Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Clausewitz, Carl von: Vom Kriege. Bd. 3. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

wendeten Mittel sind oder je größer die physische oder
moralische Überlegenheit war, um so stärker wird diese
Tendenz des Ganzen sein.

147. Bei geringen oder negativen Erfolgen oder bei
der Überlegenheit des Gegners kann sie aber auch in den
einzelnen Punkten so selten und so schwach sein daß sie
für das Ganze gar nicht vorhanden ist.

148. Diese natürliche Tendenz kann im Einzelnen
und im Allgemeinen zu unzeitigen Entscheidungen führen,
ist aber, weit entfernt darum ein Übel zu sein, vielmehr
eine ganz nothwendige Eigenschaft des Zerstörungsaktes,
weil ohne sie viel versäumt werden würde.

149. Das Urtheil des Führers auf jedem Punkt
und des Feldherrn für das Allgemeine muß bestimmen
ob die sich darbietende Gelegenheit zu einer Entscheidung
vortheilhaft ist oder nicht, d. h. ob sie nicht zu einem
Rückschlag und damit zu einem negativen Resultat führt.

150. Die Leitung eines Gefechts in Beziehung auf
die der Entscheidung vorangehende Vorbereitung oder viel-
mehr Zubereitung desselben besteht also darin ein Feuer-
gefecht und im weitern Sinne einen Zerstörungsakt anzu-
ordnen und demselben eine angemessene Dauer zu geben,
d. h. die Entscheidung erst eintreten zu lassen wenn man
glaubt daß der Zerstörungsakt eine hinreichende Wirkung
gethan hat.

151. Dieses Urtheil wird aber nicht sowohl nach
der Uhr abzunehmen sein, nicht aus den bloßen Zeitver-
hältnissen hervorgehen, sondern aus den Umständen welche
sich ergeben haben, aus den Zeichen einer schon gewonne-
nen Überlegenheit.

152. Da nun der Zerstörungsakt, wenn er von gu-
tem Erfolg begleitet ist, schon zur Entscheidung selbst

wendeten Mittel ſind oder je groͤßer die phyſiſche oder
moraliſche Überlegenheit war, um ſo ſtaͤrker wird dieſe
Tendenz des Ganzen ſein.

147. Bei geringen oder negativen Erfolgen oder bei
der Überlegenheit des Gegners kann ſie aber auch in den
einzelnen Punkten ſo ſelten und ſo ſchwach ſein daß ſie
fuͤr das Ganze gar nicht vorhanden iſt.

148. Dieſe natuͤrliche Tendenz kann im Einzelnen
und im Allgemeinen zu unzeitigen Entſcheidungen fuͤhren,
iſt aber, weit entfernt darum ein Übel zu ſein, vielmehr
eine ganz nothwendige Eigenſchaft des Zerſtoͤrungsaktes,
weil ohne ſie viel verſaͤumt werden wuͤrde.

149. Das Urtheil des Fuͤhrers auf jedem Punkt
und des Feldherrn fuͤr das Allgemeine muß beſtimmen
ob die ſich darbietende Gelegenheit zu einer Entſcheidung
vortheilhaft iſt oder nicht, d. h. ob ſie nicht zu einem
Ruͤckſchlag und damit zu einem negativen Reſultat fuͤhrt.

150. Die Leitung eines Gefechts in Beziehung auf
die der Entſcheidung vorangehende Vorbereitung oder viel-
mehr Zubereitung deſſelben beſteht alſo darin ein Feuer-
gefecht und im weitern Sinne einen Zerſtoͤrungsakt anzu-
ordnen und demſelben eine angemeſſene Dauer zu geben,
d. h. die Entſcheidung erſt eintreten zu laſſen wenn man
glaubt daß der Zerſtoͤrungsakt eine hinreichende Wirkung
gethan hat.

151. Dieſes Urtheil wird aber nicht ſowohl nach
der Uhr abzunehmen ſein, nicht aus den bloßen Zeitver-
haͤltniſſen hervorgehen, ſondern aus den Umſtaͤnden welche
ſich ergeben haben, aus den Zeichen einer ſchon gewonne-
nen Überlegenheit.

152. Da nun der Zerſtoͤrungsakt, wenn er von gu-
tem Erfolg begleitet iſt, ſchon zur Entſcheidung ſelbſt

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <p><pb facs="#f0322" n="308"/>
wendeten Mittel &#x017F;ind oder je gro&#x0364;ßer die phy&#x017F;i&#x017F;che oder<lb/>
morali&#x017F;che Überlegenheit war, um &#x017F;o &#x017F;ta&#x0364;rker wird die&#x017F;e<lb/>
Tendenz des Ganzen &#x017F;ein.</p><lb/>
                <p>147. Bei geringen oder negativen Erfolgen oder bei<lb/>
der Überlegenheit des Gegners kann &#x017F;ie aber auch in den<lb/>
einzelnen Punkten &#x017F;o &#x017F;elten und &#x017F;o &#x017F;chwach &#x017F;ein daß &#x017F;ie<lb/>
fu&#x0364;r das Ganze gar nicht vorhanden i&#x017F;t.</p><lb/>
                <p>148. Die&#x017F;e natu&#x0364;rliche Tendenz kann im Einzelnen<lb/>
und im Allgemeinen zu unzeitigen Ent&#x017F;cheidungen fu&#x0364;hren,<lb/>
i&#x017F;t aber, weit entfernt darum ein Übel zu &#x017F;ein, vielmehr<lb/>
eine ganz nothwendige Eigen&#x017F;chaft des Zer&#x017F;to&#x0364;rungsaktes,<lb/>
weil ohne &#x017F;ie viel ver&#x017F;a&#x0364;umt werden wu&#x0364;rde.</p><lb/>
                <p>149. Das Urtheil des Fu&#x0364;hrers auf jedem Punkt<lb/>
und des Feldherrn fu&#x0364;r das Allgemeine muß be&#x017F;timmen<lb/>
ob die &#x017F;ich darbietende Gelegenheit zu einer Ent&#x017F;cheidung<lb/>
vortheilhaft i&#x017F;t oder nicht, d. h. ob &#x017F;ie nicht zu einem<lb/>
Ru&#x0364;ck&#x017F;chlag und damit zu einem <hi rendition="#g">negativen</hi> Re&#x017F;ultat fu&#x0364;hrt.</p><lb/>
                <p>150. Die Leitung eines Gefechts in Beziehung auf<lb/>
die der Ent&#x017F;cheidung vorangehende Vorbereitung oder viel-<lb/>
mehr Zubereitung de&#x017F;&#x017F;elben be&#x017F;teht al&#x017F;o darin ein Feuer-<lb/>
gefecht und im weitern Sinne einen Zer&#x017F;to&#x0364;rungsakt anzu-<lb/>
ordnen und dem&#x017F;elben eine angeme&#x017F;&#x017F;ene Dauer zu geben,<lb/>
d. h. die Ent&#x017F;cheidung er&#x017F;t eintreten zu la&#x017F;&#x017F;en wenn man<lb/>
glaubt daß der Zer&#x017F;to&#x0364;rungsakt eine hinreichende Wirkung<lb/>
gethan hat.</p><lb/>
                <p>151. Die&#x017F;es Urtheil wird aber nicht &#x017F;owohl nach<lb/>
der Uhr abzunehmen &#x017F;ein, nicht aus den bloßen Zeitver-<lb/>
ha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;en hervorgehen, &#x017F;ondern aus den Um&#x017F;ta&#x0364;nden welche<lb/>
&#x017F;ich ergeben haben, aus den Zeichen einer &#x017F;chon gewonne-<lb/>
nen Überlegenheit.</p><lb/>
                <p>152. Da nun der Zer&#x017F;to&#x0364;rungsakt, wenn er von gu-<lb/>
tem Erfolg begleitet i&#x017F;t, &#x017F;chon zur Ent&#x017F;cheidung &#x017F;elb&#x017F;t<lb/></p>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[308/0322] wendeten Mittel ſind oder je groͤßer die phyſiſche oder moraliſche Überlegenheit war, um ſo ſtaͤrker wird dieſe Tendenz des Ganzen ſein. 147. Bei geringen oder negativen Erfolgen oder bei der Überlegenheit des Gegners kann ſie aber auch in den einzelnen Punkten ſo ſelten und ſo ſchwach ſein daß ſie fuͤr das Ganze gar nicht vorhanden iſt. 148. Dieſe natuͤrliche Tendenz kann im Einzelnen und im Allgemeinen zu unzeitigen Entſcheidungen fuͤhren, iſt aber, weit entfernt darum ein Übel zu ſein, vielmehr eine ganz nothwendige Eigenſchaft des Zerſtoͤrungsaktes, weil ohne ſie viel verſaͤumt werden wuͤrde. 149. Das Urtheil des Fuͤhrers auf jedem Punkt und des Feldherrn fuͤr das Allgemeine muß beſtimmen ob die ſich darbietende Gelegenheit zu einer Entſcheidung vortheilhaft iſt oder nicht, d. h. ob ſie nicht zu einem Ruͤckſchlag und damit zu einem negativen Reſultat fuͤhrt. 150. Die Leitung eines Gefechts in Beziehung auf die der Entſcheidung vorangehende Vorbereitung oder viel- mehr Zubereitung deſſelben beſteht alſo darin ein Feuer- gefecht und im weitern Sinne einen Zerſtoͤrungsakt anzu- ordnen und demſelben eine angemeſſene Dauer zu geben, d. h. die Entſcheidung erſt eintreten zu laſſen wenn man glaubt daß der Zerſtoͤrungsakt eine hinreichende Wirkung gethan hat. 151. Dieſes Urtheil wird aber nicht ſowohl nach der Uhr abzunehmen ſein, nicht aus den bloßen Zeitver- haͤltniſſen hervorgehen, ſondern aus den Umſtaͤnden welche ſich ergeben haben, aus den Zeichen einer ſchon gewonne- nen Überlegenheit. 152. Da nun der Zerſtoͤrungsakt, wenn er von gu- tem Erfolg begleitet iſt, ſchon zur Entſcheidung ſelbſt

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Clausewitz' "Vom Kriege" erschien zu Lebzeiten de… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/clausewitz_krieg03_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/clausewitz_krieg03_1834/322
Zitationshilfe: Clausewitz, Carl von: Vom Kriege. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 308. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clausewitz_krieg03_1834/322>, abgerufen am 24.04.2024.