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Clausewitz, Carl von: Vom Kriege. Bd. 3. Berlin, 1834.

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es eine gute Defensive. Ist es in seinem ganzen Innern
rauh und unzugänglich, so daß der Vertheidiger zerstreut
und ohne Zusammenhang steht, so ist die Vertheidigung
desselben mit der Hauptmacht eine gefährliche Maaßregel,
denn unter diesen Umständen sind alle Vortheile für den
Angreifenden, der einzelne Punkte mit großer Überlegen-
heit anfallen kann, und kein Paß, kein einzelner Punkt
ist so stark daß er durch eine überlegene Macht nicht in-
nerhalb eines Tages genommen werden könnte.

7. In Rücksicht des Gebirgskrieges ist überhaupt
zu bemerken daß darin Alles von der Geschicklichkeit der
Untergeordneten, der Offiziere, noch mehr aber von dem
Geiste der Soldaten überhaupt abhängt. Große Manö-
verfähigkeit ist hier nicht erforderlich, aber kriegerischer
Geist und Herz für die Sache, denn mehr oder weniger ist
sich hier ein Jeder selbst überlassen; daher kommt es daß
besonders Nationalbewaffnungen ihre Rechnung im Ge-
birgskriege finden, denn sie entbehren das Eine während sie
das Andere im höchsten Grade besitzen.

8. Endlich ist in Rücksicht auf die strategische De-
fensive zu bemerken daß sie, weil sie an sich stärker ist als
die Offensive, nur dazu dienen soll die ersten großen Er-
folge zu erfechten und daß wenn dieser Zweck erreicht ist
und der Frieden nicht unmittelbar darauf erfolgt, die wei-
tern Erfolge nur durch die Offensive erreicht werden kön-
nen; denn wer immer defensiv bleiben will setzt sich dem
großen Nachtheil aus, immer auf eigene Kosten den Krieg
zu führen. Dies hält ein jeder Staat nur eine gewisse
Zeit aus und er würde also, wenn er sich den Stößen
seines Gegners aussetzte ohne je wieder zu stoßen, höchst
wahrscheinlich am Ende ermatten und unterliegen. Man

es eine gute Defenſive. Iſt es in ſeinem ganzen Innern
rauh und unzugaͤnglich, ſo daß der Vertheidiger zerſtreut
und ohne Zuſammenhang ſteht, ſo iſt die Vertheidigung
deſſelben mit der Hauptmacht eine gefaͤhrliche Maaßregel,
denn unter dieſen Umſtaͤnden ſind alle Vortheile fuͤr den
Angreifenden, der einzelne Punkte mit großer Überlegen-
heit anfallen kann, und kein Paß, kein einzelner Punkt
iſt ſo ſtark daß er durch eine uͤberlegene Macht nicht in-
nerhalb eines Tages genommen werden koͤnnte.

7. In Ruͤckſicht des Gebirgskrieges iſt uͤberhaupt
zu bemerken daß darin Alles von der Geſchicklichkeit der
Untergeordneten, der Offiziere, noch mehr aber von dem
Geiſte der Soldaten uͤberhaupt abhaͤngt. Große Manoͤ-
verfaͤhigkeit iſt hier nicht erforderlich, aber kriegeriſcher
Geiſt und Herz fuͤr die Sache, denn mehr oder weniger iſt
ſich hier ein Jeder ſelbſt uͤberlaſſen; daher kommt es daß
beſonders Nationalbewaffnungen ihre Rechnung im Ge-
birgskriege finden, denn ſie entbehren das Eine waͤhrend ſie
das Andere im hoͤchſten Grade beſitzen.

8. Endlich iſt in Ruͤckſicht auf die ſtrategiſche De-
fenſive zu bemerken daß ſie, weil ſie an ſich ſtaͤrker iſt als
die Offenſive, nur dazu dienen ſoll die erſten großen Er-
folge zu erfechten und daß wenn dieſer Zweck erreicht iſt
und der Frieden nicht unmittelbar darauf erfolgt, die wei-
tern Erfolge nur durch die Offenſive erreicht werden koͤn-
nen; denn wer immer defenſiv bleiben will ſetzt ſich dem
großen Nachtheil aus, immer auf eigene Koſten den Krieg
zu fuͤhren. Dies haͤlt ein jeder Staat nur eine gewiſſe
Zeit aus und er wuͤrde alſo, wenn er ſich den Stoͤßen
ſeines Gegners ausſetzte ohne je wieder zu ſtoßen, hoͤchſt
wahrſcheinlich am Ende ermatten und unterliegen. Man

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[251/0265] es eine gute Defenſive. Iſt es in ſeinem ganzen Innern rauh und unzugaͤnglich, ſo daß der Vertheidiger zerſtreut und ohne Zuſammenhang ſteht, ſo iſt die Vertheidigung deſſelben mit der Hauptmacht eine gefaͤhrliche Maaßregel, denn unter dieſen Umſtaͤnden ſind alle Vortheile fuͤr den Angreifenden, der einzelne Punkte mit großer Überlegen- heit anfallen kann, und kein Paß, kein einzelner Punkt iſt ſo ſtark daß er durch eine uͤberlegene Macht nicht in- nerhalb eines Tages genommen werden koͤnnte. 7. In Ruͤckſicht des Gebirgskrieges iſt uͤberhaupt zu bemerken daß darin Alles von der Geſchicklichkeit der Untergeordneten, der Offiziere, noch mehr aber von dem Geiſte der Soldaten uͤberhaupt abhaͤngt. Große Manoͤ- verfaͤhigkeit iſt hier nicht erforderlich, aber kriegeriſcher Geiſt und Herz fuͤr die Sache, denn mehr oder weniger iſt ſich hier ein Jeder ſelbſt uͤberlaſſen; daher kommt es daß beſonders Nationalbewaffnungen ihre Rechnung im Ge- birgskriege finden, denn ſie entbehren das Eine waͤhrend ſie das Andere im hoͤchſten Grade beſitzen. 8. Endlich iſt in Ruͤckſicht auf die ſtrategiſche De- fenſive zu bemerken daß ſie, weil ſie an ſich ſtaͤrker iſt als die Offenſive, nur dazu dienen ſoll die erſten großen Er- folge zu erfechten und daß wenn dieſer Zweck erreicht iſt und der Frieden nicht unmittelbar darauf erfolgt, die wei- tern Erfolge nur durch die Offenſive erreicht werden koͤn- nen; denn wer immer defenſiv bleiben will ſetzt ſich dem großen Nachtheil aus, immer auf eigene Koſten den Krieg zu fuͤhren. Dies haͤlt ein jeder Staat nur eine gewiſſe Zeit aus und er wuͤrde alſo, wenn er ſich den Stoͤßen ſeines Gegners ausſetzte ohne je wieder zu ſtoßen, hoͤchſt wahrſcheinlich am Ende ermatten und unterliegen. Man

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Zitationshilfe: Clausewitz, Carl von: Vom Kriege. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 251. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clausewitz_krieg03_1834/265>, abgerufen am 29.03.2024.