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Dannhauer, Johann Conrad: Catechismus-Milch. Bd. 9. Straßburg, 1672.

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Predigt.
Die Erste Predigt/
Von
Martha/ als der Verklägerin ihrer
Schwester Mariä.

GEliebte in Christo. Bekannt und offt widerholt
ist das judicium und glorwürdige Gericht/ in welchem
Salomon der weiseste König ein Prob unvergleichlich
grosser Weißheit edirt und abgelegt/ beschrieben 1. Reg.
3, 16. &c.
so da vorgegangen zwischen zwey Weibern/ die
in der Hebräischen Sprach heissen naschim zonoth, das
ist/ in weiterm Verstand Dienst-Weiber/ gedingte Weiber/ die um gewis-
sen Lohn allerhand so ehrliche/ so unehrliche Dienst gethan/ und sich zu al-
lerhand Geschäfften und Wercken brauchen lassen/ wie die Würthin/
Gastgeberin/ Näherin/ Wäscherin/ und dergleichen zu thun pflegen. Lu-
therus hats gedolmetschet zwo Huren/ nicht eben in rigore literae, als wä-
ren es offentliche Schandpöcken und prostibula geweßt/ die sich zur Un-
zucht gebrauchen lassen; Sintemal unter der Regierung und Disciplin
Davids und Salomons/ offentliche Schand- und Land-Huren/ nach
dem Mosaischen Gesetz/ Deut. 23, 17. Es soll kein Hure seyn unter
den Töchtern Jsrael/
kein Raum im Land/ weniger einen freyen unge-
scheuten Paß und Zutritt für den König und Richter des Lands hatten.
Vermuthlich ist die eine/ die Klägerin eine ehrliche/ tugendsame/ keusche
Matron geweßt/ für die andere die beklagte wird niemand wollen schwö-
ren/ als die ihre Untugend mit ihren frechen/ leichtfertigen Worten selbsJuxta Re-
gulan Theo-
log. in Scri-
ptura Sac.
quaedam

doxastikos
dicuntur,
Idola Elo-
him, Sophi
magi, Hie-
rusalem ci-
vitas san-
cta, ita &
meretri-
ces,

verrathen/ und gnugsam an den Tag gegeben/ was Haar sie sey: sondern
[fremdsprachliches Material - 1 Zeichen fehlt]oxastikos, dieweil gemeiniglich solche Leute/ wiewol nicht offentliche doch
heimliche Büberey und Schand getrieben/ unter denen auch wol etliche
fromme/ keusche und unschuldige gewesen seind. Zwischen diesen zweyen
Weibern entstund eine controversia und Zanck-Sach von dem Mutter-
Recht und Mutter-Lieb: Dann nachdem beyde Mütter in einem Zim-
mer und Bett beysammen gelegen/ und aber eine die Beklagte ihr eigen
Kind ertruckt/ der Klägerin ihr lebendiges Kind gestohlen/ und hingegen
das todte Kind ihr an die Arm gelegt/ sie aber das lebendige Kind an ihre
Arm genommen/ und also die Kinder außgetauscht; Da entstund ein
Zanck unter ihnen/ welches die rechte Mutter/ die Wort waren einerley/

diese
J i i iij
Predigt.
Die Erſte Predigt/
Von
Martha/ als der Verklaͤgerin ihrer
Schweſter Mariaͤ.

GEliebte in Chriſto. Bekannt und offt widerholt
iſt das judicium und glorwuͤrdige Gericht/ in welchem
Salomon der weiſeſte Koͤnig ein Prob unvergleichlich
groſſer Weißheit edirt und abgelegt/ beſchrieben 1. Reg.
3, 16. &c.
ſo da vorgegangen zwiſchen zwey Weibern/ die
in der Hebraͤiſchen Sprach heiſſen naſchim zonoth, das
iſt/ in weiterm Verſtand Dienſt-Weiber/ gedingte Weiber/ die um gewiſ-
ſen Lohn allerhand ſo ehrliche/ ſo unehrliche Dienſt gethan/ und ſich zu al-
lerhand Geſchaͤfften und Wercken brauchen laſſen/ wie die Wuͤrthin/
Gaſtgeberin/ Naͤherin/ Waͤſcherin/ und dergleichen zu thun pflegen. Lu-
therus hats gedolmetſchet zwo Huren/ nicht eben in rigore literæ, als waͤ-
ren es offentliche Schandpoͤcken und proſtibula geweßt/ die ſich zur Un-
zucht gebrauchen laſſen; Sintemal unter der Regierung und Diſciplin
Davids und Salomons/ offentliche Schand- und Land-Huren/ nach
dem Moſaiſchen Geſetz/ Deut. 23, 17. Es ſoll kein Hure ſeyn unter
den Toͤchtern Jſrael/
kein Raum im Land/ weniger einen freyen unge-
ſcheuten Paß und Zutritt fuͤr den Koͤnig und Richter des Lands hatten.
Vermuthlich iſt die eine/ die Klaͤgerin eine ehrliche/ tugendſame/ keuſche
Matron geweßt/ fuͤr die andere die beklagte wird niemand wollen ſchwoͤ-
ren/ als die ihre Untugend mit ihren frechen/ leichtfertigen Worten ſelbsJuxta Re-
gulã Theo-
log. in Scri-
ptura Sac.
quædam

δοξαϛικῶς
dicuntur,
Idola Elo-
him, Sophi
magi, Hie-
ruſalem ci-
vitas ſan-
cta, ita &
meretri-
ces,

verrathen/ und gnugſam an den Tag gegeben/ was Haar ſie ſey: ſondern
[fremdsprachliches Material – 1 Zeichen fehlt]οξαϛικῶς, dieweil gemeiniglich ſolche Leute/ wiewol nicht offentliche doch
heimliche Buͤberey und Schand getrieben/ unter denen auch wol etliche
fromme/ keuſche und unſchuldige geweſen ſeind. Zwiſchen dieſen zweyen
Weibern entſtund eine controverſia und Zanck-Sach von dem Mutter-
Recht und Mutter-Lieb: Dann nachdem beyde Muͤtter in einem Zim-
mer und Bett beyſammen gelegen/ und aber eine die Beklagte ihr eigen
Kind ertruckt/ der Klaͤgerin ihr lebendiges Kind geſtohlen/ und hingegen
das todte Kind ihr an die Arm gelegt/ ſie aber das lebendige Kind an ihre
Arm genommen/ und alſo die Kinder außgetauſcht; Da entſtund ein
Zanck unter ihnen/ welches die rechte Mutter/ die Wort waren einerley/

dieſe
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[437/0457] Predigt. Die Erſte Predigt/ Von Martha/ als der Verklaͤgerin ihrer Schweſter Mariaͤ. GEliebte in Chriſto. Bekannt und offt widerholt iſt das judicium und glorwuͤrdige Gericht/ in welchem Salomon der weiſeſte Koͤnig ein Prob unvergleichlich groſſer Weißheit edirt und abgelegt/ beſchrieben 1. Reg. 3, 16. &c. ſo da vorgegangen zwiſchen zwey Weibern/ die in der Hebraͤiſchen Sprach heiſſen naſchim zonoth, das iſt/ in weiterm Verſtand Dienſt-Weiber/ gedingte Weiber/ die um gewiſ- ſen Lohn allerhand ſo ehrliche/ ſo unehrliche Dienſt gethan/ und ſich zu al- lerhand Geſchaͤfften und Wercken brauchen laſſen/ wie die Wuͤrthin/ Gaſtgeberin/ Naͤherin/ Waͤſcherin/ und dergleichen zu thun pflegen. Lu- therus hats gedolmetſchet zwo Huren/ nicht eben in rigore literæ, als waͤ- ren es offentliche Schandpoͤcken und proſtibula geweßt/ die ſich zur Un- zucht gebrauchen laſſen; Sintemal unter der Regierung und Diſciplin Davids und Salomons/ offentliche Schand- und Land-Huren/ nach dem Moſaiſchen Geſetz/ Deut. 23, 17. Es ſoll kein Hure ſeyn unter den Toͤchtern Jſrael/ kein Raum im Land/ weniger einen freyen unge- ſcheuten Paß und Zutritt fuͤr den Koͤnig und Richter des Lands hatten. Vermuthlich iſt die eine/ die Klaͤgerin eine ehrliche/ tugendſame/ keuſche Matron geweßt/ fuͤr die andere die beklagte wird niemand wollen ſchwoͤ- ren/ als die ihre Untugend mit ihren frechen/ leichtfertigen Worten ſelbs verrathen/ und gnugſam an den Tag gegeben/ was Haar ſie ſey: ſondern _οξαϛικῶς, dieweil gemeiniglich ſolche Leute/ wiewol nicht offentliche doch heimliche Buͤberey und Schand getrieben/ unter denen auch wol etliche fromme/ keuſche und unſchuldige geweſen ſeind. Zwiſchen dieſen zweyen Weibern entſtund eine controverſia und Zanck-Sach von dem Mutter- Recht und Mutter-Lieb: Dann nachdem beyde Muͤtter in einem Zim- mer und Bett beyſammen gelegen/ und aber eine die Beklagte ihr eigen Kind ertruckt/ der Klaͤgerin ihr lebendiges Kind geſtohlen/ und hingegen das todte Kind ihr an die Arm gelegt/ ſie aber das lebendige Kind an ihre Arm genommen/ und alſo die Kinder außgetauſcht; Da entſtund ein Zanck unter ihnen/ welches die rechte Mutter/ die Wort waren einerley/ dieſe Juxta Re- gulã Theo- log. in Scri- ptura Sac. quædam δοξαϛικῶς dicuntur, Idola Elo- him, Sophi magi, Hie- ruſalem ci- vitas ſan- cta, ita & meretri- ces, J i i iij

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Zitationshilfe: Dannhauer, Johann Conrad: Catechismus-Milch. Bd. 9. Straßburg, 1672, S. 437. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dannhauer_catechismus09_1672/457>, abgerufen am 24.04.2024.