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Darwin, Charles: Insectenfressende Pflanzen. Übers. v. Julius Victor Carus. Stuttgart, 1876.

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Pinguicula lusitanica. Cap. 16.
rippe kreuzen. Es dienen diese Haare vielleicht dazu, zu verhüten,
dasz sich Insecten auf diesem Theile des Blattes niederlassen, wo sich
keine klebrigen Drüsen finden, mittelst deren sie gefangen werden
könnten; es ist aber kaum wahrscheinlich, dasz sie zu diesem Zwecke
entwickelt worden sind. Die von der Mittelrippe ausgehenden Spiral-
gefässe endigen am äuszersten Rande des Blattes in Spiralzellen; diese
sind aber nicht so gut entwickelt, wie in den beiden vorausgehenden
Arten. Die Blüthenstiele, Kelchblätter und Blumenblätter sind dicht
mit drüsigen Haaren bedeckt, ähnlich denen auf den Blättern.

Die Blätter fangen viele kleine Insecten, welche hauptsächlich
unterhalb der eingerollten Ränder gefunden werden, wohin sie vom
Regen gewaschen worden sind. Die Farbe der Drüsen, auf denen In-
secten lange gelegen haben, ist verändert, sie ist entweder bräunlich
oder blasz purpurn, ihr Inhalt ist grob granulirt, so dasz sie also
offenbar Substanz aus ihrer Beute aufsaugen. Blätter der Erica
tetralix,
Blüthen eines Labkrautes, Schuppen von Gräsern u. s. w.
hiengen gleichfalls an einigen von den Blättern. Mehrere von den
an Pinguicula vulgaris angestellten Versuchen wurden an der Pingui-
cula lusitanica
wiederholt; und diese werden nun mitgetheilt werden.

1. Ein eckiges Stück Eiweisz von mäsziger Grösze wurde auf die
eine Seite eines Blattes gelegt, halbwegs zwischen die Mittelrippe und den
natürlich eingerollten Rand. In 2 Stunden 15 Minuten ergossen die
Drüsen viel Secret und es wurde diese Seite stärker eingefaltet als die
gegenüberliegende. Die Einbiegung nahm zu und erstreckte sich in 3
Stunden 30 Minuten beinahe bis zur Blattspitze hinauf. Nach 24 Stun-
den war der Rand zu einem Cylinder aufgerollt, dessen äuszere Oberfläche
die Scheibe des Blattes berührte und bis innerhalb Zoll von der Mittel-
rippe reichte. Nach 48 Stunden fieng er an, sich zu entfalten und war
in 72 Stunden vollständig wieder ausgebreitet. Der Würfel war abge-
rundet und in der Grösze bedeutend vermindert; der Rest fand sich in
einem halbverflüssigten Zustande.
2. Ein mäszig groszes Stück Eiweisz wurde in die Nähe der Spitze
eines Blattes unter den natürlich einwärtsgekrümmten Rand gelegt. In
2 Stunden 30 Minuten war starke Absonderung erregt, und am nächsten
Morgen war der Rand auf dieser Seite des Blattes stärker eingerollt als
der entgegengesetzte, aber in keinem so bedeutenden Grade wie in dem
letzten Falle. Der Rand entfaltete sich in derselben Schnelligkeit wie
vorher. Ein bedeuteuder Theil des Eiweiszes war aufgelöst, es blieb aber
noch ein Rest übrig.
3. Grosze Stückchen Eiweisz wurden in einer Reihe den Mittel-
rippen zweier Blätter entlang gelegt, brachten aber im Verlaufe von 24
Stunden keine Wirkung hervor; es hätte eine solche auch nicht erwartet
werden können; denn selbst wenn Drüsen hier existirt hätten, so würden

Pinguicula lusitanica. Cap. 16.
rippe kreuzen. Es dienen diese Haare vielleicht dazu, zu verhüten,
dasz sich Insecten auf diesem Theile des Blattes niederlassen, wo sich
keine klebrigen Drüsen finden, mittelst deren sie gefangen werden
könnten; es ist aber kaum wahrscheinlich, dasz sie zu diesem Zwecke
entwickelt worden sind. Die von der Mittelrippe ausgehenden Spiral-
gefässe endigen am äuszersten Rande des Blattes in Spiralzellen; diese
sind aber nicht so gut entwickelt, wie in den beiden vorausgehenden
Arten. Die Blüthenstiele, Kelchblätter und Blumenblätter sind dicht
mit drüsigen Haaren bedeckt, ähnlich denen auf den Blättern.

Die Blätter fangen viele kleine Insecten, welche hauptsächlich
unterhalb der eingerollten Ränder gefunden werden, wohin sie vom
Regen gewaschen worden sind. Die Farbe der Drüsen, auf denen In-
secten lange gelegen haben, ist verändert, sie ist entweder bräunlich
oder blasz purpurn, ihr Inhalt ist grob granulirt, so dasz sie also
offenbar Substanz aus ihrer Beute aufsaugen. Blätter der Erica
tetralix,
Blüthen eines Labkrautes, Schuppen von Gräsern u. s. w.
hiengen gleichfalls an einigen von den Blättern. Mehrere von den
an Pinguicula vulgaris angestellten Versuchen wurden an der Pingui-
cula lusitanica
wiederholt; und diese werden nun mitgetheilt werden.

1. Ein eckiges Stück Eiweisz von mäsziger Grösze wurde auf die
eine Seite eines Blattes gelegt, halbwegs zwischen die Mittelrippe und den
natürlich eingerollten Rand. In 2 Stunden 15 Minuten ergossen die
Drüsen viel Secret und es wurde diese Seite stärker eingefaltet als die
gegenüberliegende. Die Einbiegung nahm zu und erstreckte sich in 3
Stunden 30 Minuten beinahe bis zur Blattspitze hinauf. Nach 24 Stun-
den war der Rand zu einem Cylinder aufgerollt, dessen äuszere Oberfläche
die Scheibe des Blattes berührte und bis innerhalb Zoll von der Mittel-
rippe reichte. Nach 48 Stunden fieng er an, sich zu entfalten und war
in 72 Stunden vollständig wieder ausgebreitet. Der Würfel war abge-
rundet und in der Grösze bedeutend vermindert; der Rest fand sich in
einem halbverflüssigten Zustande.
2. Ein mäszig groszes Stück Eiweisz wurde in die Nähe der Spitze
eines Blattes unter den natürlich einwärtsgekrümmten Rand gelegt. In
2 Stunden 30 Minuten war starke Absonderung erregt, und am nächsten
Morgen war der Rand auf dieser Seite des Blattes stärker eingerollt als
der entgegengesetzte, aber in keinem so bedeutenden Grade wie in dem
letzten Falle. Der Rand entfaltete sich in derselben Schnelligkeit wie
vorher. Ein bedeuteuder Theil des Eiweiszes war aufgelöst, es blieb aber
noch ein Rest übrig.
3. Grosze Stückchen Eiweisz wurden in einer Reihe den Mittel-
rippen zweier Blätter entlang gelegt, brachten aber im Verlaufe von 24
Stunden keine Wirkung hervor; es hätte eine solche auch nicht erwartet
werden können; denn selbst wenn Drüsen hier existirt hätten, so würden
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[354/0368] Pinguicula lusitanica. Cap. 16. rippe kreuzen. Es dienen diese Haare vielleicht dazu, zu verhüten, dasz sich Insecten auf diesem Theile des Blattes niederlassen, wo sich keine klebrigen Drüsen finden, mittelst deren sie gefangen werden könnten; es ist aber kaum wahrscheinlich, dasz sie zu diesem Zwecke entwickelt worden sind. Die von der Mittelrippe ausgehenden Spiral- gefässe endigen am äuszersten Rande des Blattes in Spiralzellen; diese sind aber nicht so gut entwickelt, wie in den beiden vorausgehenden Arten. Die Blüthenstiele, Kelchblätter und Blumenblätter sind dicht mit drüsigen Haaren bedeckt, ähnlich denen auf den Blättern. Die Blätter fangen viele kleine Insecten, welche hauptsächlich unterhalb der eingerollten Ränder gefunden werden, wohin sie vom Regen gewaschen worden sind. Die Farbe der Drüsen, auf denen In- secten lange gelegen haben, ist verändert, sie ist entweder bräunlich oder blasz purpurn, ihr Inhalt ist grob granulirt, so dasz sie also offenbar Substanz aus ihrer Beute aufsaugen. Blätter der Erica tetralix, Blüthen eines Labkrautes, Schuppen von Gräsern u. s. w. hiengen gleichfalls an einigen von den Blättern. Mehrere von den an Pinguicula vulgaris angestellten Versuchen wurden an der Pingui- cula lusitanica wiederholt; und diese werden nun mitgetheilt werden. 1. Ein eckiges Stück Eiweisz von mäsziger Grösze wurde auf die eine Seite eines Blattes gelegt, halbwegs zwischen die Mittelrippe und den natürlich eingerollten Rand. In 2 Stunden 15 Minuten ergossen die Drüsen viel Secret und es wurde diese Seite stärker eingefaltet als die gegenüberliegende. Die Einbiegung nahm zu und erstreckte sich in 3 Stunden 30 Minuten beinahe bis zur Blattspitze hinauf. Nach 24 Stun- den war der Rand zu einem Cylinder aufgerollt, dessen äuszere Oberfläche die Scheibe des Blattes berührte und bis innerhalb [FORMEL] Zoll von der Mittel- rippe reichte. Nach 48 Stunden fieng er an, sich zu entfalten und war in 72 Stunden vollständig wieder ausgebreitet. Der Würfel war abge- rundet und in der Grösze bedeutend vermindert; der Rest fand sich in einem halbverflüssigten Zustande. 2. Ein mäszig groszes Stück Eiweisz wurde in die Nähe der Spitze eines Blattes unter den natürlich einwärtsgekrümmten Rand gelegt. In 2 Stunden 30 Minuten war starke Absonderung erregt, und am nächsten Morgen war der Rand auf dieser Seite des Blattes stärker eingerollt als der entgegengesetzte, aber in keinem so bedeutenden Grade wie in dem letzten Falle. Der Rand entfaltete sich in derselben Schnelligkeit wie vorher. Ein bedeuteuder Theil des Eiweiszes war aufgelöst, es blieb aber noch ein Rest übrig. 3. Grosze Stückchen Eiweisz wurden in einer Reihe den Mittel- rippen zweier Blätter entlang gelegt, brachten aber im Verlaufe von 24 Stunden keine Wirkung hervor; es hätte eine solche auch nicht erwartet werden können; denn selbst wenn Drüsen hier existirt hätten, so würden

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Zitationshilfe: Darwin, Charles: Insectenfressende Pflanzen. Übers. v. Julius Victor Carus. Stuttgart, 1876, S. 354. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/darwin_pflanzen_1876/368>, abgerufen am 25.04.2024.