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Chladni, Johann Martin: Allgemeine Geschichtswissenschaft. Leipzig, 1752.

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vom Zuschauer und Sehepunckte.
hie und da denselben selbst in der Metaphysick und
Psychologie gebraucht hat. Jn der historischen
Erkentniß aber kommt fast alles darauf an.

§. 13.
Bey moralischen Dingen kommen die Seiten
lediglich vom Zuschauer her.

Wenn man den Cörpern Seiten beylegt, so
findet man manchmahl den Grund in der innerli-
chen Beschaffenheit derselben, öffters aber auch
in dem Zustande des Zuschauers (§. 16. 31. C. 2.),
wenn man aber dem moralischen Wesen Seiten
beylegt, so bestehet es darinnen, daß man gewis-
se Umstände und Theile zusammen nimmt, und
sie sich auf einmahl, oder unmittelbar auf einan-
der vorstellet (§. 19. C. 3.). Davon kan nun
nicht der Grund in der Sache selber liegen, son-
dern er muß in dem Zuschauer zu suchen seyn, der
vermöge seiner besondern Umstände und Gedenck-
art, solche Determinationen vor andern bemerckt
und zusammen nimmt. Wenn also dem morali-
schen Wesen, mithin auch den Geschäfften, Hän-
deln und Thaten Seiten beygelegt werden, so
kan dieses ohne Voraussetzung eines Zuschauers
nicht gedacht werden. Es handelt z. E. jemand
von den Jlluminationen der Alten, wie Mahudel
gethan, so bringt und trägt er aus dem weitläuff-
tigen Felde der Alterthümer alles das zusammen,
was zu den unnöthigen Gebrauch des Feuers an-
getroffen wird. Jn dem Autor liegt hier offen-
bar der Grund, warum ihm die Alterthümer eben
auf diese Weise, und nicht auf eine andere, vor-

ge-
G 3

vom Zuſchauer und Sehepunckte.
hie und da denſelben ſelbſt in der Metaphyſick und
Pſychologie gebraucht hat. Jn der hiſtoriſchen
Erkentniß aber kommt faſt alles darauf an.

§. 13.
Bey moraliſchen Dingen kommen die Seiten
lediglich vom Zuſchauer her.

Wenn man den Coͤrpern Seiten beylegt, ſo
findet man manchmahl den Grund in der innerli-
chen Beſchaffenheit derſelben, oͤffters aber auch
in dem Zuſtande des Zuſchauers (§. 16. 31. C. 2.),
wenn man aber dem moraliſchen Weſen Seiten
beylegt, ſo beſtehet es darinnen, daß man gewiſ-
ſe Umſtaͤnde und Theile zuſammen nimmt, und
ſie ſich auf einmahl, oder unmittelbar auf einan-
der vorſtellet (§. 19. C. 3.). Davon kan nun
nicht der Grund in der Sache ſelber liegen, ſon-
dern er muß in dem Zuſchauer zu ſuchen ſeyn, der
vermoͤge ſeiner beſondern Umſtaͤnde und Gedenck-
art, ſolche Determinationen vor andern bemerckt
und zuſammen nimmt. Wenn alſo dem morali-
ſchen Weſen, mithin auch den Geſchaͤfften, Haͤn-
deln und Thaten Seiten beygelegt werden, ſo
kan dieſes ohne Vorausſetzung eines Zuſchauers
nicht gedacht werden. Es handelt z. E. jemand
von den Jlluminationen der Alten, wie Mahudel
gethan, ſo bringt und traͤgt er aus dem weitlaͤuff-
tigen Felde der Alterthuͤmer alles das zuſammen,
was zu den unnoͤthigen Gebrauch des Feuers an-
getroffen wird. Jn dem Autor liegt hier offen-
bar der Grund, warum ihm die Alterthuͤmer eben
auf dieſe Weiſe, und nicht auf eine andere, vor-

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[101/0137] vom Zuſchauer und Sehepunckte. hie und da denſelben ſelbſt in der Metaphyſick und Pſychologie gebraucht hat. Jn der hiſtoriſchen Erkentniß aber kommt faſt alles darauf an. §. 13. Bey moraliſchen Dingen kommen die Seiten lediglich vom Zuſchauer her. Wenn man den Coͤrpern Seiten beylegt, ſo findet man manchmahl den Grund in der innerli- chen Beſchaffenheit derſelben, oͤffters aber auch in dem Zuſtande des Zuſchauers (§. 16. 31. C. 2.), wenn man aber dem moraliſchen Weſen Seiten beylegt, ſo beſtehet es darinnen, daß man gewiſ- ſe Umſtaͤnde und Theile zuſammen nimmt, und ſie ſich auf einmahl, oder unmittelbar auf einan- der vorſtellet (§. 19. C. 3.). Davon kan nun nicht der Grund in der Sache ſelber liegen, ſon- dern er muß in dem Zuſchauer zu ſuchen ſeyn, der vermoͤge ſeiner beſondern Umſtaͤnde und Gedenck- art, ſolche Determinationen vor andern bemerckt und zuſammen nimmt. Wenn alſo dem morali- ſchen Weſen, mithin auch den Geſchaͤfften, Haͤn- deln und Thaten Seiten beygelegt werden, ſo kan dieſes ohne Vorausſetzung eines Zuſchauers nicht gedacht werden. Es handelt z. E. jemand von den Jlluminationen der Alten, wie Mahudel gethan, ſo bringt und traͤgt er aus dem weitlaͤuff- tigen Felde der Alterthuͤmer alles das zuſammen, was zu den unnoͤthigen Gebrauch des Feuers an- getroffen wird. Jn dem Autor liegt hier offen- bar der Grund, warum ihm die Alterthuͤmer eben auf dieſe Weiſe, und nicht auf eine andere, vor- ge- G 3

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Zitationshilfe: Chladni, Johann Martin: Allgemeine Geschichtswissenschaft. Leipzig, 1752. , S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_geschichtswissenschaft_1752/137>, abgerufen am 29.03.2024.