Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Chladni, Johann Martin: Allgemeine Geschichtswissenschaft. Leipzig, 1752.

Bild:
<< vorherige Seite

von alten u. ausländisch. Geschichten.
Marchrouten, Ordres, und was sonsten von Tag zu
Tage vorgegangen ist, irgendwo lesen könten: Aber
wenn eine Geschichte neu ist; so verursachen sol-
che Particularitäten einen Eckel. Das Mittel
darwider ist die Verkürtzung, und der Auszug.
Da wir nun allbereit deutlich gewiesen haben, wie
die Geschichte, wenn sie erzehlt werden sollen,
verwandelt zu werden pflegen (§. 1. C. 6.) auch
wie solche verkürtzt werden können (§. 3. seq. C. 6.),
so können auch die Pflichten eines Geschicht-
schreibers in Ansehung des Auszugs,
den er
machen muß, aus den gegebenen Lehren hergelei-
tet werden.

§. 21.
Und dessen Schwierigkeiten.

Da ein Geschichtschreiber die Nachwelt von
einer Geschichte belehren will: Die Nachwelt
aber von den Personen und Orten, die in die Ge-
schichte einen Einfluß haben, hauptsächlich aber
von den Personen keine Nachricht hat, so muß er
1. Menschen und Orte also angeben, daß man sie
gnugsam von andern unterscheiden kan. 2. Ohn-
geachtet er einen Auszug macht, so muß doch die
Geschichte gantz bleiben. Welche Kunst die la-
teinischen und griechischen Geschichtschreiber sehr
wohl verstanden haben; daß wenn sie auch noch
so kurtze Erzehlungen gemacht haben; man doch
daran nichts vermisset: Sondern sich dünckt, die
gantze Geschichte bey ihnen zu lesen. Ein Ge-
schichtschreiber kan daher aus ihren Exempeln un-
gemein viel lernen.

§. 22.
A a 2

von alten u. auslaͤndiſch. Geſchichten.
Marchrouten, Ordres, und was ſonſten von Tag zu
Tage vorgegangen iſt, irgendwo leſen koͤnten: Aber
wenn eine Geſchichte neu iſt; ſo verurſachen ſol-
che Particularitaͤten einen Eckel. Das Mittel
darwider iſt die Verkuͤrtzung, und der Auszug.
Da wir nun allbereit deutlich gewieſen haben, wie
die Geſchichte, wenn ſie erzehlt werden ſollen,
verwandelt zu werden pflegen (§. 1. C. 6.) auch
wie ſolche verkuͤrtzt werden koͤnnen (§. 3. ſeq. C. 6.),
ſo koͤnnen auch die Pflichten eines Geſchicht-
ſchreibers in Anſehung des Auszugs,
den er
machen muß, aus den gegebenen Lehren hergelei-
tet werden.

§. 21.
Und deſſen Schwierigkeiten.

Da ein Geſchichtſchreiber die Nachwelt von
einer Geſchichte belehren will: Die Nachwelt
aber von den Perſonen und Orten, die in die Ge-
ſchichte einen Einfluß haben, hauptſaͤchlich aber
von den Perſonen keine Nachricht hat, ſo muß er
1. Menſchen und Orte alſo angeben, daß man ſie
gnugſam von andern unterſcheiden kan. 2. Ohn-
geachtet er einen Auszug macht, ſo muß doch die
Geſchichte gantz bleiben. Welche Kunſt die la-
teiniſchen und griechiſchen Geſchichtſchreiber ſehr
wohl verſtanden haben; daß wenn ſie auch noch
ſo kurtze Erzehlungen gemacht haben; man doch
daran nichts vermiſſet: Sondern ſich duͤnckt, die
gantze Geſchichte bey ihnen zu leſen. Ein Ge-
ſchichtſchreiber kan daher aus ihren Exempeln un-
gemein viel lernen.

§. 22.
A a 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0407" n="371"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">von alten u. ausla&#x0364;ndi&#x017F;ch. Ge&#x017F;chichten.</hi></fw><lb/>
Marchrouten, Ordres, und was &#x017F;on&#x017F;ten von Tag zu<lb/>
Tage vorgegangen i&#x017F;t, irgendwo le&#x017F;en ko&#x0364;nten: Aber<lb/>
wenn eine Ge&#x017F;chichte neu i&#x017F;t; &#x017F;o verur&#x017F;achen &#x017F;ol-<lb/>
che Particularita&#x0364;ten einen <hi rendition="#fr">Eckel.</hi> Das Mittel<lb/>
darwider i&#x017F;t die Verku&#x0364;rtzung, und der <hi rendition="#fr">Auszug.</hi><lb/>
Da wir nun allbereit deutlich gewie&#x017F;en haben, wie<lb/>
die <hi rendition="#fr">Ge&#x017F;chichte,</hi> wenn &#x017F;ie erzehlt werden &#x017F;ollen,<lb/>
verwandelt zu werden pflegen (§. 1. C. 6.) auch<lb/>
wie &#x017F;olche verku&#x0364;rtzt werden ko&#x0364;nnen (§. 3. <hi rendition="#aq">&#x017F;eq.</hi> C. 6.),<lb/>
&#x017F;o ko&#x0364;nnen auch <hi rendition="#fr">die Pflichten eines Ge&#x017F;chicht-<lb/>
&#x017F;chreibers in An&#x017F;ehung des Auszugs,</hi> den er<lb/>
machen muß, aus den gegebenen Lehren hergelei-<lb/>
tet werden.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head>§. 21.<lb/>
Und de&#x017F;&#x017F;en Schwierigkeiten.</head><lb/>
          <p>Da ein Ge&#x017F;chicht&#x017F;chreiber die Nachwelt von<lb/>
einer <hi rendition="#fr">Ge&#x017F;chichte</hi> belehren will: Die Nachwelt<lb/>
aber von den Per&#x017F;onen und Orten, die in die Ge-<lb/>
&#x017F;chichte einen Einfluß haben, haupt&#x017F;a&#x0364;chlich aber<lb/>
von den Per&#x017F;onen keine Nachricht hat, &#x017F;o muß er<lb/>
1. Men&#x017F;chen und Orte al&#x017F;o angeben, daß man &#x017F;ie<lb/>
gnug&#x017F;am von andern unter&#x017F;cheiden kan. 2. Ohn-<lb/>
geachtet er einen Auszug macht, &#x017F;o muß doch die<lb/>
Ge&#x017F;chichte <hi rendition="#fr">gantz</hi> bleiben. Welche Kun&#x017F;t die la-<lb/>
teini&#x017F;chen und griechi&#x017F;chen Ge&#x017F;chicht&#x017F;chreiber &#x017F;ehr<lb/>
wohl ver&#x017F;tanden haben; daß wenn &#x017F;ie auch noch<lb/>
&#x017F;o kurtze Erzehlungen gemacht haben; man doch<lb/>
daran nichts vermi&#x017F;&#x017F;et: Sondern &#x017F;ich du&#x0364;nckt, die<lb/><hi rendition="#fr">gantze</hi> Ge&#x017F;chichte bey ihnen zu le&#x017F;en. Ein Ge-<lb/>
&#x017F;chicht&#x017F;chreiber kan daher aus ihren Exempeln un-<lb/>
gemein viel lernen.</p>
        </div><lb/>
        <fw place="bottom" type="sig">A a 2</fw>
        <fw place="bottom" type="catch">§. 22.</fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[371/0407] von alten u. auslaͤndiſch. Geſchichten. Marchrouten, Ordres, und was ſonſten von Tag zu Tage vorgegangen iſt, irgendwo leſen koͤnten: Aber wenn eine Geſchichte neu iſt; ſo verurſachen ſol- che Particularitaͤten einen Eckel. Das Mittel darwider iſt die Verkuͤrtzung, und der Auszug. Da wir nun allbereit deutlich gewieſen haben, wie die Geſchichte, wenn ſie erzehlt werden ſollen, verwandelt zu werden pflegen (§. 1. C. 6.) auch wie ſolche verkuͤrtzt werden koͤnnen (§. 3. ſeq. C. 6.), ſo koͤnnen auch die Pflichten eines Geſchicht- ſchreibers in Anſehung des Auszugs, den er machen muß, aus den gegebenen Lehren hergelei- tet werden. §. 21. Und deſſen Schwierigkeiten. Da ein Geſchichtſchreiber die Nachwelt von einer Geſchichte belehren will: Die Nachwelt aber von den Perſonen und Orten, die in die Ge- ſchichte einen Einfluß haben, hauptſaͤchlich aber von den Perſonen keine Nachricht hat, ſo muß er 1. Menſchen und Orte alſo angeben, daß man ſie gnugſam von andern unterſcheiden kan. 2. Ohn- geachtet er einen Auszug macht, ſo muß doch die Geſchichte gantz bleiben. Welche Kunſt die la- teiniſchen und griechiſchen Geſchichtſchreiber ſehr wohl verſtanden haben; daß wenn ſie auch noch ſo kurtze Erzehlungen gemacht haben; man doch daran nichts vermiſſet: Sondern ſich duͤnckt, die gantze Geſchichte bey ihnen zu leſen. Ein Ge- ſchichtſchreiber kan daher aus ihren Exempeln un- gemein viel lernen. §. 22. A a 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_geschichtswissenschaft_1752
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_geschichtswissenschaft_1752/407
Zitationshilfe: Chladni, Johann Martin: Allgemeine Geschichtswissenschaft. Leipzig, 1752. , S. 371. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_geschichtswissenschaft_1752/407>, abgerufen am 23.04.2024.