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Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889].

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erträglichsten Seite, malte Schwarz in Schwarz. Adam
hatte auf dem Boden seiner Natur sehr bedeutende
Neigungen für ein beschauliches Künstlerleben. Aber
früh war er in allerlei Mißverhältnisse gerathen,
die seinen anfangs ziemlich schwachen, nachher immer-
mehr gewachsenen Widerspruch herausgefordert. Wenn
es irgend anging, lebte er mit der Welt am Liebsten
in Frieden, das heißt: hielt er sich diese feudale
Welt zehn Schritt vom Leibe --: um damit den er-
forderlichen, günstigen Beobachtungsstandpunkt zu ge-
winnen, wie er sich mit liebenswürdiger Schalkhaftig-
keit vorlog. Aber zugleich war doch in seine Natur
ein heftiger, fahriger, unruhiger, widerspruchssüchtiger,
bekehrungswüthiger Zug gekommen, der ihn immer
wieder mitten in die Dinge hineinriß .. und mit
der Zeit seiner ganzen Persönlichkeit immermehr et-
was Herausforderndes, abweisend Kritisches, Aetzen-
des gegeben hatte. Ein gewisser Leichtsinn, dessen
Keim Adam jedenfalls von seinem Vater ererbt;
eine behende Sorglosigkeit ermöglichten es ihm dann
öfter, eine Weile seelenvergnügt in Verhältnissen aus-
zuhalten, die sehr unerquicklich und peinlich werden
mußten, wenn sie sich zuspitzten. Adam war sich
dieses unangenehmen Endes auch klar bewußt. Seine
Phantasie war ja sehr werklustig und übertreibungs-
kundig, sehr ausmalungsbeflissen. Aber er hielt es
nicht der Mühe für werth, Versuche zu machen, um
jenes unangenehme Ende abzuwenden oder, war das
nicht möglich, wenigstens abzuschwächen. Er war
nicht einmal im Stande, sich auf widerwärtige fünfte

erträglichſten Seite, malte Schwarz in Schwarz. Adam
hatte auf dem Boden ſeiner Natur ſehr bedeutende
Neigungen für ein beſchauliches Künſtlerleben. Aber
früh war er in allerlei Mißverhältniſſe gerathen,
die ſeinen anfangs ziemlich ſchwachen, nachher immer-
mehr gewachſenen Widerſpruch herausgefordert. Wenn
es irgend anging, lebte er mit der Welt am Liebſten
in Frieden, das heißt: hielt er ſich dieſe feudale
Welt zehn Schritt vom Leibe —: um damit den er-
forderlichen, günſtigen Beobachtungsſtandpunkt zu ge-
winnen, wie er ſich mit liebenswürdiger Schalkhaftig-
keit vorlog. Aber zugleich war doch in ſeine Natur
ein heftiger, fahriger, unruhiger, widerſpruchsſüchtiger,
bekehrungswüthiger Zug gekommen, der ihn immer
wieder mitten in die Dinge hineinriß .. und mit
der Zeit ſeiner ganzen Perſönlichkeit immermehr et-
was Herausforderndes, abweiſend Kritiſches, Aetzen-
des gegeben hatte. Ein gewiſſer Leichtſinn, deſſen
Keim Adam jedenfalls von ſeinem Vater ererbt;
eine behende Sorgloſigkeit ermöglichten es ihm dann
öfter, eine Weile ſeelenvergnügt in Verhältniſſen aus-
zuhalten, die ſehr unerquicklich und peinlich werden
mußten, wenn ſie ſich zuſpitzten. Adam war ſich
dieſes unangenehmen Endes auch klar bewußt. Seine
Phantaſie war ja ſehr werkluſtig und übertreibungs-
kundig, ſehr ausmalungsbefliſſen. Aber er hielt es
nicht der Mühe für werth, Verſuche zu machen, um
jenes unangenehme Ende abzuwenden oder, war das
nicht möglich, wenigſtens abzuſchwächen. Er war
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[326/0334] erträglichſten Seite, malte Schwarz in Schwarz. Adam hatte auf dem Boden ſeiner Natur ſehr bedeutende Neigungen für ein beſchauliches Künſtlerleben. Aber früh war er in allerlei Mißverhältniſſe gerathen, die ſeinen anfangs ziemlich ſchwachen, nachher immer- mehr gewachſenen Widerſpruch herausgefordert. Wenn es irgend anging, lebte er mit der Welt am Liebſten in Frieden, das heißt: hielt er ſich dieſe feudale Welt zehn Schritt vom Leibe —: um damit den er- forderlichen, günſtigen Beobachtungsſtandpunkt zu ge- winnen, wie er ſich mit liebenswürdiger Schalkhaftig- keit vorlog. Aber zugleich war doch in ſeine Natur ein heftiger, fahriger, unruhiger, widerſpruchsſüchtiger, bekehrungswüthiger Zug gekommen, der ihn immer wieder mitten in die Dinge hineinriß .. und mit der Zeit ſeiner ganzen Perſönlichkeit immermehr et- was Herausforderndes, abweiſend Kritiſches, Aetzen- des gegeben hatte. Ein gewiſſer Leichtſinn, deſſen Keim Adam jedenfalls von ſeinem Vater ererbt; eine behende Sorgloſigkeit ermöglichten es ihm dann öfter, eine Weile ſeelenvergnügt in Verhältniſſen aus- zuhalten, die ſehr unerquicklich und peinlich werden mußten, wenn ſie ſich zuſpitzten. Adam war ſich dieſes unangenehmen Endes auch klar bewußt. Seine Phantaſie war ja ſehr werkluſtig und übertreibungs- kundig, ſehr ausmalungsbefliſſen. Aber er hielt es nicht der Mühe für werth, Verſuche zu machen, um jenes unangenehme Ende abzuwenden oder, war das nicht möglich, wenigſtens abzuſchwächen. Er war nicht einmal im Stande, ſich auf widerwärtige fünfte

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Zitationshilfe: Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889], S. 326. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/conradi_adam_1889/334>, abgerufen am 23.04.2024.