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Darwin, Charles: Insectenfressende Pflanzen. Übers. v. Julius Victor Carus. Stuttgart, 1876.

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Cap. 16. Absonderung, Absorption und Verdauung.
und der Schnelligkeit, mit welcher verschiedene Arten von Samen Abson-
derung anregten, hauptsächlich oder ganz und gar eine Folge der ver-
schiedenen Durchlässigkeit ihrer Hüllen sind.

Einige dünne Schnittchen der gemeinen Erbse, welche vorher eine
Stunde lang in Wasser aufgeweicht worden waren, wurden auf ein Blatt
gelegt und riefen schnell viel saure Absonderung hervor. Nach 24 Stunden
wurden diese Schnittchen unter einer starken Vergröszerung mit andern
verglichen, welche eine gleich lange Zeit in Wasser liegen gelassen wor-
den waren. Die letzteren enthielten so viole feine Körnchen von Legumin,
dasz der Objectträger milchig wurde, während die Schnittchen, welche der
Einwirkung des Secrets ausgesetzt gewesen waren, viel reiner und durch-
sichtiger waren, da sich die Leguminkörnchen offenbar aufgelöst hatten.
Ein Kohlsamen, welcher zwei Tage lang auf einem Blatte gelegen und
viel saures Secret veranlaszt hatte, wurde in Scheibchen zerschnitten, und
diese wurden mit denen eines Samens verglichen, welche die nämliche
Zeit lang in Wasser gelegen hatten. Diejenigen, welche der Einwirkung
des Secrets ausgesetzt gewesen waren, waren von einer blässeren Färbung,
ihre Hüllen boten die gröszten Verschiedenheiten dar, denn sie waren von
einer blaszen schmutzigen Färbung, anstatt kastanienbraun zu sein. Die
Drüsen, auf welchen die Kohlsamen gelegen hatten, ebenso wie die welche
von dem umgebenden Secret benetzt wurden, wichen in dem Aussehn be-
deutend von den andern Drüsen an demselben Blatte ab; denn sie ent-
hielten alle bräunlich-grauliche Substanz, damit beweisend, dasz sie Stoffe
aus den Samen absorbirt hatten.

Dasz das Secret auf die Samen einwirkt, zeigte sich auch dadurch,
dasz einige von ihnen getödtet oder dasz die Sämlinge beschädigt wur-
den. Vierzehn Kohlsamen wurden drei Tage lang auf Blättern liegen ge-
lassen und erregten starke Absonderung; sie wurden dann auf feuchten
Sand gebracht unter Bedingungen, von denen bekannt war, dasz sie der
Keimung günstig wären. Drei von ihnen keimten niemals; und dies war
ein viel bedeutenderes Sterblichkeitsverhältnis als es bei Samen aus der-
selben Gruppe eintrat, welche der Einwirkung des Secrets nicht ausgesetzt,
aber im Übrigen in derselben Weise behandelt worden waren. Von den
elf so erzielten Sämlingen hatten drei die Ränder ihrer Cotyledonen leicht
gebräunt, als wenn sie versengt wären; und die Cotyledonen des einen
wuchsen zu einer merkwürdig eingeschnittnen Form heran. Zwei Senf-
samen keimten; aber ihre Cotyledonen waren mit braunen Flecken ge-
zeichnet und ihre Würzelchen waren misgestaltet. Von zwei Rettichsamen
keimte keiner, während von vielen Samen derselben Partie, welche der
Einwirkung des Secrets nicht ausgesetzt worden waren, alle, mit Aus-
nahme eines, keimten. Von den zwei Rumex-Samen starb einer ab, der
andere keimte; aber sein Würzelchen war braun und verwelkte bald.
Beide Samenkörner der Avena keimten; der eine wuchs ganz ordentlich
weiter, am andern war das Würzelchen braun und verwelkt. Von sechs
Samen der Erica keimte nicht einer, und als sie, nachdem sie fünf Mo-
nate lang auf feuchtem Sande liegen gelassen worden waren, aufgeschnitten
wurden, schien nur einer allein noch lebendig zu sein. Zweiundzwanzig
Samen verschiedener Arten fand man an den Blättern von im Natur-
zustande wachsenden Pflanzen hängen; und obgleich diese fünf Monate

Cap. 16. Absonderung, Absorption und Verdauung.
und der Schnelligkeit, mit welcher verschiedene Arten von Samen Abson-
derung anregten, hauptsächlich oder ganz und gar eine Folge der ver-
schiedenen Durchlässigkeit ihrer Hüllen sind.

Einige dünne Schnittchen der gemeinen Erbse, welche vorher eine
Stunde lang in Wasser aufgeweicht worden waren, wurden auf ein Blatt
gelegt und riefen schnell viel saure Absonderung hervor. Nach 24 Stunden
wurden diese Schnittchen unter einer starken Vergröszerung mit andern
verglichen, welche eine gleich lange Zeit in Wasser liegen gelassen wor-
den waren. Die letzteren enthielten so viole feine Körnchen von Legumin,
dasz der Objectträger milchig wurde, während die Schnittchen, welche der
Einwirkung des Secrets ausgesetzt gewesen waren, viel reiner und durch-
sichtiger waren, da sich die Leguminkörnchen offenbar aufgelöst hatten.
Ein Kohlsamen, welcher zwei Tage lang auf einem Blatte gelegen und
viel saures Secret veranlaszt hatte, wurde in Scheibchen zerschnitten, und
diese wurden mit denen eines Samens verglichen, welche die nämliche
Zeit lang in Wasser gelegen hatten. Diejenigen, welche der Einwirkung
des Secrets ausgesetzt gewesen waren, waren von einer blässeren Färbung,
ihre Hüllen boten die gröszten Verschiedenheiten dar, denn sie waren von
einer blaszen schmutzigen Färbung, anstatt kastanienbraun zu sein. Die
Drüsen, auf welchen die Kohlsamen gelegen hatten, ebenso wie die welche
von dem umgebenden Secret benetzt wurden, wichen in dem Aussehn be-
deutend von den andern Drüsen an demselben Blatte ab; denn sie ent-
hielten alle bräunlich-grauliche Substanz, damit beweisend, dasz sie Stoffe
aus den Samen absorbirt hatten.

Dasz das Secret auf die Samen einwirkt, zeigte sich auch dadurch,
dasz einige von ihnen getödtet oder dasz die Sämlinge beschädigt wur-
den. Vierzehn Kohlsamen wurden drei Tage lang auf Blättern liegen ge-
lassen und erregten starke Absonderung; sie wurden dann auf feuchten
Sand gebracht unter Bedingungen, von denen bekannt war, dasz sie der
Keimung günstig wären. Drei von ihnen keimten niemals; und dies war
ein viel bedeutenderes Sterblichkeitsverhältnis als es bei Samen aus der-
selben Gruppe eintrat, welche der Einwirkung des Secrets nicht ausgesetzt,
aber im Übrigen in derselben Weise behandelt worden waren. Von den
elf so erzielten Sämlingen hatten drei die Ränder ihrer Cotyledonen leicht
gebräunt, als wenn sie versengt wären; und die Cotyledonen des einen
wuchsen zu einer merkwürdig eingeschnittnen Form heran. Zwei Senf-
samen keimten; aber ihre Cotyledonen waren mit braunen Flecken ge-
zeichnet und ihre Würzelchen waren misgestaltet. Von zwei Rettichsamen
keimte keiner, während von vielen Samen derselben Partie, welche der
Einwirkung des Secrets nicht ausgesetzt worden waren, alle, mit Aus-
nahme eines, keimten. Von den zwei Rumex-Samen starb einer ab, der
andere keimte; aber sein Würzelchen war braun und verwelkte bald.
Beide Samenkörner der Avena keimten; der eine wuchs ganz ordentlich
weiter, am andern war das Würzelchen braun und verwelkt. Von sechs
Samen der Erica keimte nicht einer, und als sie, nachdem sie fünf Mo-
nate lang auf feuchtem Sande liegen gelassen worden waren, aufgeschnitten
wurden, schien nur einer allein noch lebendig zu sein. Zweiundzwanzig
Samen verschiedener Arten fand man an den Blättern von im Natur-
zustande wachsenden Pflanzen hängen; und obgleich diese fünf Monate

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[349/0363] Cap. 16. Absonderung, Absorption und Verdauung. und der Schnelligkeit, mit welcher verschiedene Arten von Samen Abson- derung anregten, hauptsächlich oder ganz und gar eine Folge der ver- schiedenen Durchlässigkeit ihrer Hüllen sind. Einige dünne Schnittchen der gemeinen Erbse, welche vorher eine Stunde lang in Wasser aufgeweicht worden waren, wurden auf ein Blatt gelegt und riefen schnell viel saure Absonderung hervor. Nach 24 Stunden wurden diese Schnittchen unter einer starken Vergröszerung mit andern verglichen, welche eine gleich lange Zeit in Wasser liegen gelassen wor- den waren. Die letzteren enthielten so viole feine Körnchen von Legumin, dasz der Objectträger milchig wurde, während die Schnittchen, welche der Einwirkung des Secrets ausgesetzt gewesen waren, viel reiner und durch- sichtiger waren, da sich die Leguminkörnchen offenbar aufgelöst hatten. Ein Kohlsamen, welcher zwei Tage lang auf einem Blatte gelegen und viel saures Secret veranlaszt hatte, wurde in Scheibchen zerschnitten, und diese wurden mit denen eines Samens verglichen, welche die nämliche Zeit lang in Wasser gelegen hatten. Diejenigen, welche der Einwirkung des Secrets ausgesetzt gewesen waren, waren von einer blässeren Färbung, ihre Hüllen boten die gröszten Verschiedenheiten dar, denn sie waren von einer blaszen schmutzigen Färbung, anstatt kastanienbraun zu sein. Die Drüsen, auf welchen die Kohlsamen gelegen hatten, ebenso wie die welche von dem umgebenden Secret benetzt wurden, wichen in dem Aussehn be- deutend von den andern Drüsen an demselben Blatte ab; denn sie ent- hielten alle bräunlich-grauliche Substanz, damit beweisend, dasz sie Stoffe aus den Samen absorbirt hatten. Dasz das Secret auf die Samen einwirkt, zeigte sich auch dadurch, dasz einige von ihnen getödtet oder dasz die Sämlinge beschädigt wur- den. Vierzehn Kohlsamen wurden drei Tage lang auf Blättern liegen ge- lassen und erregten starke Absonderung; sie wurden dann auf feuchten Sand gebracht unter Bedingungen, von denen bekannt war, dasz sie der Keimung günstig wären. Drei von ihnen keimten niemals; und dies war ein viel bedeutenderes Sterblichkeitsverhältnis als es bei Samen aus der- selben Gruppe eintrat, welche der Einwirkung des Secrets nicht ausgesetzt, aber im Übrigen in derselben Weise behandelt worden waren. Von den elf so erzielten Sämlingen hatten drei die Ränder ihrer Cotyledonen leicht gebräunt, als wenn sie versengt wären; und die Cotyledonen des einen wuchsen zu einer merkwürdig eingeschnittnen Form heran. Zwei Senf- samen keimten; aber ihre Cotyledonen waren mit braunen Flecken ge- zeichnet und ihre Würzelchen waren misgestaltet. Von zwei Rettichsamen keimte keiner, während von vielen Samen derselben Partie, welche der Einwirkung des Secrets nicht ausgesetzt worden waren, alle, mit Aus- nahme eines, keimten. Von den zwei Rumex-Samen starb einer ab, der andere keimte; aber sein Würzelchen war braun und verwelkte bald. Beide Samenkörner der Avena keimten; der eine wuchs ganz ordentlich weiter, am andern war das Würzelchen braun und verwelkt. Von sechs Samen der Erica keimte nicht einer, und als sie, nachdem sie fünf Mo- nate lang auf feuchtem Sande liegen gelassen worden waren, aufgeschnitten wurden, schien nur einer allein noch lebendig zu sein. Zweiundzwanzig Samen verschiedener Arten fand man an den Blättern von im Natur- zustande wachsenden Pflanzen hängen; und obgleich diese fünf Monate

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Zitationshilfe: Darwin, Charles: Insectenfressende Pflanzen. Übers. v. Julius Victor Carus. Stuttgart, 1876, S. 349. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/darwin_pflanzen_1876/363>, abgerufen am 23.04.2024.