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Darwin, Charles: Insectenfressende Pflanzen. Übers. v. Julius Victor Carus. Stuttgart, 1876.

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Drosera rotundifolia. Cap. 3.
Supplementäre Beobachtungen über den Procesz der Zusammenballung in den
Wurzeln der Pflanzen.

Wir werden später sehen, dasz eine schwache Lösung von kohlen-
saurem Ammoniak Zusammenballung in den Zellen der Wurzeln der Dro-
sera
hervorruft; und dies führte mich dazu, einige Versuche an den Wur-
zeln andrer Pflanzen zu machen. Ich grub in den letzten Tagen des
Oktober das erste Unkraut, das mir in den Weg kam, aus, nämlich
Euphorbia peplus, wobei ich mich in Acht nahm, die Wurzeln nicht zu
verletzen; diese wurden gewaschen und in ein wenig Lösung von einem
Theil kohlensaurem Ammoniak in 146 Theilen Wasser gestellt. In we-
niger als 1 Minute sah ich eine Wolke von Zelle zu Zelle mit wunder-
barer Schnelligkeit die Wurzeln hinauf gehen. Nach 8 bis 9 Minuten
wurden die feinen Körner, welche dieses wolkige Aussehen verursachten,
nach den Endspitzen der Wurzeln zu in viereckige Massen von brauner
Substanz zusammengeballt, und einige derselben veränderten bald ihre
Form und wurden kuglig. Einige der Zellen blieben indessen unberührt.
Ich wiederholte dieses Experiment mit einer andern Pflanze derselben
Species, aber ehe ich das Exemplar in den Focus unter dem Mikroskop
bekommen konnte, hatten sich Wolken von Körnchen und viereckige
Massen von röthlicher und brauner Substanz gebildet und hatten sich an
den Wurzeln weit hinauf verbreitet. Eine frische Wurzel wurde nun 18
Stunden lang in einer Drachme einer Lösung von einem Theil des kohlen-
sauren Salzes in 437 Theilen Wasser gelassen, so dasz sie 1/8 Gran oder
2024 Milligr. erhielt. Als sie untersucht wurde, enthielten die Zellen
aller Wurzeln in ihrer ganzen Länge zusammengeballte Massen von röth-
licher und brauner Substanz. Ehe ich diese Experimente machte, waren
mehrere Wurzeln genau untersucht worden und nicht eine Spur von einem
wolkigen Aussehen, oder von körnigen Massen, konnte in irgend einer
derselben gesehen werden. Es wurden ebenso Wurzeln 35 Minuten lang
in eine Lösung von einem Theil kohlensauren Kali in 218 Theilen Wasser
getaucht; aber dieses Salz brachte keine Wirkung hervor.

Ich will hier hinzufügen, dasz dünne Scheibchen des Stammes der
Euphorbia in dieselbe Lösung gethan wurden, und dasz die Zellen, welche
grün waren, augenblicklich wolkig wurden, während andere, welche vor-
her farblos waren, mit braunen Wolken bedeckt wurden, in Folge der
Bildung zahlloser Körnchen von dieser Färbung.

Ich habe ebenso bei verschiedenen Arten von Blättern, welche einige
Zeit in einer Lösung von kohlensaurem Ammoniak gelassen worden wa-
ren, gesehen, dasz die Körner von Chlorophyll zusammenliefen und theil-
weise verschmolzen; und dies scheint auch eine Form der Zusammen-
ballung zu sein.

Pflanzen der Wasserlinse (Lemna) wurden zwischen 30 und 45 Mi-
nuten in einer Lösung von einem Theil dieses selben Salzes in 146 Thei-
len Wasser gelassen; dann wurden drei oder vier ihrer Wurzeln unter-
sucht. In zwei derselben umschlossen die Zellen, welche vorher nur klare
Flüssigkeit enthalten hatten, jetzt kleine grüne Kugeln. Nach 11/2 bis
2 Stunden erschienen ähnliche Kugeln in den Zellen an den Rändern der
Blätter, aber ob das Ammoniak die Wurzeln hinauf gegangen, oder direct

Drosera rotundifolia. Cap. 3.
Supplementäre Beobachtungen über den Procesz der Zusammenballung in den
Wurzeln der Pflanzen.

Wir werden später sehen, dasz eine schwache Lösung von kohlen-
saurem Ammoniak Zusammenballung in den Zellen der Wurzeln der Dro-
sera
hervorruft; und dies führte mich dazu, einige Versuche an den Wur-
zeln andrer Pflanzen zu machen. Ich grub in den letzten Tagen des
Oktober das erste Unkraut, das mir in den Weg kam, aus, nämlich
Euphorbia peplus, wobei ich mich in Acht nahm, die Wurzeln nicht zu
verletzen; diese wurden gewaschen und in ein wenig Lösung von einem
Theil kohlensaurem Ammoniak in 146 Theilen Wasser gestellt. In we-
niger als 1 Minute sah ich eine Wolke von Zelle zu Zelle mit wunder-
barer Schnelligkeit die Wurzeln hinauf gehen. Nach 8 bis 9 Minuten
wurden die feinen Körner, welche dieses wolkige Aussehen verursachten,
nach den Endspitzen der Wurzeln zu in viereckige Massen von brauner
Substanz zusammengeballt, und einige derselben veränderten bald ihre
Form und wurden kuglig. Einige der Zellen blieben indessen unberührt.
Ich wiederholte dieses Experiment mit einer andern Pflanze derselben
Species, aber ehe ich das Exemplar in den Focus unter dem Mikroskop
bekommen konnte, hatten sich Wolken von Körnchen und viereckige
Massen von röthlicher und brauner Substanz gebildet und hatten sich an
den Wurzeln weit hinauf verbreitet. Eine frische Wurzel wurde nun 18
Stunden lang in einer Drachme einer Lösung von einem Theil des kohlen-
sauren Salzes in 437 Theilen Wasser gelassen, so dasz sie ⅛ Gran oder
2024 Milligr. erhielt. Als sie untersucht wurde, enthielten die Zellen
aller Wurzeln in ihrer ganzen Länge zusammengeballte Massen von röth-
licher und brauner Substanz. Ehe ich diese Experimente machte, waren
mehrere Wurzeln genau untersucht worden und nicht eine Spur von einem
wolkigen Aussehen, oder von körnigen Massen, konnte in irgend einer
derselben gesehen werden. Es wurden ebenso Wurzeln 35 Minuten lang
in eine Lösung von einem Theil kohlensauren Kali in 218 Theilen Wasser
getaucht; aber dieses Salz brachte keine Wirkung hervor.

Ich will hier hinzufügen, dasz dünne Scheibchen des Stammes der
Euphorbia in dieselbe Lösung gethan wurden, und dasz die Zellen, welche
grün waren, augenblicklich wolkig wurden, während andere, welche vor-
her farblos waren, mit braunen Wolken bedeckt wurden, in Folge der
Bildung zahlloser Körnchen von dieser Färbung.

Ich habe ebenso bei verschiedenen Arten von Blättern, welche einige
Zeit in einer Lösung von kohlensaurem Ammoniak gelassen worden wa-
ren, gesehen, dasz die Körner von Chlorophyll zusammenliefen und theil-
weise verschmolzen; und dies scheint auch eine Form der Zusammen-
ballung zu sein.

Pflanzen der Wasserlinse (Lemna) wurden zwischen 30 und 45 Mi-
nuten in einer Lösung von einem Theil dieses selben Salzes in 146 Thei-
len Wasser gelassen; dann wurden drei oder vier ihrer Wurzeln unter-
sucht. In zwei derselben umschlossen die Zellen, welche vorher nur klare
Flüssigkeit enthalten hatten, jetzt kleine grüne Kugeln. Nach 1½ bis
2 Stunden erschienen ähnliche Kugeln in den Zellen an den Rändern der
Blätter, aber ob das Ammoniak die Wurzeln hinauf gegangen, oder direct

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[56/0070] Drosera rotundifolia. Cap. 3. Supplementäre Beobachtungen über den Procesz der Zusammenballung in den Wurzeln der Pflanzen. Wir werden später sehen, dasz eine schwache Lösung von kohlen- saurem Ammoniak Zusammenballung in den Zellen der Wurzeln der Dro- sera hervorruft; und dies führte mich dazu, einige Versuche an den Wur- zeln andrer Pflanzen zu machen. Ich grub in den letzten Tagen des Oktober das erste Unkraut, das mir in den Weg kam, aus, nämlich Euphorbia peplus, wobei ich mich in Acht nahm, die Wurzeln nicht zu verletzen; diese wurden gewaschen und in ein wenig Lösung von einem Theil kohlensaurem Ammoniak in 146 Theilen Wasser gestellt. In we- niger als 1 Minute sah ich eine Wolke von Zelle zu Zelle mit wunder- barer Schnelligkeit die Wurzeln hinauf gehen. Nach 8 bis 9 Minuten wurden die feinen Körner, welche dieses wolkige Aussehen verursachten, nach den Endspitzen der Wurzeln zu in viereckige Massen von brauner Substanz zusammengeballt, und einige derselben veränderten bald ihre Form und wurden kuglig. Einige der Zellen blieben indessen unberührt. Ich wiederholte dieses Experiment mit einer andern Pflanze derselben Species, aber ehe ich das Exemplar in den Focus unter dem Mikroskop bekommen konnte, hatten sich Wolken von Körnchen und viereckige Massen von röthlicher und brauner Substanz gebildet und hatten sich an den Wurzeln weit hinauf verbreitet. Eine frische Wurzel wurde nun 18 Stunden lang in einer Drachme einer Lösung von einem Theil des kohlen- sauren Salzes in 437 Theilen Wasser gelassen, so dasz sie ⅛ Gran oder 2024 Milligr. erhielt. Als sie untersucht wurde, enthielten die Zellen aller Wurzeln in ihrer ganzen Länge zusammengeballte Massen von röth- licher und brauner Substanz. Ehe ich diese Experimente machte, waren mehrere Wurzeln genau untersucht worden und nicht eine Spur von einem wolkigen Aussehen, oder von körnigen Massen, konnte in irgend einer derselben gesehen werden. Es wurden ebenso Wurzeln 35 Minuten lang in eine Lösung von einem Theil kohlensauren Kali in 218 Theilen Wasser getaucht; aber dieses Salz brachte keine Wirkung hervor. Ich will hier hinzufügen, dasz dünne Scheibchen des Stammes der Euphorbia in dieselbe Lösung gethan wurden, und dasz die Zellen, welche grün waren, augenblicklich wolkig wurden, während andere, welche vor- her farblos waren, mit braunen Wolken bedeckt wurden, in Folge der Bildung zahlloser Körnchen von dieser Färbung. Ich habe ebenso bei verschiedenen Arten von Blättern, welche einige Zeit in einer Lösung von kohlensaurem Ammoniak gelassen worden wa- ren, gesehen, dasz die Körner von Chlorophyll zusammenliefen und theil- weise verschmolzen; und dies scheint auch eine Form der Zusammen- ballung zu sein. Pflanzen der Wasserlinse (Lemna) wurden zwischen 30 und 45 Mi- nuten in einer Lösung von einem Theil dieses selben Salzes in 146 Thei- len Wasser gelassen; dann wurden drei oder vier ihrer Wurzeln unter- sucht. In zwei derselben umschlossen die Zellen, welche vorher nur klare Flüssigkeit enthalten hatten, jetzt kleine grüne Kugeln. Nach 1½ bis 2 Stunden erschienen ähnliche Kugeln in den Zellen an den Rändern der Blätter, aber ob das Ammoniak die Wurzeln hinauf gegangen, oder direct

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Zitationshilfe: Darwin, Charles: Insectenfressende Pflanzen. Übers. v. Julius Victor Carus. Stuttgart, 1876, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/darwin_pflanzen_1876/70>, abgerufen am 28.03.2024.