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Clauren, Heinrich: Liebe und Irrthum. Nordhausen, 1827.

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das Wort, "das hat er. Der gute Herr ist
krank, was soll ich es länger verhelen, aber ich
hoffe, nicht gefährlich. Unterbrechen Sie mich
nicht, junger Herr, ich werde gleich am Ende
meines Berichtes sein, und wir haben beide große
Eile. Schon kurz vor Empfang Ihres Briefes
klagte der gute Herr über eine Lähmung in seinem
Körper, und er sagte, es sei gewesen, als wenn
mit einem Male alle Nerven zusammengezuckt
seien, und als hätte es wie in einem langgehalte¬
nen, sonderbaren Tone vor dem Ohre geklungen.
Sie kennen seine Vorliebe für die Musik, und ich
schob auch hierauf die sonderbare Erscheinung;
aber die Ärzte meinten doch, es wäre eine Art
Schlagfluß gewesen. Nun kam Ihr Brief, mein
lieber junger Herr; er mogte einen freudigen
Eindruck äußern, denn Ihr Herr Vater verlangte
sehnlichst nach Ihnen, fast in demselben Grade,
als sein Übelbefinden stieg. Blum, sagte er zu
mir am Morgen, Sie müssen mir den August
schaffen, ich werde immer schwächer und schwächer,
und fühle, daß meine Stunde bald schlagen wird.
Auf alle Weise redete ich dem guten Herrn solche
finstern Gedanken aus, ließ den Reisewagen an¬
spannen, und fuhr Tag und Nacht. Mit Nerven¬
zufällen ist kein Spaßen; daher halte ich es für
nothwendig, daß wir Blumenau so schnell wie

das Wort, „das hat er. Der gute Herr iſt
krank, was ſoll ich es laͤnger verhelen, aber ich
hoffe, nicht gefaͤhrlich. Unterbrechen Sie mich
nicht, junger Herr, ich werde gleich am Ende
meines Berichtes ſein, und wir haben beide große
Eile. Schon kurz vor Empfang Ihres Briefes
klagte der gute Herr uͤber eine Laͤhmung in ſeinem
Koͤrper, und er ſagte, es ſei geweſen, als wenn
mit einem Male alle Nerven zuſammengezuckt
ſeien, und als haͤtte es wie in einem langgehalte¬
nen, ſonderbaren Tone vor dem Ohre geklungen.
Sie kennen ſeine Vorliebe fuͤr die Muſik, und ich
ſchob auch hierauf die ſonderbare Erſcheinung;
aber die Ärzte meinten doch, es waͤre eine Art
Schlagfluß geweſen. Nun kam Ihr Brief, mein
lieber junger Herr; er mogte einen freudigen
Eindruck aͤußern, denn Ihr Herr Vater verlangte
ſehnlichſt nach Ihnen, faſt in demſelben Grade,
als ſein Übelbefinden ſtieg. Blum, ſagte er zu
mir am Morgen, Sie muͤſſen mir den Auguſt
ſchaffen, ich werde immer ſchwaͤcher und ſchwaͤcher,
und fuͤhle, daß meine Stunde bald ſchlagen wird.
Auf alle Weiſe redete ich dem guten Herrn ſolche
finſtern Gedanken aus, ließ den Reiſewagen an¬
ſpannen, und fuhr Tag und Nacht. Mit Nerven¬
zufaͤllen iſt kein Spaßen; daher halte ich es fuͤr
nothwendig, daß wir Blumenau ſo ſchnell wie

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[77/0083] das Wort, „das hat er. Der gute Herr iſt krank, was ſoll ich es laͤnger verhelen, aber ich hoffe, nicht gefaͤhrlich. Unterbrechen Sie mich nicht, junger Herr, ich werde gleich am Ende meines Berichtes ſein, und wir haben beide große Eile. Schon kurz vor Empfang Ihres Briefes klagte der gute Herr uͤber eine Laͤhmung in ſeinem Koͤrper, und er ſagte, es ſei geweſen, als wenn mit einem Male alle Nerven zuſammengezuckt ſeien, und als haͤtte es wie in einem langgehalte¬ nen, ſonderbaren Tone vor dem Ohre geklungen. Sie kennen ſeine Vorliebe fuͤr die Muſik, und ich ſchob auch hierauf die ſonderbare Erſcheinung; aber die Ärzte meinten doch, es waͤre eine Art Schlagfluß geweſen. Nun kam Ihr Brief, mein lieber junger Herr; er mogte einen freudigen Eindruck aͤußern, denn Ihr Herr Vater verlangte ſehnlichſt nach Ihnen, faſt in demſelben Grade, als ſein Übelbefinden ſtieg. Blum, ſagte er zu mir am Morgen, Sie muͤſſen mir den Auguſt ſchaffen, ich werde immer ſchwaͤcher und ſchwaͤcher, und fuͤhle, daß meine Stunde bald ſchlagen wird. Auf alle Weiſe redete ich dem guten Herrn ſolche finſtern Gedanken aus, ließ den Reiſewagen an¬ ſpannen, und fuhr Tag und Nacht. Mit Nerven¬ zufaͤllen iſt kein Spaßen; daher halte ich es fuͤr nothwendig, daß wir Blumenau ſo ſchnell wie

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Zitationshilfe: Clauren, Heinrich: Liebe und Irrthum. Nordhausen, 1827, S. 77. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clauren_liebe_1827/83>, abgerufen am 25.04.2024.