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Chladni, Johann Martin: Allgemeine Geschichtswissenschaft. Leipzig, 1752.

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Drittes Capitel,
habe, und noch eher, wiewohl es auch öffters
genug nicht bemerckt wird, angemercket werden,
oder nach einiger Zeit doch eher aufzusuchen sey.
So kan man z. E. lesen, wie die Academie des
Inscriptions et belles lettres
entstanden ist, in
den I. Tome der Memoires. Den ersten Buch-
drucker aber weiß man wohl nicht so genau.

§. 10.
Warum sich die moralischen Wesen in
kurtzen ändern?

Sodann erkennet man aus dem (§. 8.) an-
gemerckten Umständen, warum die moralischen
Dinge mit der Zeit gemeiniglich eine gantz an-
dere Gestalt
gewinnen, als sie im Anfange ha-
ben. Denn sobald viele Menschen sich an eine
Sache machen: so mengen sich ihre Personell Um-
stände mit darein, und die Nachfolger sehen eine
Sache allemahl gantz anders an, als die Erfinder.

§. 11.
Wie eine moralische Sache sichtbar wird.

Die zweyte Begebenheit eines moralischen
Dinges ist, daß es sichtbar wird. Um hier
ein bequemes Merckmal zu haben, wollen wir fol-
gendes davor annehmen: Wenn man aus den
Anstalten absehen kan, daß es eine Sache sey,
die nicht von der Menschen, die es treiben, ihrem
Leben abhangen soll. So ist anfangs ein Werck
vor eintzelne Personen, daß sie in einem Flusse
Lachs fangen: es entstehet aber ein Lachsfang,
wenn man ein Wehr bauet, um ihren Zurück-
gang zu verhindern; denn da siehet man gleich,

daß

Drittes Capitel,
habe, und noch eher, wiewohl es auch oͤffters
genug nicht bemerckt wird, angemercket werden,
oder nach einiger Zeit doch eher aufzuſuchen ſey.
So kan man z. E. leſen, wie die Academie des
Inſcriptions et belles lettres
entſtanden iſt, in
den I. Tome der Memoires. Den erſten Buch-
drucker aber weiß man wohl nicht ſo genau.

§. 10.
Warum ſich die moraliſchen Weſen in
kurtzen aͤndern?

Sodann erkennet man aus dem (§. 8.) an-
gemerckten Umſtaͤnden, warum die moraliſchen
Dinge mit der Zeit gemeiniglich eine gantz an-
dere Geſtalt
gewinnen, als ſie im Anfange ha-
ben. Denn ſobald viele Menſchen ſich an eine
Sache machen: ſo mengen ſich ihre Perſonell Um-
ſtaͤnde mit darein, und die Nachfolger ſehen eine
Sache allemahl gantz anders an, als die Erfinder.

§. 11.
Wie eine moraliſche Sache ſichtbar wird.

Die zweyte Begebenheit eines moraliſchen
Dinges iſt, daß es ſichtbar wird. Um hier
ein bequemes Merckmal zu haben, wollen wir fol-
gendes davor annehmen: Wenn man aus den
Anſtalten abſehen kan, daß es eine Sache ſey,
die nicht von der Menſchen, die es treiben, ihrem
Leben abhangen ſoll. So iſt anfangs ein Werck
vor eintzelne Perſonen, daß ſie in einem Fluſſe
Lachs fangen: es entſtehet aber ein Lachsfang,
wenn man ein Wehr bauet, um ihren Zuruͤck-
gang zu verhindern; denn da ſiehet man gleich,

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[66/0102] Drittes Capitel, habe, und noch eher, wiewohl es auch oͤffters genug nicht bemerckt wird, angemercket werden, oder nach einiger Zeit doch eher aufzuſuchen ſey. So kan man z. E. leſen, wie die Academie des Inſcriptions et belles lettres entſtanden iſt, in den I. Tome der Memoires. Den erſten Buch- drucker aber weiß man wohl nicht ſo genau. §. 10. Warum ſich die moraliſchen Weſen in kurtzen aͤndern? Sodann erkennet man aus dem (§. 8.) an- gemerckten Umſtaͤnden, warum die moraliſchen Dinge mit der Zeit gemeiniglich eine gantz an- dere Geſtalt gewinnen, als ſie im Anfange ha- ben. Denn ſobald viele Menſchen ſich an eine Sache machen: ſo mengen ſich ihre Perſonell Um- ſtaͤnde mit darein, und die Nachfolger ſehen eine Sache allemahl gantz anders an, als die Erfinder. §. 11. Wie eine moraliſche Sache ſichtbar wird. Die zweyte Begebenheit eines moraliſchen Dinges iſt, daß es ſichtbar wird. Um hier ein bequemes Merckmal zu haben, wollen wir fol- gendes davor annehmen: Wenn man aus den Anſtalten abſehen kan, daß es eine Sache ſey, die nicht von der Menſchen, die es treiben, ihrem Leben abhangen ſoll. So iſt anfangs ein Werck vor eintzelne Perſonen, daß ſie in einem Fluſſe Lachs fangen: es entſtehet aber ein Lachsfang, wenn man ein Wehr bauet, um ihren Zuruͤck- gang zu verhindern; denn da ſiehet man gleich, daß

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Zitationshilfe: Chladni, Johann Martin: Allgemeine Geschichtswissenschaft. Leipzig, 1752. , S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_geschichtswissenschaft_1752/102>, abgerufen am 29.03.2024.