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Darwin, Charles: Insectenfressende Pflanzen. Übers. v. Julius Victor Carus. Stuttgart, 1876.

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Cap. 1. Aufsaugung der Drüsen.
ersten Fall mit einer Falle, die auf einen, vom Wild häufig besuchten
Weg gelegt ist, aber ohne Köder.

Dasz die Drüsen die Kraft der Aufsaugung besitzen, wird dadurch
bewiesen, dasz sie beinahe augenblicklich dunkelfarbig werden, wenn
man ihnen eine kleine Quantität kohlensaures Ammoniak gibt; die
Farbenveränderung ist hauptsächlich oder ausschlieszlich Folge der
rapiden Zusammenballung ihres Inhalts. Wenn gewisse andere Flüssig-
keiten dazu gethan werden, so werden sie blasz gefärbt. Ihr Absorp-
tionsvermögen zeigt sich jedoch am Besten in den verschiedenen Resul-
taten, welche sich ergeben, wenn man Tropfen verschiedener stickstoff-
haltiger und nicht stickstoffhaltiger Flüssigkeiten, von derselben Dichte
auf die Drüsen der Scheibe, oder auf eine einzige Drüse bringt; eben-
so auch durch die sehr verschiedene Länge der Zeit, während welcher
die Tentakeln über den Gegenständen, welche lösliche stickstoff haltige
Substanzen darbieten, oder nicht enthalten, gebogen bleiben. Dieser
selbe Schlusz könnte in der That auch aus der Structur und den Be-
wegungen der Blätter, welche so bewunderungswürdig zum Fangen der
Insecten eingerichtet sind, gezogen werden.

Die Aufsaugung animaler Substanz aus den gefangenen Insecten
erklärt es, wie die Drosera in auszerordentlich armem torfigen Boden
gedeihen kann, in einigen Fällen da, wo nichts als Sphagnum-Moos
wächst; und Moose hängen überhaupt in Bezug auf ihre Nahrung nur
von der Atmosphäre ab. Obgleich die Blätter auf einen flüchtigen
Blick nicht grün erscheinen, was eine Folge der purpurnen Färbung
der Tentakeln ist, so enthalten doch die obere und untere Fläche der
Scheibe, die Stiele der mittleren Tentakeln und die Blattstiele Chloro-
phyll, so dasz die Pflanze ohne Zweifel von der Luft Kohlensäure
aufnimmt und assimilirt. Demohngeachtet würde, wenn man die Art
des Bodens bedenkt, worauf sie wächst, die Zufuhr von Stickstoff
auszerordentlich beschränkt, oder ganz ungenügend sein, wenn die
Pflanze nicht die Fähigkeit hätte, dieses wichtige Element aus den
gefangnen Insecten zu entnehmen. Wir können hiernach verstehen,
wie es kommt, dass die Wurzeln so dürftig entwickelt sind. Diese
bestehen gewöhnlich aus nur zwei oder drei leicht getheilten Zweigen,
von einem halben bis einen Zoll Länge, welche mit aufsaugenden Haaren
ausgestattet sind. Danach scheint es, als ob die Wurzeln nur zum
Aufsaugen von Wasser dienten; obgleich, wenn solche sich im Boden
fände, sie ohne Zweifel auch nährbare Substanz aufsaugen würden;

Cap. 1. Aufsaugung der Drüsen.
ersten Fall mit einer Falle, die auf einen, vom Wild häufig besuchten
Weg gelegt ist, aber ohne Köder.

Dasz die Drüsen die Kraft der Aufsaugung besitzen, wird dadurch
bewiesen, dasz sie beinahe augenblicklich dunkelfarbig werden, wenn
man ihnen eine kleine Quantität kohlensaures Ammoniak gibt; die
Farbenveränderung ist hauptsächlich oder ausschlieszlich Folge der
rapiden Zusammenballung ihres Inhalts. Wenn gewisse andere Flüssig-
keiten dazu gethan werden, so werden sie blasz gefärbt. Ihr Absorp-
tionsvermögen zeigt sich jedoch am Besten in den verschiedenen Resul-
taten, welche sich ergeben, wenn man Tropfen verschiedener stickstoff-
haltiger und nicht stickstoffhaltiger Flüssigkeiten, von derselben Dichte
auf die Drüsen der Scheibe, oder auf eine einzige Drüse bringt; eben-
so auch durch die sehr verschiedene Länge der Zeit, während welcher
die Tentakeln über den Gegenständen, welche lösliche stickstoff haltige
Substanzen darbieten, oder nicht enthalten, gebogen bleiben. Dieser
selbe Schlusz könnte in der That auch aus der Structur und den Be-
wegungen der Blätter, welche so bewunderungswürdig zum Fangen der
Insecten eingerichtet sind, gezogen werden.

Die Aufsaugung animaler Substanz aus den gefangenen Insecten
erklärt es, wie die Drosera in auszerordentlich armem torfigen Boden
gedeihen kann, in einigen Fällen da, wo nichts als Sphagnum-Moos
wächst; und Moose hängen überhaupt in Bezug auf ihre Nahrung nur
von der Atmosphäre ab. Obgleich die Blätter auf einen flüchtigen
Blick nicht grün erscheinen, was eine Folge der purpurnen Färbung
der Tentakeln ist, so enthalten doch die obere und untere Fläche der
Scheibe, die Stiele der mittleren Tentakeln und die Blattstiele Chloro-
phyll, so dasz die Pflanze ohne Zweifel von der Luft Kohlensäure
aufnimmt und assimilirt. Demohngeachtet würde, wenn man die Art
des Bodens bedenkt, worauf sie wächst, die Zufuhr von Stickstoff
auszerordentlich beschränkt, oder ganz ungenügend sein, wenn die
Pflanze nicht die Fähigkeit hätte, dieses wichtige Element aus den
gefangnen Insecten zu entnehmen. Wir können hiernach verstehen,
wie es kommt, dass die Wurzeln so dürftig entwickelt sind. Diese
bestehen gewöhnlich aus nur zwei oder drei leicht getheilten Zweigen,
von einem halben bis einen Zoll Länge, welche mit aufsaugenden Haaren
ausgestattet sind. Danach scheint es, als ob die Wurzeln nur zum
Aufsaugen von Wasser dienten; obgleich, wenn solche sich im Boden
fände, sie ohne Zweifel auch nährbare Substanz aufsaugen würden;

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[15/0029] Cap. 1. Aufsaugung der Drüsen. ersten Fall mit einer Falle, die auf einen, vom Wild häufig besuchten Weg gelegt ist, aber ohne Köder. Dasz die Drüsen die Kraft der Aufsaugung besitzen, wird dadurch bewiesen, dasz sie beinahe augenblicklich dunkelfarbig werden, wenn man ihnen eine kleine Quantität kohlensaures Ammoniak gibt; die Farbenveränderung ist hauptsächlich oder ausschlieszlich Folge der rapiden Zusammenballung ihres Inhalts. Wenn gewisse andere Flüssig- keiten dazu gethan werden, so werden sie blasz gefärbt. Ihr Absorp- tionsvermögen zeigt sich jedoch am Besten in den verschiedenen Resul- taten, welche sich ergeben, wenn man Tropfen verschiedener stickstoff- haltiger und nicht stickstoffhaltiger Flüssigkeiten, von derselben Dichte auf die Drüsen der Scheibe, oder auf eine einzige Drüse bringt; eben- so auch durch die sehr verschiedene Länge der Zeit, während welcher die Tentakeln über den Gegenständen, welche lösliche stickstoff haltige Substanzen darbieten, oder nicht enthalten, gebogen bleiben. Dieser selbe Schlusz könnte in der That auch aus der Structur und den Be- wegungen der Blätter, welche so bewunderungswürdig zum Fangen der Insecten eingerichtet sind, gezogen werden. Die Aufsaugung animaler Substanz aus den gefangenen Insecten erklärt es, wie die Drosera in auszerordentlich armem torfigen Boden gedeihen kann, in einigen Fällen da, wo nichts als Sphagnum-Moos wächst; und Moose hängen überhaupt in Bezug auf ihre Nahrung nur von der Atmosphäre ab. Obgleich die Blätter auf einen flüchtigen Blick nicht grün erscheinen, was eine Folge der purpurnen Färbung der Tentakeln ist, so enthalten doch die obere und untere Fläche der Scheibe, die Stiele der mittleren Tentakeln und die Blattstiele Chloro- phyll, so dasz die Pflanze ohne Zweifel von der Luft Kohlensäure aufnimmt und assimilirt. Demohngeachtet würde, wenn man die Art des Bodens bedenkt, worauf sie wächst, die Zufuhr von Stickstoff auszerordentlich beschränkt, oder ganz ungenügend sein, wenn die Pflanze nicht die Fähigkeit hätte, dieses wichtige Element aus den gefangnen Insecten zu entnehmen. Wir können hiernach verstehen, wie es kommt, dass die Wurzeln so dürftig entwickelt sind. Diese bestehen gewöhnlich aus nur zwei oder drei leicht getheilten Zweigen, von einem halben bis einen Zoll Länge, welche mit aufsaugenden Haaren ausgestattet sind. Danach scheint es, als ob die Wurzeln nur zum Aufsaugen von Wasser dienten; obgleich, wenn solche sich im Boden fände, sie ohne Zweifel auch nährbare Substanz aufsaugen würden;

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Zitationshilfe: Darwin, Charles: Insectenfressende Pflanzen. Übers. v. Julius Victor Carus. Stuttgart, 1876, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/darwin_pflanzen_1876/29>, abgerufen am 29.03.2024.