Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Erster Theil. Leipzig, 1804.

Bild:
<< vorherige Seite

p1c_X.001
Noch eine Betrachtung kommt hinzu, die Philosophen p1c_X.002
auf Bearbeitung dieses Feldes aufmerksam zu machen. Um p1c_X.003
durch Experimente im Empirischen für die Philosophie eine p1c_X.004
sichre Constitution zu Stande zu bringen, muß man für dieselbe p1c_X.005
einen Maaßstab auffinden, welcher im theoretischen p1c_X.006
ihr ein festes Urtheil zusichre. Es muß für sie etwas p1c_X.007
dem analoges aufgestellt werden, was in der Mathematik p1c_X.008
Evidenz durch Construction ist. Der Mathematiker hat keine p1c_X.009
Axiomen, als solche, die auf Evidenz beruhen. Der Philosoph, p1c_X.010
will er Axiomen erringen, muß sich auf eine andre, p1c_X.011
eine höhere Evidenz berufen können, als in den Formen p1c_X.012
der Sinnlichkeit enthalten ist.

p1c_X.013
Wie? wenn diese Evidenz, welche der Philosoph sucht, p1c_X.014
gerade nur auf der Höhe statt fände, wo Poesie und Philosophie, p1c_X.015
die größte Freyheit und die strengste Nothwendigkeit p1c_X.016
zusammentreffen? Wie, wenn die Amalgamation der Poesie p1c_X.017
und Philosophie zu einem eben nicht beliebten Mystizismus p1c_X.018
unserer Zeit gerade hierauf hindeutete, wenn eben die Erfahrung, p1c_X.019
daß jede philosophische Schule sich selbst zerstörte, p1c_X.020
sobald sie anfing uns einseitige Begriffe aufdringen p1c_X.021
zu wollen, nur bewiese, mit welcher Gewalt unser Zeitalter p1c_X.022
zu Jdeen fortgerissen wird? wenn die Evidenz dieser p1c_X.023
Jdeen, eben weil sie nur da liegen, wo Poesie und Phi=

p1c_X.001
Noch eine Betrachtung kommt hinzu, die Philosophen p1c_X.002
auf Bearbeitung dieses Feldes aufmerksam zu machen. Um p1c_X.003
durch Experimente im Empirischen für die Philosophie eine p1c_X.004
sichre Constitution zu Stande zu bringen, muß man für dieselbe p1c_X.005
einen Maaßstab auffinden, welcher im theoretischen p1c_X.006
ihr ein festes Urtheil zusichre. Es muß für sie etwas p1c_X.007
dem analoges aufgestellt werden, was in der Mathematik p1c_X.008
Evidenz durch Construction ist. Der Mathematiker hat keine p1c_X.009
Axiomen, als solche, die auf Evidenz beruhen. Der Philosoph, p1c_X.010
will er Axiomen erringen, muß sich auf eine andre, p1c_X.011
eine höhere Evidenz berufen können, als in den Formen p1c_X.012
der Sinnlichkeit enthalten ist.

p1c_X.013
Wie? wenn diese Evidenz, welche der Philosoph sucht, p1c_X.014
gerade nur auf der Höhe statt fände, wo Poesie und Philosophie, p1c_X.015
die größte Freyheit und die strengste Nothwendigkeit p1c_X.016
zusammentreffen? Wie, wenn die Amalgamation der Poesie p1c_X.017
und Philosophie zu einem eben nicht beliebten Mystizismus p1c_X.018
unserer Zeit gerade hierauf hindeutete, wenn eben die Erfahrung, p1c_X.019
daß jede philosophische Schule sich selbst zerstörte, p1c_X.020
sobald sie anfing uns einseitige Begriffe aufdringen p1c_X.021
zu wollen, nur bewiese, mit welcher Gewalt unser Zeitalter p1c_X.022
zu Jdeen fortgerissen wird? wenn die Evidenz dieser p1c_X.023
Jdeen, eben weil sie nur da liegen, wo Poesie und Phi=

<TEI>
  <text>
    <front>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0014" n="RX"/>
        <p><lb n="p1c_X.001"/>
Noch eine Betrachtung kommt hinzu, die Philosophen <lb n="p1c_X.002"/>
auf Bearbeitung dieses Feldes aufmerksam zu machen. Um <lb n="p1c_X.003"/>
durch Experimente im Empirischen für die Philosophie eine <lb n="p1c_X.004"/>
sichre Constitution zu Stande zu bringen, muß man für dieselbe <lb n="p1c_X.005"/>
einen Maaßstab auffinden, welcher im <hi rendition="#g">theoretischen</hi> <lb n="p1c_X.006"/>
ihr ein <hi rendition="#g">festes</hi> Urtheil zusichre. Es muß für sie etwas <lb n="p1c_X.007"/>
dem analoges aufgestellt werden, was in der Mathematik <lb n="p1c_X.008"/>
Evidenz durch Construction ist. Der Mathematiker hat keine <lb n="p1c_X.009"/>
Axiomen, als solche, die auf Evidenz beruhen. Der Philosoph, <lb n="p1c_X.010"/>
will er Axiomen erringen, muß sich auf eine andre, <lb n="p1c_X.011"/>
eine <hi rendition="#g">höhere Evidenz</hi> berufen können, als in den Formen <lb n="p1c_X.012"/>
der Sinnlichkeit enthalten ist.</p>
        <p><lb n="p1c_X.013"/>
Wie? wenn diese Evidenz, welche der Philosoph sucht, <lb n="p1c_X.014"/>
gerade nur auf der Höhe statt fände, wo Poesie und Philosophie, <lb n="p1c_X.015"/>
die größte Freyheit und die strengste Nothwendigkeit <lb n="p1c_X.016"/>
zusammentreffen? Wie, wenn die Amalgamation der Poesie <lb n="p1c_X.017"/>
und Philosophie zu einem eben nicht beliebten Mystizismus <lb n="p1c_X.018"/>
unserer Zeit gerade hierauf hindeutete, wenn eben die Erfahrung, <lb n="p1c_X.019"/>
daß jede philosophische Schule sich selbst zerstörte, <lb n="p1c_X.020"/>
sobald sie anfing uns <hi rendition="#g">einseitige Begriffe</hi> aufdringen <lb n="p1c_X.021"/>
zu wollen, nur bewiese, mit welcher Gewalt unser Zeitalter <lb n="p1c_X.022"/>
zu <hi rendition="#g">Jdeen</hi> fortgerissen wird? wenn die <hi rendition="#g">Evidenz</hi> dieser <lb n="p1c_X.023"/>
Jdeen, eben weil sie nur da liegen, wo <hi rendition="#g">Poesie</hi> und <hi rendition="#g">Phi=
</hi></p>
      </div>
    </front>
  </text>
</TEI>
[RX/0014] p1c_X.001 Noch eine Betrachtung kommt hinzu, die Philosophen p1c_X.002 auf Bearbeitung dieses Feldes aufmerksam zu machen. Um p1c_X.003 durch Experimente im Empirischen für die Philosophie eine p1c_X.004 sichre Constitution zu Stande zu bringen, muß man für dieselbe p1c_X.005 einen Maaßstab auffinden, welcher im theoretischen p1c_X.006 ihr ein festes Urtheil zusichre. Es muß für sie etwas p1c_X.007 dem analoges aufgestellt werden, was in der Mathematik p1c_X.008 Evidenz durch Construction ist. Der Mathematiker hat keine p1c_X.009 Axiomen, als solche, die auf Evidenz beruhen. Der Philosoph, p1c_X.010 will er Axiomen erringen, muß sich auf eine andre, p1c_X.011 eine höhere Evidenz berufen können, als in den Formen p1c_X.012 der Sinnlichkeit enthalten ist. p1c_X.013 Wie? wenn diese Evidenz, welche der Philosoph sucht, p1c_X.014 gerade nur auf der Höhe statt fände, wo Poesie und Philosophie, p1c_X.015 die größte Freyheit und die strengste Nothwendigkeit p1c_X.016 zusammentreffen? Wie, wenn die Amalgamation der Poesie p1c_X.017 und Philosophie zu einem eben nicht beliebten Mystizismus p1c_X.018 unserer Zeit gerade hierauf hindeutete, wenn eben die Erfahrung, p1c_X.019 daß jede philosophische Schule sich selbst zerstörte, p1c_X.020 sobald sie anfing uns einseitige Begriffe aufdringen p1c_X.021 zu wollen, nur bewiese, mit welcher Gewalt unser Zeitalter p1c_X.022 zu Jdeen fortgerissen wird? wenn die Evidenz dieser p1c_X.023 Jdeen, eben weil sie nur da liegen, wo Poesie und Phi=

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Technische Universität Darmstadt, Universität Stuttgart: Bereitstellung der Scan-Digitalisate und der Texttranskription. (2015-09-30T09:54:39Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
TextGrid/DARIAH-DE: Langfristige Bereitstellung der TextGrid/DARIAH-DE-Repository-Ausgabe
Stefan Alscher: Bearbeitung der digitalen Edition - Annotation des Metaphernbegriffs
Hans-Werner Bartz: Bearbeitung der digitalen Edition - Tustep-Unterstützung
Michael Bender: Bearbeitung der digitalen Edition - Koordination, Konzeption (Korpusaufbau, Annotationsschema, Workflow, Publikationsformen), Annotation des Metaphernbegriffs, XML-Auszeichnung)
Leonie Blumenschein: Bearbeitung der digitalen Edition - XML-Auszeichnung
David Glück: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung, Annotation des Metaphernbegriffs, XSL+JavaScript
Constanze Hahn: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung
Philipp Hegel: Bearbeitung der digitalen Edition - XML/XSL/CSS-Unterstützung
Andrea Rapp: ePoetics-Projekt-Koordination

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: nicht übernommen; Kustoden: nicht übernommen; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): wie Vorlage; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: nicht übernommen; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/clodius_poetik01_1804
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/clodius_poetik01_1804/14
Zitationshilfe: Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Erster Theil. Leipzig, 1804, S. RX. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clodius_poetik01_1804/14>, abgerufen am 28.03.2024.