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Darwin, Charles: Insectenfressende Pflanzen. Übers. v. Julius Victor Carus. Stuttgart, 1876.

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Cap. 7. Wirkung destillirten Wassers.
Über die Wirkungsweise destillirten Wassers beim Verursachen von Einbiegung.

Obgleich in allen wichtigeren Versuchen die Verschiedenheit des Ver-
haltens zwischen den gleichzeitig in Wasser und in die verschiedenen
Lösungen eingetauchten Blättern beschrieben worden wird, so dürfte es
nichtsdestoweniger gut sein, hier eine Übersicht über die Wirkungen des
Wassers zu geben. Überdies verdient schon die Thatsache an und für
sich, dasz reines Wasser auf die Drüsen wirkt, einige Beachtung. Blätter,
141 an Zahl, wurden zu derselben Zeit mit denjenigen in Lösungen in
Wasser eingetaucht und ihr Zustand in kurzen Zeitintervallen geschildert.
Zwei und dreiszig andere Blätter wurden einzeln in Wasser beobachtet,
was im Ganzen 173 Experimente ergibt. Viele Dutzende von Blättern
wurden auch noch zu andern Zeiten in Wasser eingetaucht, aber keine
genaue Schilderung der hervorgebrachten Wirkungen aufbewahrt; doch
unterstützen diese beiläufigen Beobachtungen die Schluszfolgerungen, zu
denen ich in diesem Capitel gelange. Einige wenige der langköpfigen
Tentakeln, nämlich von einem bis ungefähr sechs, wurden gewöhnlich
innerhalb einer halben Stunde nach dem Eintauchen eingebogen; dasselbe
fand gelegentlich mit einigen wenigen und selten mit einer beträchtlichen
Zahl der äuszeren rundköpfigen Tentakeln statt. Nach einem Eintauchen
von 5 bis 8 Stunden werden die kurzen, die äuszeren Theile der Scheibe
umgebenden Tentakeln meistens eingebogen, so dasz ihre Drüsen einen
kleinen dunklen Ring auf der Scheibe bilden; die äuszeren Tentakeln
nehmen an dieser Bewegung nicht Theil. Wir können daher, ausgenom-
men in einigen wenigen später einzeln anzuführenden Fällen, beurtheilen,
ob eine Lösung irgend welche Wirkung hervorbringt, einfach dadurch,
dasz wir die äuszeren Tentakeln innerhalb der ersten 3 oder 4 Stunden
nach dem Eintauchen beobachten.

Zunächst will ich nun eine Übersicht des Zustandes der 173 Blätter
nach einem Eintauchen von 3 oder 4 Stunden in reines Wasser geben.
Ein Blatt hatte beinahe seine sämmtlichen Tentakeln eingebogen; drei
hatten die meisten derselben halb eingebogen; und dreizehn hatten im
Mittel 36,5 Tentakeln eingebogen. Es war daher auf siebenzehn Blättern
unter den 173 in einer ausgesprochenen Weise eine Wirkung eingetreten.
Bei achtzehn Blättern waren von sieben bis neunzehn Tentakeln einge-
bogen, im Mittel 9,3 Tentakeln für jedes Blatt. Bei vier und vierzig
Blättern waren ein bis sechs Tentakeln eingebogen, im Allgemeinen die
langköpfigen. Im Ganzen waren daher von den 173 sorgfältig beobach-
teten Blättern neun und siebenzig vom Wasser in irgend welchem Grade,
obschon meistens in einem sehr unbedeutenden, afficirt worden, und vier
und neunzig waren nicht im allergeringsten Grade afficirt worden. Dieser
Betrag an Einbiegung ist gänzlich bedeutungslos, wie wir später sehen
werden, wenn wir ihn mit dem von sehr schwachen Lösungen verschie-
dener Ammoniaksalze verursachten vergleichen.

Pflanzen, welche eine Zeit lang in einer verhältnismäszig hohen Tem-
peratur gelebt haben, sind für die Einwirkung des Wassers viel empfind-
licher, als diejenigen, welche im Freien gewachsen oder erst kürzlich in
ein warmes Gewächshaus gebracht worden sind. So waren in den oben
erwähnten siebenzehn Fällen, in denen bei den eingetauchten Blättern

Cap. 7. Wirkung destillirten Wassers.
Über die Wirkungsweise destillirten Wassers beim Verursachen von Einbiegung.

Obgleich in allen wichtigeren Versuchen die Verschiedenheit des Ver-
haltens zwischen den gleichzeitig in Wasser und in die verschiedenen
Lösungen eingetauchten Blättern beschrieben worden wird, so dürfte es
nichtsdestoweniger gut sein, hier eine Übersicht über die Wirkungen des
Wassers zu geben. Überdies verdient schon die Thatsache an und für
sich, dasz reines Wasser auf die Drüsen wirkt, einige Beachtung. Blätter,
141 an Zahl, wurden zu derselben Zeit mit denjenigen in Lösungen in
Wasser eingetaucht und ihr Zustand in kurzen Zeitintervallen geschildert.
Zwei und dreiszig andere Blätter wurden einzeln in Wasser beobachtet,
was im Ganzen 173 Experimente ergibt. Viele Dutzende von Blättern
wurden auch noch zu andern Zeiten in Wasser eingetaucht, aber keine
genaue Schilderung der hervorgebrachten Wirkungen aufbewahrt; doch
unterstützen diese beiläufigen Beobachtungen die Schluszfolgerungen, zu
denen ich in diesem Capitel gelange. Einige wenige der langköpfigen
Tentakeln, nämlich von einem bis ungefähr sechs, wurden gewöhnlich
innerhalb einer halben Stunde nach dem Eintauchen eingebogen; dasselbe
fand gelegentlich mit einigen wenigen und selten mit einer beträchtlichen
Zahl der äuszeren rundköpfigen Tentakeln statt. Nach einem Eintauchen
von 5 bis 8 Stunden werden die kurzen, die äuszeren Theile der Scheibe
umgebenden Tentakeln meistens eingebogen, so dasz ihre Drüsen einen
kleinen dunklen Ring auf der Scheibe bilden; die äuszeren Tentakeln
nehmen an dieser Bewegung nicht Theil. Wir können daher, ausgenom-
men in einigen wenigen später einzeln anzuführenden Fällen, beurtheilen,
ob eine Lösung irgend welche Wirkung hervorbringt, einfach dadurch,
dasz wir die äuszeren Tentakeln innerhalb der ersten 3 oder 4 Stunden
nach dem Eintauchen beobachten.

Zunächst will ich nun eine Übersicht des Zustandes der 173 Blätter
nach einem Eintauchen von 3 oder 4 Stunden in reines Wasser geben.
Ein Blatt hatte beinahe seine sämmtlichen Tentakeln eingebogen; drei
hatten die meisten derselben halb eingebogen; und dreizehn hatten im
Mittel 36,5 Tentakeln eingebogen. Es war daher auf siebenzehn Blättern
unter den 173 in einer ausgesprochenen Weise eine Wirkung eingetreten.
Bei achtzehn Blättern waren von sieben bis neunzehn Tentakeln einge-
bogen, im Mittel 9,3 Tentakeln für jedes Blatt. Bei vier und vierzig
Blättern waren ein bis sechs Tentakeln eingebogen, im Allgemeinen die
langköpfigen. Im Ganzen waren daher von den 173 sorgfältig beobach-
teten Blättern neun und siebenzig vom Wasser in irgend welchem Grade,
obschon meistens in einem sehr unbedeutenden, afficirt worden, und vier
und neunzig waren nicht im allergeringsten Grade afficirt worden. Dieser
Betrag an Einbiegung ist gänzlich bedeutungslos, wie wir später sehen
werden, wenn wir ihn mit dem von sehr schwachen Lösungen verschie-
dener Ammoniaksalze verursachten vergleichen.

Pflanzen, welche eine Zeit lang in einer verhältnismäszig hohen Tem-
peratur gelebt haben, sind für die Einwirkung des Wassers viel empfind-
licher, als diejenigen, welche im Freien gewachsen oder erst kürzlich in
ein warmes Gewächshaus gebracht worden sind. So waren in den oben
erwähnten siebenzehn Fällen, in denen bei den eingetauchten Blättern

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[123/0137] Cap. 7. Wirkung destillirten Wassers. Über die Wirkungsweise destillirten Wassers beim Verursachen von Einbiegung. Obgleich in allen wichtigeren Versuchen die Verschiedenheit des Ver- haltens zwischen den gleichzeitig in Wasser und in die verschiedenen Lösungen eingetauchten Blättern beschrieben worden wird, so dürfte es nichtsdestoweniger gut sein, hier eine Übersicht über die Wirkungen des Wassers zu geben. Überdies verdient schon die Thatsache an und für sich, dasz reines Wasser auf die Drüsen wirkt, einige Beachtung. Blätter, 141 an Zahl, wurden zu derselben Zeit mit denjenigen in Lösungen in Wasser eingetaucht und ihr Zustand in kurzen Zeitintervallen geschildert. Zwei und dreiszig andere Blätter wurden einzeln in Wasser beobachtet, was im Ganzen 173 Experimente ergibt. Viele Dutzende von Blättern wurden auch noch zu andern Zeiten in Wasser eingetaucht, aber keine genaue Schilderung der hervorgebrachten Wirkungen aufbewahrt; doch unterstützen diese beiläufigen Beobachtungen die Schluszfolgerungen, zu denen ich in diesem Capitel gelange. Einige wenige der langköpfigen Tentakeln, nämlich von einem bis ungefähr sechs, wurden gewöhnlich innerhalb einer halben Stunde nach dem Eintauchen eingebogen; dasselbe fand gelegentlich mit einigen wenigen und selten mit einer beträchtlichen Zahl der äuszeren rundköpfigen Tentakeln statt. Nach einem Eintauchen von 5 bis 8 Stunden werden die kurzen, die äuszeren Theile der Scheibe umgebenden Tentakeln meistens eingebogen, so dasz ihre Drüsen einen kleinen dunklen Ring auf der Scheibe bilden; die äuszeren Tentakeln nehmen an dieser Bewegung nicht Theil. Wir können daher, ausgenom- men in einigen wenigen später einzeln anzuführenden Fällen, beurtheilen, ob eine Lösung irgend welche Wirkung hervorbringt, einfach dadurch, dasz wir die äuszeren Tentakeln innerhalb der ersten 3 oder 4 Stunden nach dem Eintauchen beobachten. Zunächst will ich nun eine Übersicht des Zustandes der 173 Blätter nach einem Eintauchen von 3 oder 4 Stunden in reines Wasser geben. Ein Blatt hatte beinahe seine sämmtlichen Tentakeln eingebogen; drei hatten die meisten derselben halb eingebogen; und dreizehn hatten im Mittel 36,5 Tentakeln eingebogen. Es war daher auf siebenzehn Blättern unter den 173 in einer ausgesprochenen Weise eine Wirkung eingetreten. Bei achtzehn Blättern waren von sieben bis neunzehn Tentakeln einge- bogen, im Mittel 9,3 Tentakeln für jedes Blatt. Bei vier und vierzig Blättern waren ein bis sechs Tentakeln eingebogen, im Allgemeinen die langköpfigen. Im Ganzen waren daher von den 173 sorgfältig beobach- teten Blättern neun und siebenzig vom Wasser in irgend welchem Grade, obschon meistens in einem sehr unbedeutenden, afficirt worden, und vier und neunzig waren nicht im allergeringsten Grade afficirt worden. Dieser Betrag an Einbiegung ist gänzlich bedeutungslos, wie wir später sehen werden, wenn wir ihn mit dem von sehr schwachen Lösungen verschie- dener Ammoniaksalze verursachten vergleichen. Pflanzen, welche eine Zeit lang in einer verhältnismäszig hohen Tem- peratur gelebt haben, sind für die Einwirkung des Wassers viel empfind- licher, als diejenigen, welche im Freien gewachsen oder erst kürzlich in ein warmes Gewächshaus gebracht worden sind. So waren in den oben erwähnten siebenzehn Fällen, in denen bei den eingetauchten Blättern

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Zitationshilfe: Darwin, Charles: Insectenfressende Pflanzen. Übers. v. Julius Victor Carus. Stuttgart, 1876, S. 123. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/darwin_pflanzen_1876/137>, abgerufen am 19.04.2024.