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Dahlmann, Friedrich Christoph: Die Politik, auf den Grund und das Maaß der gegebenen Zustände zurückgeführt. Bd. 1: Staatsverfassung. Volksbildung. Göttingen, 1835.

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Sechstes Capitel.
Landstädten) ist das freilich nicht der Fall und es können
deren mehrere zusammengefaßt, oder besser einzelne zu dem
nächsten ländlichen Bezirk gelegt werden.

153. Durchaus auch bedarf es keiner besonderen Re-
präsentation der sogenannten Intelligenz, die, worauf be-
sonders Pölitz dringt, ein Drittel der Wahlkammer aus-
füllen soll, aus Beamten, Geistlichen, Gelehrten, Ärzten,
Künstlern zusammengebracht. Ein compelle intrare ist
hier überflüßig, sie finden sich von selber ein. Ehemahls
war dieses Element anwesend in der Form der Geistlich-
keit, als an der alle wissenschaftliche und künstlerische Bil-
dung haftete. Gegenwärtig findet jeder Stand, in wel-
chem mehr mit den Gehirnnerven als mit den Nerven
des Rückenmarks gearbeitet wird, ein offenes Thor für
die höhere Bildung. Sie hat ihr Standesgebiet aufgege-
ben. Eine Vertretung aber der Kirche und der Wissen-
schaft als solcher gehört für die Ständeversammlung nicht,
welche weder liturgische Ketzer verurtheilen, noch philoso-
phische Systeme mit Gesetzes Kraft versehen soll. Ihre
immer wiederkehrende Aufgabe ist der Rechts-Schutz für
Personen und Eigenthum und eben daher auch die Fest-
setzung der Leistungen, die dem Staate durch Person und
Eigenthum zu bringen sind. Dabei kommt auch eine
Seite des Kirchen- und Unterricht-Wesens in Frage,
und gewiß ist es nützlich, wenn ein Paar Mitglieder der
Geistlichkeit in der Kammer in dieser Hinsicht Rede stehen,
zumahl die Leitung des Volk-Schulwesens billig in geist-
lichen Händen liegt; aber sie werden sich als Grenzhüter
betrachten, Eingriffen wehren, positiv hier nichts begrün-
den wollen.

Die alte Landstandschaft der Universitäten leitet sich

Sechstes Capitel.
Landſtaͤdten) iſt das freilich nicht der Fall und es koͤnnen
deren mehrere zuſammengefaßt, oder beſſer einzelne zu dem
naͤchſten laͤndlichen Bezirk gelegt werden.

153. Durchaus auch bedarf es keiner beſonderen Re-
praͤſentation der ſogenannten Intelligenz, die, worauf be-
ſonders Poͤlitz dringt, ein Drittel der Wahlkammer aus-
fuͤllen ſoll, aus Beamten, Geiſtlichen, Gelehrten, Ärzten,
Kuͤnſtlern zuſammengebracht. Ein compelle intrare iſt
hier uͤberfluͤßig, ſie finden ſich von ſelber ein. Ehemahls
war dieſes Element anweſend in der Form der Geiſtlich-
keit, als an der alle wiſſenſchaftliche und kuͤnſtleriſche Bil-
dung haftete. Gegenwaͤrtig findet jeder Stand, in wel-
chem mehr mit den Gehirnnerven als mit den Nerven
des Ruͤckenmarks gearbeitet wird, ein offenes Thor fuͤr
die hoͤhere Bildung. Sie hat ihr Standesgebiet aufgege-
ben. Eine Vertretung aber der Kirche und der Wiſſen-
ſchaft als ſolcher gehoͤrt fuͤr die Staͤndeverſammlung nicht,
welche weder liturgiſche Ketzer verurtheilen, noch philoſo-
phiſche Syſteme mit Geſetzes Kraft verſehen ſoll. Ihre
immer wiederkehrende Aufgabe iſt der Rechts-Schutz fuͤr
Perſonen und Eigenthum und eben daher auch die Feſt-
ſetzung der Leiſtungen, die dem Staate durch Perſon und
Eigenthum zu bringen ſind. Dabei kommt auch eine
Seite des Kirchen- und Unterricht-Weſens in Frage,
und gewiß iſt es nuͤtzlich, wenn ein Paar Mitglieder der
Geiſtlichkeit in der Kammer in dieſer Hinſicht Rede ſtehen,
zumahl die Leitung des Volk-Schulweſens billig in geiſt-
lichen Haͤnden liegt; aber ſie werden ſich als Grenzhuͤter
betrachten, Eingriffen wehren, poſitiv hier nichts begruͤn-
den wollen.

Die alte Landſtandſchaft der Univerſitaͤten leitet ſich

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[130/0142] Sechstes Capitel. Landſtaͤdten) iſt das freilich nicht der Fall und es koͤnnen deren mehrere zuſammengefaßt, oder beſſer einzelne zu dem naͤchſten laͤndlichen Bezirk gelegt werden. 153. Durchaus auch bedarf es keiner beſonderen Re- praͤſentation der ſogenannten Intelligenz, die, worauf be- ſonders Poͤlitz dringt, ein Drittel der Wahlkammer aus- fuͤllen ſoll, aus Beamten, Geiſtlichen, Gelehrten, Ärzten, Kuͤnſtlern zuſammengebracht. Ein compelle intrare iſt hier uͤberfluͤßig, ſie finden ſich von ſelber ein. Ehemahls war dieſes Element anweſend in der Form der Geiſtlich- keit, als an der alle wiſſenſchaftliche und kuͤnſtleriſche Bil- dung haftete. Gegenwaͤrtig findet jeder Stand, in wel- chem mehr mit den Gehirnnerven als mit den Nerven des Ruͤckenmarks gearbeitet wird, ein offenes Thor fuͤr die hoͤhere Bildung. Sie hat ihr Standesgebiet aufgege- ben. Eine Vertretung aber der Kirche und der Wiſſen- ſchaft als ſolcher gehoͤrt fuͤr die Staͤndeverſammlung nicht, welche weder liturgiſche Ketzer verurtheilen, noch philoſo- phiſche Syſteme mit Geſetzes Kraft verſehen ſoll. Ihre immer wiederkehrende Aufgabe iſt der Rechts-Schutz fuͤr Perſonen und Eigenthum und eben daher auch die Feſt- ſetzung der Leiſtungen, die dem Staate durch Perſon und Eigenthum zu bringen ſind. Dabei kommt auch eine Seite des Kirchen- und Unterricht-Weſens in Frage, und gewiß iſt es nuͤtzlich, wenn ein Paar Mitglieder der Geiſtlichkeit in der Kammer in dieſer Hinſicht Rede ſtehen, zumahl die Leitung des Volk-Schulweſens billig in geiſt- lichen Haͤnden liegt; aber ſie werden ſich als Grenzhuͤter betrachten, Eingriffen wehren, poſitiv hier nichts begruͤn- den wollen. Die alte Landſtandſchaft der Univerſitaͤten leitet ſich

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Zitationshilfe: Dahlmann, Friedrich Christoph: Die Politik, auf den Grund und das Maaß der gegebenen Zustände zurückgeführt. Bd. 1: Staatsverfassung. Volksbildung. Göttingen, 1835, S. 130. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_politik_1835/142>, abgerufen am 28.03.2024.