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Chladni, Johann Martin: Allgemeine Geschichtswissenschaft. Leipzig, 1752.

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Sechstes Capitel,
ein eintzelner Mensch einen Zuschauer abgegeben,
noch leichter in eine solche Kürtze zusammen zu
fassen.

§. 11.
Das Hauptwerck aus einer Geschichte her-
aus nehmen.

Wenn eine Geschichte in einen einigen Satz
verwandelt wird, so heisset dieser Satz und was
darinnen angegeben wird: das Hauptwerck,
der Hauptpunckt, die Substantz der Histo-
rie.
Es ist also eine bey der Erzehlung merck-
würdige Veränderung der Geschichte, daß man
das Hauptwerck heraus nimmt (§. 10.). Die-
ses ist gemeiniglich das, was auch diejenigen, die
am wenigsten von der Sache wissen, dennoch wis-
sen und in Erfahrung bringen, da hingegen die
Zuschauer in Ansehung der Umstände und Par-
ticularitäten
verschiedene Nachrichten zu haben
pflegen. Der Ursprung dieses Begriffes aber
giebt zu erkennen, daß das Hauptwerck doch
nicht lediglich von der innerlichen Beschaffenheit
der Sache, sondern hauptsächlich mit vom Zu-
schauer abstamme, der nach seiner Einsicht das-
jenige, was er an der Geschichte wahrgenommen,
in einen einigen Satz zusammen ziehet.

§. 12.
Urbild und Erzeugung der Erzehlung.

Alle Vorstellungen der Dinge werden Bilder
genennet; zumahl wenn es Dinge sind, die sich
durch die Augen erkennen lassen. Nunmehro se-
hen wir also, wie das Bild der Geschichte,

welches

Sechſtes Capitel,
ein eintzelner Menſch einen Zuſchauer abgegeben,
noch leichter in eine ſolche Kuͤrtze zuſammen zu
faſſen.

§. 11.
Das Hauptwerck aus einer Geſchichte her-
aus nehmen.

Wenn eine Geſchichte in einen einigen Satz
verwandelt wird, ſo heiſſet dieſer Satz und was
darinnen angegeben wird: das Hauptwerck,
der Hauptpunckt, die Subſtantz der Hiſto-
rie.
Es iſt alſo eine bey der Erzehlung merck-
wuͤrdige Veraͤnderung der Geſchichte, daß man
das Hauptwerck heraus nimmt (§. 10.). Die-
ſes iſt gemeiniglich das, was auch diejenigen, die
am wenigſten von der Sache wiſſen, dennoch wiſ-
ſen und in Erfahrung bringen, da hingegen die
Zuſchauer in Anſehung der Umſtaͤnde und Par-
ticularitaͤten
verſchiedene Nachrichten zu haben
pflegen. Der Urſprung dieſes Begriffes aber
giebt zu erkennen, daß das Hauptwerck doch
nicht lediglich von der innerlichen Beſchaffenheit
der Sache, ſondern hauptſaͤchlich mit vom Zu-
ſchauer abſtamme, der nach ſeiner Einſicht das-
jenige, was er an der Geſchichte wahrgenommen,
in einen einigen Satz zuſammen ziehet.

§. 12.
Urbild und Erzeugung der Erzehlung.

Alle Vorſtellungen der Dinge werden Bilder
genennet; zumahl wenn es Dinge ſind, die ſich
durch die Augen erkennen laſſen. Nunmehro ſe-
hen wir alſo, wie das Bild der Geſchichte,

welches
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[126/0162] Sechſtes Capitel, ein eintzelner Menſch einen Zuſchauer abgegeben, noch leichter in eine ſolche Kuͤrtze zuſammen zu faſſen. §. 11. Das Hauptwerck aus einer Geſchichte her- aus nehmen. Wenn eine Geſchichte in einen einigen Satz verwandelt wird, ſo heiſſet dieſer Satz und was darinnen angegeben wird: das Hauptwerck, der Hauptpunckt, die Subſtantz der Hiſto- rie. Es iſt alſo eine bey der Erzehlung merck- wuͤrdige Veraͤnderung der Geſchichte, daß man das Hauptwerck heraus nimmt (§. 10.). Die- ſes iſt gemeiniglich das, was auch diejenigen, die am wenigſten von der Sache wiſſen, dennoch wiſ- ſen und in Erfahrung bringen, da hingegen die Zuſchauer in Anſehung der Umſtaͤnde und Par- ticularitaͤten verſchiedene Nachrichten zu haben pflegen. Der Urſprung dieſes Begriffes aber giebt zu erkennen, daß das Hauptwerck doch nicht lediglich von der innerlichen Beſchaffenheit der Sache, ſondern hauptſaͤchlich mit vom Zu- ſchauer abſtamme, der nach ſeiner Einſicht das- jenige, was er an der Geſchichte wahrgenommen, in einen einigen Satz zuſammen ziehet. §. 12. Urbild und Erzeugung der Erzehlung. Alle Vorſtellungen der Dinge werden Bilder genennet; zumahl wenn es Dinge ſind, die ſich durch die Augen erkennen laſſen. Nunmehro ſe- hen wir alſo, wie das Bild der Geſchichte, welches

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Zitationshilfe: Chladni, Johann Martin: Allgemeine Geschichtswissenschaft. Leipzig, 1752. , S. 126. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_geschichtswissenschaft_1752/162>, abgerufen am 24.04.2024.