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Darwin, Charles: Insectenfressende Pflanzen. Übers. v. Julius Victor Carus. Stuttgart, 1876.

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Drosera rotundifolia. Cap. 6.
tende Aufgüsse, denn keiner dieser Körper erregt, wie im letzten Ca-
pitel gezeigt wurde, Einbiegung. Es ist nun eine merkwürdige That-
sache, welche noch weitere und wichtige Belege dafür abgibt, dasz
das Ferment der Drosera dem Pepsin sehr ähnlich oder mit ihm
identisch ist, dasz keine einzige dieser nämlichen Substanzen, so weit
es bekannt ist, vom Magensaft der Thiere verdaut wird, obschon die
andern Absonderungen des Darmcanals auf einige von ihnen einwirken.
Über die oben aufgezählten Substanzen braucht nichts weiter gesagt
zu werden, ausgenommen, dasz sie wiederholt auf den Blättern der
Drosera versucht worden sind, aber nicht im geringsten von dem
Secrete angegriffen wurden. Über die andern wird es räthlich sein,
meine Versuche anzuführen.

Elastisches Fasergewebe. -- Wir haben bereits gesehen, dasz,
wenn kleine Würfel von Fleisch u. s. w. auf Blätter gelegt wurden, die
Muskeln, das Zellgewebe und der Knorpel vollständig aufgelöst wurden,
dasz aber das elastische Fasergewebe, selbst die allerzartesten Fäserchen
ohne die mindesten Zeichen einer Einwirkung auf dieselben zurückblieben.
Es ist auch wohl bekannt, dasz dies Gewebe vom Magensaft der Thiere
nicht verdaut werden kann16.

Mucin. -- Da diese Substanz ungefähr 7 Procent Stickstoff ent-
hält, erwartete ich, dasz sie die Blätter bedeutend erregen und dasz sie
vom Secret verdaut werden würde; darin irrte ich mich aber. Nach dem,
was in chemischen Werken angegeben wird, scheint es äuszerst zweifel-
haft zu sein, ob Mucin als reine Grundsubstanz dargestellt werden kann.
Das, was ich anwandte (von Dr. Moore dargestellt) war trocken und hart.
Mit Wasser angefeuchtete Stückchen wurden auf vier Blätter gebracht;
nach zwei Tagen aber war nur eine Spur von Einbiegung an den un-
mittelbar benachbarten Tentakeln zu bemerken. Diese Blätter wurden
dann mit Stückchen Fleisch probirt und alle vier wurden stark einge-
bogen. Etwas von dem trocknen Mucin wurde dann zwei Tage lang in
Wasser eingeweicht, und kleine Würfel der gehörigen Grösze wurden auf
drei Blätter gebracht. Nach vier Tagen waren die Tentakeln rund um
die Scheibenränder ein wenig eingebogen; auch war die sich auf der
Scheibe angesammelte Absonderung sauer, aber die äuszern Tentakeln
waren nicht afficirt. Ein Blatt fieng am vierten Tage an, sich wieder
auszubreiten, und alle waren am sechsten vollständig ausgebreitet. Die
Drüsen, welche in Berührung mit dem Mucin gestanden hatten, waren ein
wenig gedunkelt. Wir können daher schlieszen, dasz eine geringe Menge
irgend einer Verunreinigung von mäszig reizender Beschaffenheit absorbirt
worden war. Dasz das von mir angewandte Mucin etwas lösliche Sub-
stanz enthielt, wies Dr. Sanderson nach, welcher fand, dasz etwas davon
aufgelöst worden war, nachdem er es eine Stunde lang der Einwirkung
künstlichen Magensaftes ausgesetzt hatte, aber nur in dem Verhältnis von

16 s. z. B. Schiff, Lecons phys. de la Digestion, 1867, Tom. II, p. 38.

Drosera rotundifolia. Cap. 6.
tende Aufgüsse, denn keiner dieser Körper erregt, wie im letzten Ca-
pitel gezeigt wurde, Einbiegung. Es ist nun eine merkwürdige That-
sache, welche noch weitere und wichtige Belege dafür abgibt, dasz
das Ferment der Drosera dem Pepsin sehr ähnlich oder mit ihm
identisch ist, dasz keine einzige dieser nämlichen Substanzen, so weit
es bekannt ist, vom Magensaft der Thiere verdaut wird, obschon die
andern Absonderungen des Darmcanals auf einige von ihnen einwirken.
Über die oben aufgezählten Substanzen braucht nichts weiter gesagt
zu werden, ausgenommen, dasz sie wiederholt auf den Blättern der
Drosera versucht worden sind, aber nicht im geringsten von dem
Secrete angegriffen wurden. Über die andern wird es räthlich sein,
meine Versuche anzuführen.

Elastisches Fasergewebe. — Wir haben bereits gesehen, dasz,
wenn kleine Würfel von Fleisch u. s. w. auf Blätter gelegt wurden, die
Muskeln, das Zellgewebe und der Knorpel vollständig aufgelöst wurden,
dasz aber das elastische Fasergewebe, selbst die allerzartesten Fäserchen
ohne die mindesten Zeichen einer Einwirkung auf dieselben zurückblieben.
Es ist auch wohl bekannt, dasz dies Gewebe vom Magensaft der Thiere
nicht verdaut werden kann16.

Mucin. — Da diese Substanz ungefähr 7 Procent Stickstoff ent-
hält, erwartete ich, dasz sie die Blätter bedeutend erregen und dasz sie
vom Secret verdaut werden würde; darin irrte ich mich aber. Nach dem,
was in chemischen Werken angegeben wird, scheint es äuszerst zweifel-
haft zu sein, ob Mucin als reine Grundsubstanz dargestellt werden kann.
Das, was ich anwandte (von Dr. Moore dargestellt) war trocken und hart.
Mit Wasser angefeuchtete Stückchen wurden auf vier Blätter gebracht;
nach zwei Tagen aber war nur eine Spur von Einbiegung an den un-
mittelbar benachbarten Tentakeln zu bemerken. Diese Blätter wurden
dann mit Stückchen Fleisch probirt und alle vier wurden stark einge-
bogen. Etwas von dem trocknen Mucin wurde dann zwei Tage lang in
Wasser eingeweicht, und kleine Würfel der gehörigen Grösze wurden auf
drei Blätter gebracht. Nach vier Tagen waren die Tentakeln rund um
die Scheibenränder ein wenig eingebogen; auch war die sich auf der
Scheibe angesammelte Absonderung sauer, aber die äuszern Tentakeln
waren nicht afficirt. Ein Blatt fieng am vierten Tage an, sich wieder
auszubreiten, und alle waren am sechsten vollständig ausgebreitet. Die
Drüsen, welche in Berührung mit dem Mucin gestanden hatten, waren ein
wenig gedunkelt. Wir können daher schlieszen, dasz eine geringe Menge
irgend einer Verunreinigung von mäszig reizender Beschaffenheit absorbirt
worden war. Dasz das von mir angewandte Mucin etwas lösliche Sub-
stanz enthielt, wies Dr. Sanderson nach, welcher fand, dasz etwas davon
aufgelöst worden war, nachdem er es eine Stunde lang der Einwirkung
künstlichen Magensaftes ausgesetzt hatte, aber nur in dem Verhältnis von

16 s. z. B. Schiff, Leçons phys. de la Digestion, 1867, Tom. II, p. 38.
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[108/0122] Drosera rotundifolia. Cap. 6. tende Aufgüsse, denn keiner dieser Körper erregt, wie im letzten Ca- pitel gezeigt wurde, Einbiegung. Es ist nun eine merkwürdige That- sache, welche noch weitere und wichtige Belege dafür abgibt, dasz das Ferment der Drosera dem Pepsin sehr ähnlich oder mit ihm identisch ist, dasz keine einzige dieser nämlichen Substanzen, so weit es bekannt ist, vom Magensaft der Thiere verdaut wird, obschon die andern Absonderungen des Darmcanals auf einige von ihnen einwirken. Über die oben aufgezählten Substanzen braucht nichts weiter gesagt zu werden, ausgenommen, dasz sie wiederholt auf den Blättern der Drosera versucht worden sind, aber nicht im geringsten von dem Secrete angegriffen wurden. Über die andern wird es räthlich sein, meine Versuche anzuführen. Elastisches Fasergewebe. — Wir haben bereits gesehen, dasz, wenn kleine Würfel von Fleisch u. s. w. auf Blätter gelegt wurden, die Muskeln, das Zellgewebe und der Knorpel vollständig aufgelöst wurden, dasz aber das elastische Fasergewebe, selbst die allerzartesten Fäserchen ohne die mindesten Zeichen einer Einwirkung auf dieselben zurückblieben. Es ist auch wohl bekannt, dasz dies Gewebe vom Magensaft der Thiere nicht verdaut werden kann 16. Mucin. — Da diese Substanz ungefähr 7 Procent Stickstoff ent- hält, erwartete ich, dasz sie die Blätter bedeutend erregen und dasz sie vom Secret verdaut werden würde; darin irrte ich mich aber. Nach dem, was in chemischen Werken angegeben wird, scheint es äuszerst zweifel- haft zu sein, ob Mucin als reine Grundsubstanz dargestellt werden kann. Das, was ich anwandte (von Dr. Moore dargestellt) war trocken und hart. Mit Wasser angefeuchtete Stückchen wurden auf vier Blätter gebracht; nach zwei Tagen aber war nur eine Spur von Einbiegung an den un- mittelbar benachbarten Tentakeln zu bemerken. Diese Blätter wurden dann mit Stückchen Fleisch probirt und alle vier wurden stark einge- bogen. Etwas von dem trocknen Mucin wurde dann zwei Tage lang in Wasser eingeweicht, und kleine Würfel der gehörigen Grösze wurden auf drei Blätter gebracht. Nach vier Tagen waren die Tentakeln rund um die Scheibenränder ein wenig eingebogen; auch war die sich auf der Scheibe angesammelte Absonderung sauer, aber die äuszern Tentakeln waren nicht afficirt. Ein Blatt fieng am vierten Tage an, sich wieder auszubreiten, und alle waren am sechsten vollständig ausgebreitet. Die Drüsen, welche in Berührung mit dem Mucin gestanden hatten, waren ein wenig gedunkelt. Wir können daher schlieszen, dasz eine geringe Menge irgend einer Verunreinigung von mäszig reizender Beschaffenheit absorbirt worden war. Dasz das von mir angewandte Mucin etwas lösliche Sub- stanz enthielt, wies Dr. Sanderson nach, welcher fand, dasz etwas davon aufgelöst worden war, nachdem er es eine Stunde lang der Einwirkung künstlichen Magensaftes ausgesetzt hatte, aber nur in dem Verhältnis von 16 s. z. B. Schiff, Leçons phys. de la Digestion, 1867, Tom. II, p. 38.

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Zitationshilfe: Darwin, Charles: Insectenfressende Pflanzen. Übers. v. Julius Victor Carus. Stuttgart, 1876, S. 108. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/darwin_pflanzen_1876/122>, abgerufen am 25.04.2024.