Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845.

Bild:
<< vorherige Seite
4. Die pariser Revolution.

Als der Ceremonienmeister verschwunden war, sprach
Sieyes: "Das französische Volk hat uns gesendet und wir
haben geschworen es in seinen Rechten wiederherzustellen.
Welche Macht auf Erden könnte Euch das Recht rauben,
Eure Sender zu vertreten? Wir sind heute was wir gestern
waren, laßt uns berathschlagen." Auf Mirabeau's Vor-
schlag erklärte die Nationalversammlung jedes ihrer Mit-
glieder für unverletzlich, wer dagegen handelt, soll als
ehrlos und Verräther an der Nation, als schuldig eines
Kapitalverbrechens behandelt werden. Die anwesenden
Mitglieder der Geistlichkeit nahmen, insoweit ihre Voll-
machten geprüft waren, an der Abstimmung Theil.

Längst war was im Saale geschehen auch draußen in
der Stadt verbreitet. Schon als der König durch die lange
Hecke, welche Tausende von Soldaten bildeten, in sein
Schloß zurückkehrte, war man unterrichtet, und die Menge
stand lautlos da, kein Ruf der Liebe erscholl. Als der
Marquis de Breze erschien, seine Meldung machte, sprach

4. Die pariſer Revolution.

Als der Ceremonienmeiſter verſchwunden war, ſprach
Sieyes: „Das franzöſiſche Volk hat uns geſendet und wir
haben geſchworen es in ſeinen Rechten wiederherzuſtellen.
Welche Macht auf Erden könnte Euch das Recht rauben,
Eure Sender zu vertreten? Wir ſind heute was wir geſtern
waren, laßt uns berathſchlagen.“ Auf Mirabeau’s Vor-
ſchlag erklärte die Nationalverſammlung jedes ihrer Mit-
glieder für unverletzlich, wer dagegen handelt, ſoll als
ehrlos und Verräther an der Nation, als ſchuldig eines
Kapitalverbrechens behandelt werden. Die anweſenden
Mitglieder der Geiſtlichkeit nahmen, inſoweit ihre Voll-
machten geprüft waren, an der Abſtimmung Theil.

Längſt war was im Saale geſchehen auch draußen in
der Stadt verbreitet. Schon als der König durch die lange
Hecke, welche Tauſende von Soldaten bildeten, in ſein
Schloß zurückkehrte, war man unterrichtet, und die Menge
ſtand lautlos da, kein Ruf der Liebe erſcholl. Als der
Marquis de Brézé erſchien, ſeine Meldung machte, ſprach

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0225" n="[215]"/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">4. Die pari&#x017F;er Revolution.</hi> </head><lb/>
          <p>Als der Ceremonienmei&#x017F;ter ver&#x017F;chwunden war, &#x017F;prach<lb/>
Sieyes: &#x201E;Das franzö&#x017F;i&#x017F;che Volk hat uns ge&#x017F;endet und wir<lb/>
haben ge&#x017F;chworen es in &#x017F;einen Rechten wiederherzu&#x017F;tellen.<lb/>
Welche Macht auf Erden könnte Euch das Recht rauben,<lb/>
Eure Sender zu vertreten? Wir &#x017F;ind heute was wir ge&#x017F;tern<lb/>
waren, laßt uns berath&#x017F;chlagen.&#x201C; Auf Mirabeau&#x2019;s Vor-<lb/>
&#x017F;chlag erklärte die Nationalver&#x017F;ammlung jedes ihrer Mit-<lb/>
glieder für unverletzlich, wer dagegen handelt, &#x017F;oll als<lb/>
ehrlos und Verräther an der Nation, als &#x017F;chuldig eines<lb/>
Kapitalverbrechens behandelt werden. Die anwe&#x017F;enden<lb/>
Mitglieder der Gei&#x017F;tlichkeit nahmen, in&#x017F;oweit ihre Voll-<lb/>
machten geprüft waren, an der Ab&#x017F;timmung Theil.</p><lb/>
          <p>Läng&#x017F;t war was im Saale ge&#x017F;chehen auch draußen in<lb/>
der Stadt verbreitet. Schon als der König durch die lange<lb/>
Hecke, welche Tau&#x017F;ende von Soldaten bildeten, in &#x017F;ein<lb/>
Schloß zurückkehrte, war man unterrichtet, und die Menge<lb/>
&#x017F;tand lautlos da, kein Ruf der Liebe er&#x017F;choll. Als der<lb/>
Marquis de Brézé er&#x017F;chien, &#x017F;eine Meldung machte, &#x017F;prach<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[[215]/0225] 4. Die pariſer Revolution. Als der Ceremonienmeiſter verſchwunden war, ſprach Sieyes: „Das franzöſiſche Volk hat uns geſendet und wir haben geſchworen es in ſeinen Rechten wiederherzuſtellen. Welche Macht auf Erden könnte Euch das Recht rauben, Eure Sender zu vertreten? Wir ſind heute was wir geſtern waren, laßt uns berathſchlagen.“ Auf Mirabeau’s Vor- ſchlag erklärte die Nationalverſammlung jedes ihrer Mit- glieder für unverletzlich, wer dagegen handelt, ſoll als ehrlos und Verräther an der Nation, als ſchuldig eines Kapitalverbrechens behandelt werden. Die anweſenden Mitglieder der Geiſtlichkeit nahmen, inſoweit ihre Voll- machten geprüft waren, an der Abſtimmung Theil. Längſt war was im Saale geſchehen auch draußen in der Stadt verbreitet. Schon als der König durch die lange Hecke, welche Tauſende von Soldaten bildeten, in ſein Schloß zurückkehrte, war man unterrichtet, und die Menge ſtand lautlos da, kein Ruf der Liebe erſcholl. Als der Marquis de Brézé erſchien, ſeine Meldung machte, ſprach

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/225
Zitationshilfe: Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845, S. [215]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/225>, abgerufen am 25.04.2024.