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Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl's wundersame Geschichte. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 17. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–98. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Wendepunkte meines Lebens. Er brachte mich in enge Verbrüderung mit herrlichen Jünglingen, die zu ausgezeichneten Männern heranwuchsen". Unter diesen Jünglingen und Männern, die zum Symbol ihres Bundes den Nordstern ("To rov nolov aggov") erwählten, sind neben Varnhagen zu nennen: W. Neumann, Fouque, Franz Theremin, vor Allen aber Julius Eduard Hitzig, "Vater Ede", auch "der treue Eckard der Literatur" genannt, der bis zum Tode sein innigster Freund geblieben; vom nachwachsenden Geschlechte schlossen sich später vorzüglich Franz Kugler, Adolf Schöll und Franz von Gaudy an ihn an. Aber trotz der beglückenden Freundschaften hatte Chamisso's Jugend etwas düster Heimathloses, da ihn das Schicksal zwischen seinem Geburtslande Frankreich und seinem Adoptivvaterlande Deutschland längere Zeit in der Schwebe erhielt. Aus der schmählichen Uebergabe von Hameln als preußischer Subalternoffizier ehrenvoll hervorgegangen, wollte er es vermeiden, künftig wieder einmal gegen seine Landsleute dienen zu müssen, und trat aus dem Militär. Als dann im Jahre 1813 der Sturm wieder losbrach, lebte er in ländlicher Verborgenheit seiner Lieblingswissenschaft, der Botanik, und schrieb dabei den Schlemihl, um die Kinder seines Freundes Hitzig zu ergötzen. Seine wachsende Unzufriedenheit jedoch, in Verbindung mit der politischen Lage der Dinge, veranlaßte den Freund, ihn auf einige Jahre aus Europa zu entfernen, und es gelang, ihn, der in Berlin eifrig Medicin und Naturwissenschaften studirt hatte, (just zur Zeit der Rückkehr Napoleon's von Elba) an Bord des Rurik als Naturforscher der Romanzoff'schen Weltumseglungsreise zu bringen. Wir übergehen die unwürdige Behandlung, die ihm von dem Chef dieser Expedition, O. von Kotzebue, sowohl während der Fahrt persönlich als nachher durch Unterdrückung seiner besten Arbeiten widerfuhr. Nach drei Jahren kehrte er zurück und fand nun in Berlin eine feste Lebensstellung als Inspector der königlichen Herbarien im Schoße häuslichen Glücks. Er starb den 21. August 1838. Wie er in diesem letzten schönen Drittel seines Lebens neben der Pflege seiner Wissenschaft, die ihm von der K. Akademie die Ehre der Mitgliedschaft eintrug, sich zum deutschen Na-

Wendepunkte meines Lebens. Er brachte mich in enge Verbrüderung mit herrlichen Jünglingen, die zu ausgezeichneten Männern heranwuchsen“. Unter diesen Jünglingen und Männern, die zum Symbol ihres Bundes den Nordstern („To rov nolov aggov“) erwählten, sind neben Varnhagen zu nennen: W. Neumann, Fouqué, Franz Theremin, vor Allen aber Julius Eduard Hitzig, „Vater Ede“, auch „der treue Eckard der Literatur“ genannt, der bis zum Tode sein innigster Freund geblieben; vom nachwachsenden Geschlechte schlossen sich später vorzüglich Franz Kugler, Adolf Schöll und Franz von Gaudy an ihn an. Aber trotz der beglückenden Freundschaften hatte Chamisso's Jugend etwas düster Heimathloses, da ihn das Schicksal zwischen seinem Geburtslande Frankreich und seinem Adoptivvaterlande Deutschland längere Zeit in der Schwebe erhielt. Aus der schmählichen Uebergabe von Hameln als preußischer Subalternoffizier ehrenvoll hervorgegangen, wollte er es vermeiden, künftig wieder einmal gegen seine Landsleute dienen zu müssen, und trat aus dem Militär. Als dann im Jahre 1813 der Sturm wieder losbrach, lebte er in ländlicher Verborgenheit seiner Lieblingswissenschaft, der Botanik, und schrieb dabei den Schlemihl, um die Kinder seines Freundes Hitzig zu ergötzen. Seine wachsende Unzufriedenheit jedoch, in Verbindung mit der politischen Lage der Dinge, veranlaßte den Freund, ihn auf einige Jahre aus Europa zu entfernen, und es gelang, ihn, der in Berlin eifrig Medicin und Naturwissenschaften studirt hatte, (just zur Zeit der Rückkehr Napoleon's von Elba) an Bord des Rurik als Naturforscher der Romanzoff'schen Weltumseglungsreise zu bringen. Wir übergehen die unwürdige Behandlung, die ihm von dem Chef dieser Expedition, O. von Kotzebue, sowohl während der Fahrt persönlich als nachher durch Unterdrückung seiner besten Arbeiten widerfuhr. Nach drei Jahren kehrte er zurück und fand nun in Berlin eine feste Lebensstellung als Inspector der königlichen Herbarien im Schoße häuslichen Glücks. Er starb den 21. August 1838. Wie er in diesem letzten schönen Drittel seines Lebens neben der Pflege seiner Wissenschaft, die ihm von der K. Akademie die Ehre der Mitgliedschaft eintrug, sich zum deutschen Na-

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[0006] Wendepunkte meines Lebens. Er brachte mich in enge Verbrüderung mit herrlichen Jünglingen, die zu ausgezeichneten Männern heranwuchsen“. Unter diesen Jünglingen und Männern, die zum Symbol ihres Bundes den Nordstern („To rov nolov aggov“) erwählten, sind neben Varnhagen zu nennen: W. Neumann, Fouqué, Franz Theremin, vor Allen aber Julius Eduard Hitzig, „Vater Ede“, auch „der treue Eckard der Literatur“ genannt, der bis zum Tode sein innigster Freund geblieben; vom nachwachsenden Geschlechte schlossen sich später vorzüglich Franz Kugler, Adolf Schöll und Franz von Gaudy an ihn an. Aber trotz der beglückenden Freundschaften hatte Chamisso's Jugend etwas düster Heimathloses, da ihn das Schicksal zwischen seinem Geburtslande Frankreich und seinem Adoptivvaterlande Deutschland längere Zeit in der Schwebe erhielt. Aus der schmählichen Uebergabe von Hameln als preußischer Subalternoffizier ehrenvoll hervorgegangen, wollte er es vermeiden, künftig wieder einmal gegen seine Landsleute dienen zu müssen, und trat aus dem Militär. Als dann im Jahre 1813 der Sturm wieder losbrach, lebte er in ländlicher Verborgenheit seiner Lieblingswissenschaft, der Botanik, und schrieb dabei den Schlemihl, um die Kinder seines Freundes Hitzig zu ergötzen. Seine wachsende Unzufriedenheit jedoch, in Verbindung mit der politischen Lage der Dinge, veranlaßte den Freund, ihn auf einige Jahre aus Europa zu entfernen, und es gelang, ihn, der in Berlin eifrig Medicin und Naturwissenschaften studirt hatte, (just zur Zeit der Rückkehr Napoleon's von Elba) an Bord des Rurik als Naturforscher der Romanzoff'schen Weltumseglungsreise zu bringen. Wir übergehen die unwürdige Behandlung, die ihm von dem Chef dieser Expedition, O. von Kotzebue, sowohl während der Fahrt persönlich als nachher durch Unterdrückung seiner besten Arbeiten widerfuhr. Nach drei Jahren kehrte er zurück und fand nun in Berlin eine feste Lebensstellung als Inspector der königlichen Herbarien im Schoße häuslichen Glücks. Er starb den 21. August 1838. Wie er in diesem letzten schönen Drittel seines Lebens neben der Pflege seiner Wissenschaft, die ihm von der K. Akademie die Ehre der Mitgliedschaft eintrug, sich zum deutschen Na-

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-14T13:49:40Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-14T13:49:40Z)

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Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




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Zitationshilfe: Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl's wundersame Geschichte. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 17. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–98. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chamisso_schlemihl_1910/6>, abgerufen am 19.04.2024.