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Darwin, Charles: Insectenfressende Pflanzen. Übers. v. Julius Victor Carus. Stuttgart, 1876.

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Drosera rotundifolia. Cap. 8.

Schluszbemerkungen über die Wirkung der vor-
stehend angeführten Salze.
-- Von den einundfünfzig Salzen
und metallischen Säuren, welche versucht wurden, verursachten fünf-
undzwanzig eine Einbiegung der Tentakeln, und sechsundzwanzig
hatten keine solche Wirkung; zwei ziemlich zweifelhafte Fälle kamen
in jeder Versuchsreihe vor. In der Tabelle am Anfang dieser Erörte-
rung sind die Salze nach ihrer chemischen Verwandtschaft geordnet;
aber ihre Wirkung auf Drosera scheint nicht dadurch bestimmt zu
werden. Die Natur der Basis ist viel wichtiger, so weit nach diesen
wenigen hier gegebenen Versuchen geurtheilt werden kann, als die
Natur der Säure; und dies ist der Schlusz, zu welchem die Physio-
logen auch in Bezug auf die Thiere gekommen sind. Wir sehen diese
Thatsache dadurch erläutert, dasz alle neun Natronsalze Einbiegung
verursachen und nicht giftig sind, auszer wenn sie in groszen Dosen
gegeben werden; während sieben der correspondirenden Salze von Kali
keine Einbiegung verursachen und einige derselben giftig sind. Zwei
derselben jedoch, nämlich das oxalsaure und Jodkali, verursachten
langsam einen leichten und ziemlich zweifelhaften Grad von Einbiegung.
Dieser Unterschied zwischen den zwei Serien ist interessant, da Dr.
Burdon Sanderson mir mittheilt, dasz Natronsalze in groszen Dosen
in die Circulation von Säugethieren eingeführt werden können, ohne
irgend eine schädliche Wirkung; während kleine Dosen von Kalisalzen
den Tod, durch plötzliches Anhalten der Thätigkeit des Herzens, ver-
ursachen. Ein ausgezeichnetes Beispiel der verschiedenen Wirkung
der beiden Reihen wird durch das phosphorsaure Natron dargeboten,
welches schnell kräftige Einbiegung verursacht, während phosphor-
saures Kali ganz unwirksam ist. Die grosze Kraft des ersteren ist
wahrscheinlich Folge der Gegenwart von Phosphor, wie in den Fällen
des phosphorsauren Kalkes und Ammoniaks. Daher können wir an-
nehmen, dasz die Drosera aus dem phosphorsauren Kali keinen Phos-
phor erhalten kann. Dies ist merkwürdig, da ich von Dr. Burdon
Sanderson
höre, dasz phosphorsaures Kali sicher in den Körpern von
Thieren zersetzt wird. Die meisten Natronsalze wirken sehr schnell,
Jodnatrium am langsamsten. Das oxalsaure, salpetersaure und citronen-
saure Salze scheinen eine besondere Neigung zu haben, die Scheibe
des Blattes zum Einbiegen zu veranlassen. Die Drüsen der Scheibe
übersenden, nachdem sie das citronensaure Salz aufgesaugt haben,
kaum irgend einen motorischen Impuls nach den äuszeren Tentakeln;

Drosera rotundifolia. Cap. 8.

Schluszbemerkungen über die Wirkung der vor-
stehend angeführten Salze.
— Von den einundfünfzig Salzen
und metallischen Säuren, welche versucht wurden, verursachten fünf-
undzwanzig eine Einbiegung der Tentakeln, und sechsundzwanzig
hatten keine solche Wirkung; zwei ziemlich zweifelhafte Fälle kamen
in jeder Versuchsreihe vor. In der Tabelle am Anfang dieser Erörte-
rung sind die Salze nach ihrer chemischen Verwandtschaft geordnet;
aber ihre Wirkung auf Drosera scheint nicht dadurch bestimmt zu
werden. Die Natur der Basis ist viel wichtiger, so weit nach diesen
wenigen hier gegebenen Versuchen geurtheilt werden kann, als die
Natur der Säure; und dies ist der Schlusz, zu welchem die Physio-
logen auch in Bezug auf die Thiere gekommen sind. Wir sehen diese
Thatsache dadurch erläutert, dasz alle neun Natronsalze Einbiegung
verursachen und nicht giftig sind, auszer wenn sie in groszen Dosen
gegeben werden; während sieben der correspondirenden Salze von Kali
keine Einbiegung verursachen und einige derselben giftig sind. Zwei
derselben jedoch, nämlich das oxalsaure und Jodkali, verursachten
langsam einen leichten und ziemlich zweifelhaften Grad von Einbiegung.
Dieser Unterschied zwischen den zwei Serien ist interessant, da Dr.
Burdon Sanderson mir mittheilt, dasz Natronsalze in groszen Dosen
in die Circulation von Säugethieren eingeführt werden können, ohne
irgend eine schädliche Wirkung; während kleine Dosen von Kalisalzen
den Tod, durch plötzliches Anhalten der Thätigkeit des Herzens, ver-
ursachen. Ein ausgezeichnetes Beispiel der verschiedenen Wirkung
der beiden Reihen wird durch das phosphorsaure Natron dargeboten,
welches schnell kräftige Einbiegung verursacht, während phosphor-
saures Kali ganz unwirksam ist. Die grosze Kraft des ersteren ist
wahrscheinlich Folge der Gegenwart von Phosphor, wie in den Fällen
des phosphorsauren Kalkes und Ammoniaks. Daher können wir an-
nehmen, dasz die Drosera aus dem phosphorsauren Kali keinen Phos-
phor erhalten kann. Dies ist merkwürdig, da ich von Dr. Burdon
Sanderson
höre, dasz phosphorsaures Kali sicher in den Körpern von
Thieren zersetzt wird. Die meisten Natronsalze wirken sehr schnell,
Jodnatrium am langsamsten. Das oxalsaure, salpetersaure und citronen-
saure Salze scheinen eine besondere Neigung zu haben, die Scheibe
des Blattes zum Einbiegen zu veranlassen. Die Drüsen der Scheibe
übersenden, nachdem sie das citronensaure Salz aufgesaugt haben,
kaum irgend einen motorischen Impuls nach den äuszeren Tentakeln;

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[168/0182] Drosera rotundifolia. Cap. 8. Schluszbemerkungen über die Wirkung der vor- stehend angeführten Salze. — Von den einundfünfzig Salzen und metallischen Säuren, welche versucht wurden, verursachten fünf- undzwanzig eine Einbiegung der Tentakeln, und sechsundzwanzig hatten keine solche Wirkung; zwei ziemlich zweifelhafte Fälle kamen in jeder Versuchsreihe vor. In der Tabelle am Anfang dieser Erörte- rung sind die Salze nach ihrer chemischen Verwandtschaft geordnet; aber ihre Wirkung auf Drosera scheint nicht dadurch bestimmt zu werden. Die Natur der Basis ist viel wichtiger, so weit nach diesen wenigen hier gegebenen Versuchen geurtheilt werden kann, als die Natur der Säure; und dies ist der Schlusz, zu welchem die Physio- logen auch in Bezug auf die Thiere gekommen sind. Wir sehen diese Thatsache dadurch erläutert, dasz alle neun Natronsalze Einbiegung verursachen und nicht giftig sind, auszer wenn sie in groszen Dosen gegeben werden; während sieben der correspondirenden Salze von Kali keine Einbiegung verursachen und einige derselben giftig sind. Zwei derselben jedoch, nämlich das oxalsaure und Jodkali, verursachten langsam einen leichten und ziemlich zweifelhaften Grad von Einbiegung. Dieser Unterschied zwischen den zwei Serien ist interessant, da Dr. Burdon Sanderson mir mittheilt, dasz Natronsalze in groszen Dosen in die Circulation von Säugethieren eingeführt werden können, ohne irgend eine schädliche Wirkung; während kleine Dosen von Kalisalzen den Tod, durch plötzliches Anhalten der Thätigkeit des Herzens, ver- ursachen. Ein ausgezeichnetes Beispiel der verschiedenen Wirkung der beiden Reihen wird durch das phosphorsaure Natron dargeboten, welches schnell kräftige Einbiegung verursacht, während phosphor- saures Kali ganz unwirksam ist. Die grosze Kraft des ersteren ist wahrscheinlich Folge der Gegenwart von Phosphor, wie in den Fällen des phosphorsauren Kalkes und Ammoniaks. Daher können wir an- nehmen, dasz die Drosera aus dem phosphorsauren Kali keinen Phos- phor erhalten kann. Dies ist merkwürdig, da ich von Dr. Burdon Sanderson höre, dasz phosphorsaures Kali sicher in den Körpern von Thieren zersetzt wird. Die meisten Natronsalze wirken sehr schnell, Jodnatrium am langsamsten. Das oxalsaure, salpetersaure und citronen- saure Salze scheinen eine besondere Neigung zu haben, die Scheibe des Blattes zum Einbiegen zu veranlassen. Die Drüsen der Scheibe übersenden, nachdem sie das citronensaure Salz aufgesaugt haben, kaum irgend einen motorischen Impuls nach den äuszeren Tentakeln;

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Zitationshilfe: Darwin, Charles: Insectenfressende Pflanzen. Übers. v. Julius Victor Carus. Stuttgart, 1876, S. 168. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/darwin_pflanzen_1876/182>, abgerufen am 29.03.2024.