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Clauren, Heinrich: Liebe und Irrthum. Nordhausen, 1827.

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Sitte hervorzurufen. Die letzte Verlobung, der
ich beiwohnte, war bei dem Oberlandforstmeister;
da gings bunt her; meiner Seele, ist da doch
getollt worden! Der Geheimrath Sacken hatte
schwer geladen, und wie er dem Paare Glück
wünschen wollte, rannte er mit dem hintern Theile
seines Körpers dem Vater der Braut vor seinen
dicken Bauch, wurde von diesem elastischen Berge
zurückgeschleudert, und schoß eine Lerche, daß er
an der Erde lag, wie ein Sack! Das gab nun
freilich einen tollen Lärm, aber wir ließen uns
nicht stöhren. -- Diesmal, hoffe ich übrigens,
soll es nicht auf einen solchen Sturz ausgehen,
und ich bin im Grunde froh, daß die Sache
so endigte."

"Wie so?" fragte Staunitz.

"Nun," erwiederte Heinrich lachend, "daß
Tinchen bei der Parthie nicht leer ausgeht.
Anfangs dachte ich immer, sie würde ohne den
Vetter Staunitz nicht leben können, und wie ich
so dem Dinge auf die Spur kam, dachte ich
immer bei mir, es wäre gut, wenn der Mensch
sein Herz verzehren und ein neues in sich
werden lassen könnte, wie der Magen beim

Sitte hervorzurufen. Die letzte Verlobung, der
ich beiwohnte, war bei dem Oberlandforſtmeiſter;
da gings bunt her; meiner Seele, iſt da doch
getollt worden! Der Geheimrath Sacken hatte
ſchwer geladen, und wie er dem Paare Gluͤck
wuͤnſchen wollte, rannte er mit dem hintern Theile
ſeines Koͤrpers dem Vater der Braut vor ſeinen
dicken Bauch, wurde von dieſem elaſtiſchen Berge
zuruͤckgeſchleudert, und ſchoß eine Lerche, daß er
an der Erde lag, wie ein Sack! Das gab nun
freilich einen tollen Laͤrm, aber wir ließen uns
nicht ſtoͤhren. — Diesmal, hoffe ich uͤbrigens,
ſoll es nicht auf einen ſolchen Sturz ausgehen,
und ich bin im Grunde froh, daß die Sache
ſo endigte.“

„Wie ſo?“ fragte Staunitz.

„Nun,“ erwiederte Heinrich lachend, „daß
Tinchen bei der Parthie nicht leer ausgeht.
Anfangs dachte ich immer, ſie wuͤrde ohne den
Vetter Staunitz nicht leben koͤnnen, und wie ich
ſo dem Dinge auf die Spur kam, dachte ich
immer bei mir, es waͤre gut, wenn der Menſch
ſein Herz verzehren und ein neues in ſich
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[252/0258] Sitte hervorzurufen. Die letzte Verlobung, der ich beiwohnte, war bei dem Oberlandforſtmeiſter; da gings bunt her; meiner Seele, iſt da doch getollt worden! Der Geheimrath Sacken hatte ſchwer geladen, und wie er dem Paare Gluͤck wuͤnſchen wollte, rannte er mit dem hintern Theile ſeines Koͤrpers dem Vater der Braut vor ſeinen dicken Bauch, wurde von dieſem elaſtiſchen Berge zuruͤckgeſchleudert, und ſchoß eine Lerche, daß er an der Erde lag, wie ein Sack! Das gab nun freilich einen tollen Laͤrm, aber wir ließen uns nicht ſtoͤhren. — Diesmal, hoffe ich uͤbrigens, ſoll es nicht auf einen ſolchen Sturz ausgehen, und ich bin im Grunde froh, daß die Sache ſo endigte.“ „Wie ſo?“ fragte Staunitz. „Nun,“ erwiederte Heinrich lachend, „daß Tinchen bei der Parthie nicht leer ausgeht. Anfangs dachte ich immer, ſie wuͤrde ohne den Vetter Staunitz nicht leben koͤnnen, und wie ich ſo dem Dinge auf die Spur kam, dachte ich immer bei mir, es waͤre gut, wenn der Menſch ſein Herz verzehren und ein neues in ſich werden laſſen koͤnnte, wie der Magen beim

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Zitationshilfe: Clauren, Heinrich: Liebe und Irrthum. Nordhausen, 1827, S. 252. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clauren_liebe_1827/258>, abgerufen am 28.03.2024.