Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Dahlmann, Friedrich Christoph: Die Politik, auf den Grund und das Maaß der gegebenen Zustände zurückgeführt. Bd. 1: Staatsverfassung. Volksbildung. Göttingen, 1835.

Bild:
<< vorherige Seite

Theilung der Ständeversamml. in Kammern.
Form ein. Merklich anders freilich gestaltet sich die Sache,
wo am Bestehenden bloß umzubilden ist. Doch wird auch
hier für die Aufnahme alles dessen, was den Staat wirk-
lich stützt, ihn mit sächlichen und persönlichen Gütern ver-
sieht, die erste Sorge zu tragen seyn. Überall müssen in
die Lücken des Herkommens die frei geschaffenen Nothwen-
digkeiten der politischen Institutionen treten, wie man
Festungen baut, um den gelichteten Boden, früher durch
Wald und Moor vertheidigt, nun künstlich zu beschützen.
Aber das Land ist nicht um der Festungen Willen da, und
das Klima ist vielleicht etwas kälter geworden.

142. Fassen wir die Dinge im Ganzen und Großen.
Dieselbe Macht der Geschichte, welche überall dahin, wo
früher Dienste standen, das Geld gesetzt hat, vermöge
dessen nunmehr der Staat sich selber bedient, welche an
die Stelle der überlieferten Sitte die Gründe wä-
gende Einsicht gesetzt hat, und eine öffentliche Mei-
nung
an die Stelle der Standes-Meinung -- eben
sie ist es, welche die alten Landstände zusammenrücken heißt
zu einer Volksvertretung, die allgemeinverbindliche Gesetze
und Geld-Abgaben bewilligt, alle Regierungsrechte aber,
der Stände und der Einzelnen, an den besser erkannten
Staat zurückstellt.

Theilung der Ständeversammlung in Kammern.

143. Was man mit einem Mittel abthun kann,
dafür, spricht die Theorie, soll man zwei nicht anwenden.
Ein Volk, eine Kammer; so gelangt sich's schnell durch
Erfragung der einfachen Mehrheit zum Ziele. -- Aber
auch zum rechten Ziele?

Theilung der Staͤndeverſamml. in Kammern.
Form ein. Merklich anders freilich geſtaltet ſich die Sache,
wo am Beſtehenden bloß umzubilden iſt. Doch wird auch
hier fuͤr die Aufnahme alles deſſen, was den Staat wirk-
lich ſtuͤtzt, ihn mit ſaͤchlichen und perſoͤnlichen Guͤtern ver-
ſieht, die erſte Sorge zu tragen ſeyn. Überall muͤſſen in
die Luͤcken des Herkommens die frei geſchaffenen Nothwen-
digkeiten der politiſchen Inſtitutionen treten, wie man
Feſtungen baut, um den gelichteten Boden, fruͤher durch
Wald und Moor vertheidigt, nun kuͤnſtlich zu beſchuͤtzen.
Aber das Land iſt nicht um der Feſtungen Willen da, und
das Klima iſt vielleicht etwas kaͤlter geworden.

142. Faſſen wir die Dinge im Ganzen und Großen.
Dieſelbe Macht der Geſchichte, welche uͤberall dahin, wo
fruͤher Dienſte ſtanden, das Geld geſetzt hat, vermoͤge
deſſen nunmehr der Staat ſich ſelber bedient, welche an
die Stelle der uͤberlieferten Sitte die Gruͤnde waͤ-
gende Einſicht geſetzt hat, und eine oͤffentliche Mei-
nung
an die Stelle der Standes-Meinung — eben
ſie iſt es, welche die alten Landſtaͤnde zuſammenruͤcken heißt
zu einer Volksvertretung, die allgemeinverbindliche Geſetze
und Geld-Abgaben bewilligt, alle Regierungsrechte aber,
der Staͤnde und der Einzelnen, an den beſſer erkannten
Staat zuruͤckſtellt.

Theilung der Ständeverſammlung in Kammern.

143. Was man mit einem Mittel abthun kann,
dafuͤr, ſpricht die Theorie, ſoll man zwei nicht anwenden.
Ein Volk, eine Kammer; ſo gelangt ſich’s ſchnell durch
Erfragung der einfachen Mehrheit zum Ziele. — Aber
auch zum rechten Ziele?

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0133" n="121"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Theilung der Sta&#x0364;ndever&#x017F;amml. in Kammern</hi>.</fw><lb/>
Form ein. Merklich anders freilich ge&#x017F;taltet &#x017F;ich die Sache,<lb/>
wo am Be&#x017F;tehenden bloß umzubilden i&#x017F;t. Doch wird auch<lb/>
hier fu&#x0364;r die Aufnahme alles de&#x017F;&#x017F;en, was den Staat wirk-<lb/>
lich &#x017F;tu&#x0364;tzt, ihn mit &#x017F;a&#x0364;chlichen und per&#x017F;o&#x0364;nlichen Gu&#x0364;tern ver-<lb/>
&#x017F;ieht, die er&#x017F;te Sorge zu tragen &#x017F;eyn. Überall mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en in<lb/>
die Lu&#x0364;cken des Herkommens die frei ge&#x017F;chaffenen Nothwen-<lb/>
digkeiten der politi&#x017F;chen In&#x017F;titutionen treten, wie man<lb/>
Fe&#x017F;tungen baut, um den gelichteten Boden, fru&#x0364;her durch<lb/>
Wald und Moor vertheidigt, nun ku&#x0364;n&#x017F;tlich zu be&#x017F;chu&#x0364;tzen.<lb/>
Aber das Land i&#x017F;t nicht um der Fe&#x017F;tungen Willen da, und<lb/>
das Klima i&#x017F;t vielleicht etwas ka&#x0364;lter geworden.</p><lb/>
              <p>142. Fa&#x017F;&#x017F;en wir die Dinge im Ganzen und Großen.<lb/>
Die&#x017F;elbe Macht der Ge&#x017F;chichte, welche u&#x0364;berall dahin, wo<lb/>
fru&#x0364;her <hi rendition="#g">Dien&#x017F;te</hi> &#x017F;tanden, das <hi rendition="#g">Geld</hi> ge&#x017F;etzt hat, vermo&#x0364;ge<lb/>
de&#x017F;&#x017F;en nunmehr der Staat &#x017F;ich &#x017F;elber bedient, welche an<lb/>
die Stelle der <hi rendition="#g">u&#x0364;berlieferten Sitte</hi> die Gru&#x0364;nde wa&#x0364;-<lb/>
gende <hi rendition="#g">Ein&#x017F;icht</hi> ge&#x017F;etzt hat, und eine <hi rendition="#g">o&#x0364;ffentliche Mei-<lb/>
nung</hi> an die Stelle der <hi rendition="#g">Standes-Meinung</hi> &#x2014; eben<lb/>
&#x017F;ie i&#x017F;t es, welche die alten Land&#x017F;ta&#x0364;nde zu&#x017F;ammenru&#x0364;cken heißt<lb/>
zu einer Volksvertretung, die allgemeinverbindliche Ge&#x017F;etze<lb/>
und Geld-Abgaben bewilligt, alle Regierungsrechte aber,<lb/>
der Sta&#x0364;nde und der Einzelnen, an den be&#x017F;&#x017F;er erkannten<lb/>
Staat zuru&#x0364;ck&#x017F;tellt.</p>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head><hi rendition="#g">Theilung der Ständever&#x017F;ammlung in Kammern</hi>.</head><lb/>
              <p>143. Was man mit <hi rendition="#g">einem</hi> Mittel abthun kann,<lb/>
dafu&#x0364;r, &#x017F;pricht die Theorie, &#x017F;oll man zwei nicht anwenden.<lb/><hi rendition="#g">Ein</hi> Volk, <hi rendition="#g">eine</hi> Kammer; &#x017F;o gelangt &#x017F;ich&#x2019;s &#x017F;chnell durch<lb/>
Erfragung der einfachen Mehrheit zum Ziele. &#x2014; Aber<lb/>
auch zum rechten Ziele?</p><lb/>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[121/0133] Theilung der Staͤndeverſamml. in Kammern. Form ein. Merklich anders freilich geſtaltet ſich die Sache, wo am Beſtehenden bloß umzubilden iſt. Doch wird auch hier fuͤr die Aufnahme alles deſſen, was den Staat wirk- lich ſtuͤtzt, ihn mit ſaͤchlichen und perſoͤnlichen Guͤtern ver- ſieht, die erſte Sorge zu tragen ſeyn. Überall muͤſſen in die Luͤcken des Herkommens die frei geſchaffenen Nothwen- digkeiten der politiſchen Inſtitutionen treten, wie man Feſtungen baut, um den gelichteten Boden, fruͤher durch Wald und Moor vertheidigt, nun kuͤnſtlich zu beſchuͤtzen. Aber das Land iſt nicht um der Feſtungen Willen da, und das Klima iſt vielleicht etwas kaͤlter geworden. 142. Faſſen wir die Dinge im Ganzen und Großen. Dieſelbe Macht der Geſchichte, welche uͤberall dahin, wo fruͤher Dienſte ſtanden, das Geld geſetzt hat, vermoͤge deſſen nunmehr der Staat ſich ſelber bedient, welche an die Stelle der uͤberlieferten Sitte die Gruͤnde waͤ- gende Einſicht geſetzt hat, und eine oͤffentliche Mei- nung an die Stelle der Standes-Meinung — eben ſie iſt es, welche die alten Landſtaͤnde zuſammenruͤcken heißt zu einer Volksvertretung, die allgemeinverbindliche Geſetze und Geld-Abgaben bewilligt, alle Regierungsrechte aber, der Staͤnde und der Einzelnen, an den beſſer erkannten Staat zuruͤckſtellt. Theilung der Ständeverſammlung in Kammern. 143. Was man mit einem Mittel abthun kann, dafuͤr, ſpricht die Theorie, ſoll man zwei nicht anwenden. Ein Volk, eine Kammer; ſo gelangt ſich’s ſchnell durch Erfragung der einfachen Mehrheit zum Ziele. — Aber auch zum rechten Ziele?

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_politik_1835
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_politik_1835/133
Zitationshilfe: Dahlmann, Friedrich Christoph: Die Politik, auf den Grund und das Maaß der gegebenen Zustände zurückgeführt. Bd. 1: Staatsverfassung. Volksbildung. Göttingen, 1835, S. 121. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_politik_1835/133>, abgerufen am 28.03.2024.