auch wohl eine andere Gestalt hätte geben kön- nen; als worinnen der Zuschauer freyere Hände hat. Aus diesen Umständen einer Erzehlung und Nachricht ist es nun herzuleiten, daß der Hörer oder Nachsager andere Uberlegungen bey der Geschichte macht, als der Zuschauer, wenn auch gleich der Zuschauer die Geschichte unver- fälscht erzehlet, und der Hörer die Erzehlung rich- tig verstanden hat.
§. 25. Nachrichten sucht man umständlicher zu wissen.
Denn daraus, daß die Erzehlung weniger in sich enthält, als der Zuschauer und Urheber da- von weiß, und folglich auch weniger, als man da- von wissen könte, und würde, wenn man selbst da- bey gewesen wäre, entstehet natürlicher Weise ein Trieb noch mehr davon zu wissen. So kan z. E. keine Relation von einer Schlacht, sie mag so ausführlich seyn, als sie will, die Begier- de der Leser gnugsam sättigen, sondern sie erkun- digen sich, so offte es mit Zuschauern derselben zu reden Gelegenheit giebt, gar zu gerne nach meh- reren Umständen und Particularitäten: manche reisen auch wohl gar an Ort und Stelle, um sich die Gelegenheit der Orte besser vorzustellen, und alles genauer zu erkundigen. Jn Ermangelung nun der Gelegenheit weiter nachzufragen, und die Geschichte genauer zu erkundigen, denckt man der Erzehlung selber nach, und sucht durch Zusam- menhaltung der Umstände unter sich, und mit
dem
Siebentes Capitel,
auch wohl eine andere Geſtalt haͤtte geben koͤn- nen; als worinnen der Zuſchauer freyere Haͤnde hat. Aus dieſen Umſtaͤnden einer Erzehlung und Nachricht iſt es nun herzuleiten, daß der Hoͤrer oder Nachſager andere Uberlegungen bey der Geſchichte macht, als der Zuſchauer, wenn auch gleich der Zuſchauer die Geſchichte unver- faͤlſcht erzehlet, und der Hoͤrer die Erzehlung rich- tig verſtanden hat.
§. 25. Nachrichten ſucht man umſtaͤndlicher zu wiſſen.
Denn daraus, daß die Erzehlung weniger in ſich enthaͤlt, als der Zuſchauer und Urheber da- von weiß, und folglich auch weniger, als man da- von wiſſen koͤnte, und wuͤrde, wenn man ſelbſt da- bey geweſen waͤre, entſtehet natuͤrlicher Weiſe ein Trieb noch mehr davon zu wiſſen. So kan z. E. keine Relation von einer Schlacht, ſie mag ſo ausfuͤhrlich ſeyn, als ſie will, die Begier- de der Leſer gnugſam ſaͤttigen, ſondern ſie erkun- digen ſich, ſo offte es mit Zuſchauern derſelben zu reden Gelegenheit giebt, gar zu gerne nach meh- reren Umſtaͤnden und Particularitaͤten: manche reiſen auch wohl gar an Ort und Stelle, um ſich die Gelegenheit der Orte beſſer vorzuſtellen, und alles genauer zu erkundigen. Jn Ermangelung nun der Gelegenheit weiter nachzufragen, und die Geſchichte genauer zu erkundigen, denckt man der Erzehlung ſelber nach, und ſucht durch Zuſam- menhaltung der Umſtaͤnde unter ſich, und mit
dem
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0218"n="182"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Siebentes Capitel,</hi></fw><lb/>
auch wohl eine andere Geſtalt haͤtte geben koͤn-<lb/>
nen; als worinnen der Zuſchauer freyere Haͤnde<lb/>
hat. Aus dieſen Umſtaͤnden einer Erzehlung<lb/>
und Nachricht iſt es nun herzuleiten, daß der<lb/>
Hoͤrer oder Nachſager andere Uberlegungen bey<lb/>
der Geſchichte macht, als der Zuſchauer, wenn<lb/>
auch gleich der Zuſchauer die Geſchichte unver-<lb/>
faͤlſcht erzehlet, und der Hoͤrer die Erzehlung rich-<lb/>
tig verſtanden hat.</p></div><lb/><divn="2"><head>§. 25.<lb/>
Nachrichten ſucht man umſtaͤndlicher zu<lb/>
wiſſen.</head><lb/><p>Denn daraus, daß die Erzehlung weniger in<lb/>ſich enthaͤlt, als der Zuſchauer und Urheber da-<lb/>
von weiß, und folglich auch weniger, als man da-<lb/>
von wiſſen koͤnte, und wuͤrde, wenn man ſelbſt da-<lb/>
bey geweſen waͤre, entſtehet natuͤrlicher Weiſe ein<lb/><hirendition="#fr">Trieb noch mehr davon zu wiſſen.</hi> So<lb/>
kan z. E. keine Relation von einer Schlacht, ſie<lb/>
mag ſo ausfuͤhrlich ſeyn, als ſie will, die Begier-<lb/>
de der Leſer gnugſam ſaͤttigen, ſondern ſie erkun-<lb/>
digen ſich, ſo offte es mit Zuſchauern derſelben zu<lb/>
reden Gelegenheit giebt, gar zu gerne nach meh-<lb/>
reren Umſtaͤnden und Particularitaͤten: manche<lb/>
reiſen auch wohl gar an Ort und Stelle, um ſich<lb/>
die Gelegenheit der Orte beſſer vorzuſtellen, und<lb/>
alles genauer zu erkundigen. Jn Ermangelung<lb/>
nun der Gelegenheit weiter nachzufragen, und die<lb/>
Geſchichte genauer zu erkundigen, denckt man der<lb/>
Erzehlung ſelber nach, und ſucht durch Zuſam-<lb/>
menhaltung der Umſtaͤnde unter ſich, und mit<lb/><fwplace="bottom"type="catch">dem</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[182/0218]
Siebentes Capitel,
auch wohl eine andere Geſtalt haͤtte geben koͤn-
nen; als worinnen der Zuſchauer freyere Haͤnde
hat. Aus dieſen Umſtaͤnden einer Erzehlung
und Nachricht iſt es nun herzuleiten, daß der
Hoͤrer oder Nachſager andere Uberlegungen bey
der Geſchichte macht, als der Zuſchauer, wenn
auch gleich der Zuſchauer die Geſchichte unver-
faͤlſcht erzehlet, und der Hoͤrer die Erzehlung rich-
tig verſtanden hat.
§. 25.
Nachrichten ſucht man umſtaͤndlicher zu
wiſſen.
Denn daraus, daß die Erzehlung weniger in
ſich enthaͤlt, als der Zuſchauer und Urheber da-
von weiß, und folglich auch weniger, als man da-
von wiſſen koͤnte, und wuͤrde, wenn man ſelbſt da-
bey geweſen waͤre, entſtehet natuͤrlicher Weiſe ein
Trieb noch mehr davon zu wiſſen. So
kan z. E. keine Relation von einer Schlacht, ſie
mag ſo ausfuͤhrlich ſeyn, als ſie will, die Begier-
de der Leſer gnugſam ſaͤttigen, ſondern ſie erkun-
digen ſich, ſo offte es mit Zuſchauern derſelben zu
reden Gelegenheit giebt, gar zu gerne nach meh-
reren Umſtaͤnden und Particularitaͤten: manche
reiſen auch wohl gar an Ort und Stelle, um ſich
die Gelegenheit der Orte beſſer vorzuſtellen, und
alles genauer zu erkundigen. Jn Ermangelung
nun der Gelegenheit weiter nachzufragen, und die
Geſchichte genauer zu erkundigen, denckt man der
Erzehlung ſelber nach, und ſucht durch Zuſam-
menhaltung der Umſtaͤnde unter ſich, und mit
dem
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Chladni, Johann Martin: Allgemeine Geschichtswissenschaft. Leipzig, 1752. , S. 182. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_geschichtswissenschaft_1752/218>, abgerufen am 28.03.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.