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Darwin, Charles: Insectenfressende Pflanzen. Übers. v. Julius Victor Carus. Stuttgart, 1876.

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Elftes Capitel.
Recapitulation der hauptsächlichsten Beobachtungen an
Drosera rotundifolia.

Da Zusammenfassungen bei den meisten Capiteln gegeben worden
sind, wird es genügen, hier so kurz als ich es thun kann, die haupt-
sächlichsten Punkte zu recapituliren. Im ersten Capitel wurde eine
vorläufige Skizze von der Structur der Blätter und von der Art und
Weise gegeben, in welcher sie Insecten fangen. Dies wird durch
Tropfen äuszerst klebriger Flüssigkeit, welche die Drüsen umgibt,
und durch die Einwärtsbewegung der Tentakeln bewerkstelligt. Da
die Pflanzen ihre meiste Nahrung durch diese Mittel erlangen, sind
ihre Wurzeln nur sehr spärlich entwickelt; auch wachsen sie häufig
an Stellen, wo kaum irgend eine andere Pflanze, mit Ausnahme von
Moosen, bestehen kann. Die Drüsen haben auszer der Fähigkeit der
Absonderung auch noch die der Absorption. Sie sind äuszerst empfind-
lich für verschiedene Reizmittel, nämlich für wiederholte Berührungen,
den Druck äuszerst kleiner Körperchen, die Absorption animaler Sub-
stanz und verschiedener Flüssigkeiten, für Wärme und Galvanismus.
Man hat beobachtet, dasz ein Tentakel mit einem Bischen rohen
Fleisches auf der Drüse in 10 Secunden sich zu biegen begann, dasz
er in 5 Minuten stark eingebogen war, und in einer halben Stunde
die Mitte des Blattes erreichte. Die Scheibe des Blattes wird häufig
so stark eingebogen, dasz sie einen Becher bildet, der jeden auf sie
gelegten Gegenstand einschlieszt.

Wenn eine Drüse gereizt wird, so sendet sie nicht nur einen
gewissen Einflusz ihren eigenen Tentakel hinab, der diesen zu biegen
verursacht, sondern ebenso an die umgebenden Tentakeln, welche ein-
wärts gekrümmt werden; die Beugungsstelle kann daher eine Ein-
wirkung von einem aus den entgegengesetzten Richtungen herrühren-
den Impuls erhalten, nämlich von der Drüse am Gipfel des nämlichen

Elftes Capitel.
Recapitulation der hauptsächlichsten Beobachtungen an
Drosera rotundifolia.

Da Zusammenfassungen bei den meisten Capiteln gegeben worden
sind, wird es genügen, hier so kurz als ich es thun kann, die haupt-
sächlichsten Punkte zu recapituliren. Im ersten Capitel wurde eine
vorläufige Skizze von der Structur der Blätter und von der Art und
Weise gegeben, in welcher sie Insecten fangen. Dies wird durch
Tropfen äuszerst klebriger Flüssigkeit, welche die Drüsen umgibt,
und durch die Einwärtsbewegung der Tentakeln bewerkstelligt. Da
die Pflanzen ihre meiste Nahrung durch diese Mittel erlangen, sind
ihre Wurzeln nur sehr spärlich entwickelt; auch wachsen sie häufig
an Stellen, wo kaum irgend eine andere Pflanze, mit Ausnahme von
Moosen, bestehen kann. Die Drüsen haben auszer der Fähigkeit der
Absonderung auch noch die der Absorption. Sie sind äuszerst empfind-
lich für verschiedene Reizmittel, nämlich für wiederholte Berührungen,
den Druck äuszerst kleiner Körperchen, die Absorption animaler Sub-
stanz und verschiedener Flüssigkeiten, für Wärme und Galvanismus.
Man hat beobachtet, dasz ein Tentakel mit einem Bischen rohen
Fleisches auf der Drüse in 10 Secunden sich zu biegen begann, dasz
er in 5 Minuten stark eingebogen war, und in einer halben Stunde
die Mitte des Blattes erreichte. Die Scheibe des Blattes wird häufig
so stark eingebogen, dasz sie einen Becher bildet, der jeden auf sie
gelegten Gegenstand einschlieszt.

Wenn eine Drüse gereizt wird, so sendet sie nicht nur einen
gewissen Einflusz ihren eigenen Tentakel hinab, der diesen zu biegen
verursacht, sondern ebenso an die umgebenden Tentakeln, welche ein-
wärts gekrümmt werden; die Beugungsstelle kann daher eine Ein-
wirkung von einem aus den entgegengesetzten Richtungen herrühren-
den Impuls erhalten, nämlich von der Drüse am Gipfel des nämlichen

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[[238]/0252] Elftes Capitel. Recapitulation der hauptsächlichsten Beobachtungen an Drosera rotundifolia. Da Zusammenfassungen bei den meisten Capiteln gegeben worden sind, wird es genügen, hier so kurz als ich es thun kann, die haupt- sächlichsten Punkte zu recapituliren. Im ersten Capitel wurde eine vorläufige Skizze von der Structur der Blätter und von der Art und Weise gegeben, in welcher sie Insecten fangen. Dies wird durch Tropfen äuszerst klebriger Flüssigkeit, welche die Drüsen umgibt, und durch die Einwärtsbewegung der Tentakeln bewerkstelligt. Da die Pflanzen ihre meiste Nahrung durch diese Mittel erlangen, sind ihre Wurzeln nur sehr spärlich entwickelt; auch wachsen sie häufig an Stellen, wo kaum irgend eine andere Pflanze, mit Ausnahme von Moosen, bestehen kann. Die Drüsen haben auszer der Fähigkeit der Absonderung auch noch die der Absorption. Sie sind äuszerst empfind- lich für verschiedene Reizmittel, nämlich für wiederholte Berührungen, den Druck äuszerst kleiner Körperchen, die Absorption animaler Sub- stanz und verschiedener Flüssigkeiten, für Wärme und Galvanismus. Man hat beobachtet, dasz ein Tentakel mit einem Bischen rohen Fleisches auf der Drüse in 10 Secunden sich zu biegen begann, dasz er in 5 Minuten stark eingebogen war, und in einer halben Stunde die Mitte des Blattes erreichte. Die Scheibe des Blattes wird häufig so stark eingebogen, dasz sie einen Becher bildet, der jeden auf sie gelegten Gegenstand einschlieszt. Wenn eine Drüse gereizt wird, so sendet sie nicht nur einen gewissen Einflusz ihren eigenen Tentakel hinab, der diesen zu biegen verursacht, sondern ebenso an die umgebenden Tentakeln, welche ein- wärts gekrümmt werden; die Beugungsstelle kann daher eine Ein- wirkung von einem aus den entgegengesetzten Richtungen herrühren- den Impuls erhalten, nämlich von der Drüse am Gipfel des nämlichen

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Zitationshilfe: Darwin, Charles: Insectenfressende Pflanzen. Übers. v. Julius Victor Carus. Stuttgart, 1876, S. [238]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/darwin_pflanzen_1876/252>, abgerufen am 29.03.2024.