Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Clausewitz, Carl von: Vom Kriege. Bd. 3. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

Energie geführt wird, so kann man sagen daß in der Aus-
führung eine Menge von kleinen, in der Theorie gar nicht
zu berechnenden Hindernissen und Zufällen sich zum Nach-
theil des Angreifenden zeigen werden, weil er der Handelnde
ist, also mit ihnen am ersten in Konflikt kommt. Man
bedenke nur wie oft die an sich unbedeutenden lombar-
dischen Flüsse mit Erfolg vertheidigt worden sind. --
Wenn es in der Kriegsgeschichte dagegen auch Flußverthei-
digungen giebt die nicht das von ihnen Erwartete geleistet
haben, so liegt es darin daß man zuweilen von diesem
Mittel ganz übertriebene Wirkung verlangt hat, die sich
ganz und gar nicht auf seine taktische Natur gründete,
sondern bloß auf seine aus der Erfahrung bekannte Wirk-
samkeit, die man dann noch über alle Gebühr ausdeh-
nen wollte.

4. Nur dann wenn der Vertheidiger den Fehler
macht, auf die Vertheidigung des Flusses sein ganzes Heil
zu bauen, und sich in den Fall setzt durch ihre Spren-
gung in große Verlegenheiten und eine Art Katastrophe
zu gerathen, nur dann kann die Flußvertheidigung als eine
dem Angriff günstige Form des Widerstandes angesehen
werden, denn es ist allerdings leichter eine Flußvertheidi-
digung zu sprengen als eine gewöhnliche Schlacht zu
gewinnen.

5. Es folgt aus dem Bisherigen von selbst, daß Fluß-
vertheidigungen von einem großen Werth werden wenn
keine große Entscheidung gesucht wird, daß aber da wo
diese von der Übermacht oder Energie des Gegners zu er-
warten ist, dies Mittel, wenn es falsch angewendet wird,
von einem positiven Werth für den Angreifenden sein kann.

6. Die wenigsten Flußvertheidigungen sind so, daß
sie nicht umgangen werden könnten, sei es im Allgemeinen

Energie gefuͤhrt wird, ſo kann man ſagen daß in der Aus-
fuͤhrung eine Menge von kleinen, in der Theorie gar nicht
zu berechnenden Hinderniſſen und Zufaͤllen ſich zum Nach-
theil des Angreifenden zeigen werden, weil er der Handelnde
iſt, alſo mit ihnen am erſten in Konflikt kommt. Man
bedenke nur wie oft die an ſich unbedeutenden lombar-
diſchen Fluͤſſe mit Erfolg vertheidigt worden ſind. —
Wenn es in der Kriegsgeſchichte dagegen auch Flußverthei-
digungen giebt die nicht das von ihnen Erwartete geleiſtet
haben, ſo liegt es darin daß man zuweilen von dieſem
Mittel ganz uͤbertriebene Wirkung verlangt hat, die ſich
ganz und gar nicht auf ſeine taktiſche Natur gruͤndete,
ſondern bloß auf ſeine aus der Erfahrung bekannte Wirk-
ſamkeit, die man dann noch uͤber alle Gebuͤhr ausdeh-
nen wollte.

4. Nur dann wenn der Vertheidiger den Fehler
macht, auf die Vertheidigung des Fluſſes ſein ganzes Heil
zu bauen, und ſich in den Fall ſetzt durch ihre Spren-
gung in große Verlegenheiten und eine Art Kataſtrophe
zu gerathen, nur dann kann die Flußvertheidigung als eine
dem Angriff guͤnſtige Form des Widerſtandes angeſehen
werden, denn es iſt allerdings leichter eine Flußvertheidi-
digung zu ſprengen als eine gewoͤhnliche Schlacht zu
gewinnen.

5. Es folgt aus dem Bisherigen von ſelbſt, daß Fluß-
vertheidigungen von einem großen Werth werden wenn
keine große Entſcheidung geſucht wird, daß aber da wo
dieſe von der Übermacht oder Energie des Gegners zu er-
warten iſt, dies Mittel, wenn es falſch angewendet wird,
von einem poſitiven Werth fuͤr den Angreifenden ſein kann.

6. Die wenigſten Flußvertheidigungen ſind ſo, daß
ſie nicht umgangen werden koͤnnten, ſei es im Allgemeinen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0032" n="18"/>
Energie gefu&#x0364;hrt wird, &#x017F;o kann man &#x017F;agen daß in der Aus-<lb/>
fu&#x0364;hrung eine Menge von kleinen, in der Theorie gar nicht<lb/>
zu berechnenden Hinderni&#x017F;&#x017F;en und Zufa&#x0364;llen &#x017F;ich zum Nach-<lb/>
theil des Angreifenden zeigen werden, weil er der Handelnde<lb/>
i&#x017F;t, al&#x017F;o mit ihnen am er&#x017F;ten in Konflikt kommt. Man<lb/>
bedenke nur wie oft die an &#x017F;ich unbedeutenden lombar-<lb/>
di&#x017F;chen Flu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e mit Erfolg vertheidigt worden &#x017F;ind. &#x2014;<lb/>
Wenn es in der Kriegsge&#x017F;chichte dagegen auch Flußverthei-<lb/>
digungen giebt die nicht das von ihnen Erwartete gelei&#x017F;tet<lb/>
haben, &#x017F;o liegt es darin daß man zuweilen von die&#x017F;em<lb/>
Mittel ganz u&#x0364;bertriebene Wirkung verlangt hat, die &#x017F;ich<lb/>
ganz und gar nicht auf &#x017F;eine takti&#x017F;che Natur gru&#x0364;ndete,<lb/>
&#x017F;ondern bloß auf &#x017F;eine aus der Erfahrung bekannte Wirk-<lb/>
&#x017F;amkeit, die man dann noch u&#x0364;ber alle Gebu&#x0364;hr ausdeh-<lb/>
nen wollte.</p><lb/>
          <p>4. Nur dann wenn der Vertheidiger den Fehler<lb/>
macht, auf die Vertheidigung des Flu&#x017F;&#x017F;es &#x017F;ein ganzes Heil<lb/>
zu bauen, und &#x017F;ich in den Fall &#x017F;etzt durch ihre Spren-<lb/>
gung in große Verlegenheiten und eine Art Kata&#x017F;trophe<lb/>
zu gerathen, nur dann kann die Flußvertheidigung als eine<lb/>
dem Angriff gu&#x0364;n&#x017F;tige Form des Wider&#x017F;tandes ange&#x017F;ehen<lb/>
werden, denn es i&#x017F;t allerdings leichter eine Flußvertheidi-<lb/>
digung zu &#x017F;prengen als eine gewo&#x0364;hnliche Schlacht zu<lb/>
gewinnen.</p><lb/>
          <p>5. Es folgt aus dem Bisherigen von &#x017F;elb&#x017F;t, daß Fluß-<lb/>
vertheidigungen von einem großen Werth werden wenn<lb/>
keine große Ent&#x017F;cheidung ge&#x017F;ucht wird, daß aber da wo<lb/>
die&#x017F;e von der Übermacht oder Energie des Gegners zu er-<lb/>
warten i&#x017F;t, dies Mittel, wenn es fal&#x017F;ch angewendet wird,<lb/>
von einem po&#x017F;itiven Werth fu&#x0364;r den Angreifenden &#x017F;ein kann.</p><lb/>
          <p>6. Die wenig&#x017F;ten Flußvertheidigungen &#x017F;ind &#x017F;o, daß<lb/>
&#x017F;ie nicht umgangen werden ko&#x0364;nnten, &#x017F;ei es im Allgemeinen<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[18/0032] Energie gefuͤhrt wird, ſo kann man ſagen daß in der Aus- fuͤhrung eine Menge von kleinen, in der Theorie gar nicht zu berechnenden Hinderniſſen und Zufaͤllen ſich zum Nach- theil des Angreifenden zeigen werden, weil er der Handelnde iſt, alſo mit ihnen am erſten in Konflikt kommt. Man bedenke nur wie oft die an ſich unbedeutenden lombar- diſchen Fluͤſſe mit Erfolg vertheidigt worden ſind. — Wenn es in der Kriegsgeſchichte dagegen auch Flußverthei- digungen giebt die nicht das von ihnen Erwartete geleiſtet haben, ſo liegt es darin daß man zuweilen von dieſem Mittel ganz uͤbertriebene Wirkung verlangt hat, die ſich ganz und gar nicht auf ſeine taktiſche Natur gruͤndete, ſondern bloß auf ſeine aus der Erfahrung bekannte Wirk- ſamkeit, die man dann noch uͤber alle Gebuͤhr ausdeh- nen wollte. 4. Nur dann wenn der Vertheidiger den Fehler macht, auf die Vertheidigung des Fluſſes ſein ganzes Heil zu bauen, und ſich in den Fall ſetzt durch ihre Spren- gung in große Verlegenheiten und eine Art Kataſtrophe zu gerathen, nur dann kann die Flußvertheidigung als eine dem Angriff guͤnſtige Form des Widerſtandes angeſehen werden, denn es iſt allerdings leichter eine Flußvertheidi- digung zu ſprengen als eine gewoͤhnliche Schlacht zu gewinnen. 5. Es folgt aus dem Bisherigen von ſelbſt, daß Fluß- vertheidigungen von einem großen Werth werden wenn keine große Entſcheidung geſucht wird, daß aber da wo dieſe von der Übermacht oder Energie des Gegners zu er- warten iſt, dies Mittel, wenn es falſch angewendet wird, von einem poſitiven Werth fuͤr den Angreifenden ſein kann. 6. Die wenigſten Flußvertheidigungen ſind ſo, daß ſie nicht umgangen werden koͤnnten, ſei es im Allgemeinen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Clausewitz' "Vom Kriege" erschien zu Lebzeiten de… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/clausewitz_krieg03_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/clausewitz_krieg03_1834/32
Zitationshilfe: Clausewitz, Carl von: Vom Kriege. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clausewitz_krieg03_1834/32>, abgerufen am 28.03.2024.