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Curtius, Georg: Zur Kritik der neuesten Sprachforschung. Leipzig, 1885.

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verloren hätten. Wir glaubten oben S. 27 f. für den vereinzelten
Abfall dieser Wörter einen, wie mich dünkt, sehr einfachen
Erklärungsgrund zu finden. Allerdings beruht dieser Verlust
nicht auf einem Lautgesetz, ebenso wenig wie das volkstüm-
liche englische bus für omnibus, scheint mir aber doch, und ich
hoffe nicht mir allein, viel glaublicher, als die Existenz jener
angenommenen Grundformen, die für das Griechische unerhörte
Lautgruppen enthalten. Es ist wahr, in verschiedenen Spra-
chen findet man bisweilen Lautgruppen, die uns im höchsten
Grade befremden. Man muss daher mit dem Prädicat un-
möglich
vorsichtig sein; aber, wer kühne Gebilde der Art
behauptet, thäte doch gut, das Volk oder den Stamm beizu-
fügen, bei denen dergleichen vorkommt, auch wenn es etwa
eine afrikanische Sprache wäre. Wie denn z. B. der in den
letzten Jahren oft genannte König Mtesa ein trefflicher Beleg
für die Möglichkeit eines m sonans vor einem Consonanten
sein würde. Vielleicht erblüht aus den in Afrika vorberei-
teten Ansiedlungen Deutscher auch der Sprachwissenschaft
noch einmal unerwarteter Gewinn, ob auch der indogerma-
nischen, ist freilich zweifelhaft.


Curtius, Zur Kritik. 9

verloren hätten. Wir glaubten oben S. 27 f. für den vereinzelten
Abfall dieser Wörter einen, wie mich dünkt, sehr einfachen
Erklärungsgrund zu finden. Allerdings beruht dieser Verlust
nicht auf einem Lautgesetz, ebenso wenig wie das volkstüm-
liche englische bus für omnibus, scheint mir aber doch, und ich
hoffe nicht mir allein, viel glaublicher, als die Existenz jener
angenommenen Grundformen, die für das Griechische unerhörte
Lautgruppen enthalten. Es ist wahr, in verschiedenen Spra-
chen findet man bisweilen Lautgruppen, die uns im höchsten
Grade befremden. Man muss daher mit dem Prädicat un-
möglich
vorsichtig sein; aber, wer kühne Gebilde der Art
behauptet, thäte doch gut, das Volk oder den Stamm beizu-
fügen, bei denen dergleichen vorkommt, auch wenn es etwa
eine afrikanische Sprache wäre. Wie denn z. B. der in den
letzten Jahren oft genannte König Mtesa ein trefflicher Beleg
für die Möglichkeit eines m sonans vor einem Consonanten
sein würde. Vielleicht erblüht aus den in Afrika vorberei-
teten Ansiedlungen Deutscher auch der Sprachwissenschaft
noch einmal unerwarteter Gewinn, ob auch der indogerma-
nischen, ist freilich zweifelhaft.


Curtius, Zur Kritik. 9
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[129/0137] verloren hätten. Wir glaubten oben S. 27 f. für den vereinzelten Abfall dieser Wörter einen, wie mich dünkt, sehr einfachen Erklärungsgrund zu finden. Allerdings beruht dieser Verlust nicht auf einem Lautgesetz, ebenso wenig wie das volkstüm- liche englische bus für omnibus, scheint mir aber doch, und ich hoffe nicht mir allein, viel glaublicher, als die Existenz jener angenommenen Grundformen, die für das Griechische unerhörte Lautgruppen enthalten. Es ist wahr, in verschiedenen Spra- chen findet man bisweilen Lautgruppen, die uns im höchsten Grade befremden. Man muss daher mit dem Prädicat un- möglich vorsichtig sein; aber, wer kühne Gebilde der Art behauptet, thäte doch gut, das Volk oder den Stamm beizu- fügen, bei denen dergleichen vorkommt, auch wenn es etwa eine afrikanische Sprache wäre. Wie denn z. B. der in den letzten Jahren oft genannte König Mtesa ein trefflicher Beleg für die Möglichkeit eines m sonans vor einem Consonanten sein würde. Vielleicht erblüht aus den in Afrika vorberei- teten Ansiedlungen Deutscher auch der Sprachwissenschaft noch einmal unerwarteter Gewinn, ob auch der indogerma- nischen, ist freilich zweifelhaft. Curtius, Zur Kritik. 9

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Zitationshilfe: Curtius, Georg: Zur Kritik der neuesten Sprachforschung. Leipzig, 1885, S. 129. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/curtius_sprachforschung_1885/137>, abgerufen am 29.03.2024.