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Dannhauer, Johann Conrad: Catechismus-Milch. Bd. 9. Straßburg, 1672.

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Predigt.


Die Neunzehende Predigt/
Von
Der Gedächtnuß des Leydens und Tods
JEsu Christi.

GEliebte in Christo. Es ist je und allezeit eine ge-
meine Klag gewesen/ über die Blödigkeit der menschlichen
Memori und Gedächtnuß/ daß dasselbe/ gleichwie alle an-
dere Kräfften des Menschen/ des Bösen so fähig und be-
haltsam/ des Guten aber so gar vergeßlich. Welche
manche schöne Predigt/ sagt manches Christen-Hertz/
hab ich gehört/ aber könt ichs auch behalten! das wußte der fromme ge-
treue Gott im Himmel/ darum hat Er uns Menschen eine schöne/ und
von ihm selbs canonisirte/ Göttliche artem memoriae und Gedächtnuß-
Kunst fürgeschrieben/ auff daß Er ja an seinem Ort nichts ermanglen
lasse/ und wir am Jüngsten Tag mit keiner Entschuldigung auffkommen
möchten/ und dasselbe Deut. 6, 6. 7. 8. Die Wort/ die ich dir heut ge-
biete/ soltu zu Hertzen nemmen/ und solt sie deinen Kindern
schärffen/ und davon reden/ wann du in deinem Hauße sitzest/
oder auff dem Wege gehest/ wann du dich niderlegest oder auff-
stehest. Und solt sie binden zum Zeichen auff deine Hand/ und
sollen dir ein Denckmahl für deinen Augen seyn/ und solt sie
über deines Hauses Pfosten schreiben/ und an die Thore.

Seind drey unterschiedliche praecepta mnemonevtica, und zwar die
edelste/ beste/ gewisseste/ 1. Depositio in cor, du solt sie zu Hertzen
nemmen/
ins Hertz/ als in die Schatz-Kammer/ wir sollen/ was in die
äusserliche Sinne fallt/ per [fremdsprachliches Material - 1 Zeichen fehlt]la[fremdsprachliches Material - 1 Zeichen fehlt]eian ergreiffen/ und wol beylegen/ als
einen Schatz/ den man nicht gern verliert. 2. Exercitatio, die Ubung/
angedeutet durch das reden und schärffen/ du solt davon reden/
und deinen Kindern schärffen.
Alle andere Kräffte des Leibes nem-
men ab/ und werden müd durch viel üben/ aber die Seelen-Kräfften
wachsen durch Ubung/ und werden dadurch je länger je mehr expolirt/

hinc
Predigt.


Die Neunzehende Predigt/
Von
Der Gedaͤchtnuß des Leydens und Tods
JEſu Chriſti.

GEliebte in Chriſto. Es iſt je und allezeit eine ge-
meine Klag geweſen/ uͤber die Bloͤdigkeit der menſchlichen
Memori und Gedaͤchtnuß/ daß daſſelbe/ gleichwie alle an-
dere Kraͤfften des Menſchen/ des Boͤſen ſo faͤhig und be-
haltſam/ des Guten aber ſo gar vergeßlich. Welche
manche ſchoͤne Predigt/ ſagt manches Chriſten-Hertz/
hab ich gehoͤrt/ aber koͤnt ichs auch behalten! das wußte der fromme ge-
treue Gott im Himmel/ darum hat Er uns Menſchen eine ſchoͤne/ und
von ihm ſelbs canoniſirte/ Goͤttliche artem memoriæ und Gedaͤchtnuß-
Kunſt fuͤrgeſchrieben/ auff daß Er ja an ſeinem Ort nichts ermanglen
laſſe/ und wir am Juͤngſten Tag mit keiner Entſchuldigung auffkommen
moͤchten/ und daſſelbe Deut. 6, 6. 7. 8. Die Wort/ die ich dir heut ge-
biete/ ſoltu zu Hertzen nemmen/ und ſolt ſie deinen Kindern
ſchaͤrffen/ und davon reden/ wann du in deinem Hauße ſitzeſt/
oder auff dem Wege geheſt/ wann du dich niderlegeſt oder auff-
ſteheſt. Und ſolt ſie binden zum Zeichen auff deine Hand/ und
ſollen dir ein Denckmahl fuͤr deinen Augen ſeyn/ und ſolt ſie
uͤber deines Hauſes Pfoſten ſchreiben/ und an die Thore.

Seind drey unterſchiedliche præcepta mnemonevtica, und zwar die
edelſte/ beſte/ gewiſſeſte/ 1. Depoſitio in cor, du ſolt ſie zu Hertzen
nemmen/
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einen Schatz/ den man nicht gern verliert. 2. Exercitatio, die Ubung/
angedeutet durch das reden und ſchaͤrffen/ du ſolt davon reden/
und deinen Kindern ſchaͤrffen.
Alle andere Kraͤffte des Leibes nem-
men ab/ und werden muͤd durch viel uͤben/ aber die Seelen-Kraͤfften
wachſen durch Ubung/ und werden dadurch je laͤnger je mehr expolirt/

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[407/0427] Predigt. Die Neunzehende Predigt/ Von Der Gedaͤchtnuß des Leydens und Tods JEſu Chriſti. GEliebte in Chriſto. Es iſt je und allezeit eine ge- meine Klag geweſen/ uͤber die Bloͤdigkeit der menſchlichen Memori und Gedaͤchtnuß/ daß daſſelbe/ gleichwie alle an- dere Kraͤfften des Menſchen/ des Boͤſen ſo faͤhig und be- haltſam/ des Guten aber ſo gar vergeßlich. Welche manche ſchoͤne Predigt/ ſagt manches Chriſten-Hertz/ hab ich gehoͤrt/ aber koͤnt ichs auch behalten! das wußte der fromme ge- treue Gott im Himmel/ darum hat Er uns Menſchen eine ſchoͤne/ und von ihm ſelbs canoniſirte/ Goͤttliche artem memoriæ und Gedaͤchtnuß- Kunſt fuͤrgeſchrieben/ auff daß Er ja an ſeinem Ort nichts ermanglen laſſe/ und wir am Juͤngſten Tag mit keiner Entſchuldigung auffkommen moͤchten/ und daſſelbe Deut. 6, 6. 7. 8. Die Wort/ die ich dir heut ge- biete/ ſoltu zu Hertzen nemmen/ und ſolt ſie deinen Kindern ſchaͤrffen/ und davon reden/ wann du in deinem Hauße ſitzeſt/ oder auff dem Wege geheſt/ wann du dich niderlegeſt oder auff- ſteheſt. Und ſolt ſie binden zum Zeichen auff deine Hand/ und ſollen dir ein Denckmahl fuͤr deinen Augen ſeyn/ und ſolt ſie uͤber deines Hauſes Pfoſten ſchreiben/ und an die Thore. Seind drey unterſchiedliche præcepta mnemonevtica, und zwar die edelſte/ beſte/ gewiſſeſte/ 1. Depoſitio in cor, du ſolt ſie zu Hertzen nemmen/ ins Hertz/ als in die Schatz-Kammer/ wir ſollen/ was in die aͤuſſerliche Sinne fallt/ per _λά_ειαν ergreiffen/ und wol beylegen/ als einen Schatz/ den man nicht gern verliert. 2. Exercitatio, die Ubung/ angedeutet durch das reden und ſchaͤrffen/ du ſolt davon reden/ und deinen Kindern ſchaͤrffen. Alle andere Kraͤffte des Leibes nem- men ab/ und werden muͤd durch viel uͤben/ aber die Seelen-Kraͤfften wachſen durch Ubung/ und werden dadurch je laͤnger je mehr expolirt/ hinc

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Zitationshilfe: Dannhauer, Johann Conrad: Catechismus-Milch. Bd. 9. Straßburg, 1672, S. 407. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dannhauer_catechismus09_1672/427>, abgerufen am 18.04.2024.