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Chladni, Johann Martin: Allgemeine Geschichtswissenschaft. Leipzig, 1752.

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v. d. Begebenheiten der Menschen etc.
wesentlichen Theile, als Begebenheiten einer eini-
gen Sachen angesehen werden: wie sie denn auch
so genau an einander hangen, daß es nicht mög-
lich ist, nur eine Begebenheit des Leibes anzuge-
ben, daran die Seele nicht Antheil nähme; und
so auch mit den Veränderungen der Seele. Doch
äussern sich diese Begebenheiten bald hauptsäch-
lich in der Seele, bald hauptsächlich im Leibe.
Denn so kommen in Ansehung des Verstandes,
Erkentniß und Unwissenheit, Jrrthum und Wahr-
heit; in Ansehung des Willens, Tugend und
Laster, Affecten und Entschlüssungen vor; in An-
sehung des Leibes aber Kranckheit und Gesund-
heit. Dieses alles sind Veränderungen der gan-
tzen Person, die wir aber hauptsächlich nur auf
der einen Seite erkennen. Ein Scholastischer
Philosoph würde den Leib oder die Seele das sub-
jectum quo
solcher Begebenheiten nennen.

§. 2.
Die ersten Begebenheiten des Menschen.

Die Geburt ist die erste augenscheinliche Be-
gebenheit der Menschen. Die Erzeugung aber
gehört zu den verborgenen oder geheimen (§. 18.
C. 3.) Begebenheiten der Eltern; wodurch der
Anfang von dem Daseyn eines andern Menschen
gemacht wird. Der Vater aber ist vor gesitte-
te Völcker ein Hautptumstand, den die Menschen
von ihren und anderer ihrem Ursprunge zu wissen
hauptsächlich nöthig haben.

§. 3.

v. d. Begebenheiten der Menſchen ꝛc.
weſentlichen Theile, als Begebenheiten einer eini-
gen Sachen angeſehen werden: wie ſie denn auch
ſo genau an einander hangen, daß es nicht moͤg-
lich iſt, nur eine Begebenheit des Leibes anzuge-
ben, daran die Seele nicht Antheil naͤhme; und
ſo auch mit den Veraͤnderungen der Seele. Doch
aͤuſſern ſich dieſe Begebenheiten bald hauptſaͤch-
lich in der Seele, bald hauptſaͤchlich im Leibe.
Denn ſo kommen in Anſehung des Verſtandes,
Erkentniß und Unwiſſenheit, Jrrthum und Wahr-
heit; in Anſehung des Willens, Tugend und
Laſter, Affecten und Entſchluͤſſungen vor; in An-
ſehung des Leibes aber Kranckheit und Geſund-
heit. Dieſes alles ſind Veraͤnderungen der gan-
tzen Perſon, die wir aber hauptſaͤchlich nur auf
der einen Seite erkennen. Ein Scholaſtiſcher
Philoſoph wuͤrde den Leib oder die Seele das ſub-
jectum quo
ſolcher Begebenheiten nennen.

§. 2.
Die erſten Begebenheiten des Menſchen.

Die Geburt iſt die erſte augenſcheinliche Be-
gebenheit der Menſchen. Die Erzeugung aber
gehoͤrt zu den verborgenen oder geheimen (§. 18.
C. 3.) Begebenheiten der Eltern; wodurch der
Anfang von dem Daſeyn eines andern Menſchen
gemacht wird. Der Vater aber iſt vor geſitte-
te Voͤlcker ein Hautptumſtand, den die Menſchen
von ihren und anderer ihrem Urſprunge zu wiſſen
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[77/0113] v. d. Begebenheiten der Menſchen ꝛc. weſentlichen Theile, als Begebenheiten einer eini- gen Sachen angeſehen werden: wie ſie denn auch ſo genau an einander hangen, daß es nicht moͤg- lich iſt, nur eine Begebenheit des Leibes anzuge- ben, daran die Seele nicht Antheil naͤhme; und ſo auch mit den Veraͤnderungen der Seele. Doch aͤuſſern ſich dieſe Begebenheiten bald hauptſaͤch- lich in der Seele, bald hauptſaͤchlich im Leibe. Denn ſo kommen in Anſehung des Verſtandes, Erkentniß und Unwiſſenheit, Jrrthum und Wahr- heit; in Anſehung des Willens, Tugend und Laſter, Affecten und Entſchluͤſſungen vor; in An- ſehung des Leibes aber Kranckheit und Geſund- heit. Dieſes alles ſind Veraͤnderungen der gan- tzen Perſon, die wir aber hauptſaͤchlich nur auf der einen Seite erkennen. Ein Scholaſtiſcher Philoſoph wuͤrde den Leib oder die Seele das ſub- jectum quo ſolcher Begebenheiten nennen. §. 2. Die erſten Begebenheiten des Menſchen. Die Geburt iſt die erſte augenſcheinliche Be- gebenheit der Menſchen. Die Erzeugung aber gehoͤrt zu den verborgenen oder geheimen (§. 18. C. 3.) Begebenheiten der Eltern; wodurch der Anfang von dem Daſeyn eines andern Menſchen gemacht wird. Der Vater aber iſt vor geſitte- te Voͤlcker ein Hautptumſtand, den die Menſchen von ihren und anderer ihrem Urſprunge zu wiſſen hauptſaͤchlich noͤthig haben. §. 3.

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Zitationshilfe: Chladni, Johann Martin: Allgemeine Geschichtswissenschaft. Leipzig, 1752. , S. 77. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_geschichtswissenschaft_1752/113>, abgerufen am 24.04.2024.