkommen, dass die erläuternde
Untersuchung der ersten achtzehnhundert Jahre vorausgeschickt wurde;
ohne dass häufig ausdrücklich darauf zurückzukommen wäre, wird sie
sich als unerlässliche Einführung bewähren; die vergleichende Wert-
schätzung und Parallelisierung folgt dann im Anhang. Hier begnüge
ich mich also damit, die verschiedenen wichtigsten Erscheinungen des
Jahrhunderts nacheinander zu betrachten: die Hauptzüge der politischen,
religiösen und sozialen Gestaltung, den Entwicklungsgang der Technik,
der Industrie und des Handels, die Fortschritte der Naturwissenschaft
und der Humanitäten, zuletzt die Geschichte des menschlichen Geistes
in seinem Denken und Schaffen, indem überall natürlich nur die Haupt-
strömungen hervorgehoben und einzig die Gipfelpunkte berührt werden.

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[20/0043] Allgemeine Einleitung. von nun ab das — hin und wieder an Bein- und Armbrüchen leidende, jedoch feste — Skelett ab, haben aber an der all- mählichen Entstehung einer neuen Welt verhältnismässig wenig An- teil; fortan folgen sie mehr als dass sie führen. Dagegen entsteht in allen Ländern Europas auf den verschiedensten Gebieten freier menschlicher Thätigkeit von etwa dem Jahre 1200 an eine wirklich neuschöpferische Bewegung. Das kirchliche Schisma und die Auf- lehnung gegen staatliche Verordnungen sind eigentlich mehr nur die mechanische Seite dieser Bewegung, sie entspringen aus dem Lebens- bedürfnis der neu sich regenden Kräfte, sich Raum zu schaffen; das eigentlich Schöpferische ist an anderen Orten zu suchen. Wo, habe ich schon oben angedeutet, als ich meine Wahl des Jahres 1200 als Grenzpfahl zu rechtfertigen suchte: das Aufblühen von Technik und Industrie, die Begründung des Grosshandels auf der echt germanischen Grundlage makelloser Ehrenhaftigkeit, das Emporkommen emsiger Städte, die Entdeckung der Erde (wie wir kühn sagen dürfen), die schüchtern beginnende, bald aber ihren Horizont über den gesamten Kosmos ausdehnende Naturforschung, der Gang in die tiefsten Tiefen des menschlichen Denkens, von Roger Bacon bis Kant, das Himmel- wärtsstreben des Geistes, von Dante bis Beethoven: das alles ist es, worin wir eine neue Welt im Entstehen erkennen dürfen. Mit dieser Betrachtung des allmählichen Entstehens einer neuen Welt, etwa vom Jahre 1200 bis zum Jahre 1800, schliesst der erste Band. Der ausführliche Entwurf zum zweiten liegt vor mir. In ihm weiche ich jeder künstlichen Schematisierung, auch jedem Versuch, in tendenziöser Weise an den vorangehenden Teil anzuknüpfen, sorgfältig aus. Es genügt nämlich zunächst vollkommen, dass die erläuternde Untersuchung der ersten achtzehnhundert Jahre vorausgeschickt wurde; ohne dass häufig ausdrücklich darauf zurückzukommen wäre, wird sie sich als unerlässliche Einführung bewähren; die vergleichende Wert- schätzung und Parallelisierung folgt dann im Anhang. Hier begnüge ich mich also damit, die verschiedenen wichtigsten Erscheinungen des Jahrhunderts nacheinander zu betrachten: die Hauptzüge der politischen, religiösen und sozialen Gestaltung, den Entwicklungsgang der Technik, der Industrie und des Handels, die Fortschritte der Naturwissenschaft und der Humanitäten, zuletzt die Geschichte des menschlichen Geistes in seinem Denken und Schaffen, indem überall natürlich nur die Haupt- strömungen hervorgehoben und einzig die Gipfelpunkte berührt werden.

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Zitationshilfe: Chamberlain, Houston Stewart: Die Grundlagen des Neunzehnten Jahrhunderts. Bd. 1. München 1899, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chamberlain_grundlagen01_1899/43>, abgerufen am 24.04.2024.