Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Darwin, Charles: Insectenfressende Pflanzen. Übers. v. Julius Victor Carus. Stuttgart, 1876.

Bild:
<< vorherige Seite

Cap. 3. Zusammenballung des Protoplasma.
die in dieser Weise indirect gereizten Drüsen einen Einflusz ihre
eigne Stiele hinab, welcher eine Zusammenballung in Zelle unter Zelle
bis zu ihren Basen hervorruft.

Es erscheint auf den ersten Blick wahrscheinlich, dasz die Zusammen-
ballung eine Folge davon ist, dasz die Drüsen zu reichlicherer Absonde-
rung angeregt werden, so dasz nicht genügende Flüssigkeit in ihren
Zellen und in den Zellen der Stiele gelassen wird, um das Protoplasma
in Auflösung zu halten. Für diese Ansicht spricht auch die Thatsache,
dasz Zusammenballung der Einbiegung der Tentakeln folgt, und dasz
während der Bewegung die Drüsen gewöhnlich oder, wie ich glaube,
immer reichlicher absondern als vorher. Ferner sondern die Drüsen
während der Wiederausstreckung der Tentakeln viel weniger reichlich
ab, oder hören ganz auf abzusondern, und dann werden die zusammen-
geballten Massen von Protoplasma wieder aufgelöst. Wenn überdies
Blätter in dicke vegetabilische Lösungen oder Glycerin getaucht wer-
den, so geht die Flüssigkeit in den Drüsenzellen nach auszen, und
dann tritt Zusammenballung ein; und wenn die Blätter später in
Wasser oder eine unschädliche Flüssigkeit von geringerem specifischen
Gewicht als Wasser getaucht werden, so wird das Protoplasma dann
wieder aufgelöst, und dies ist ohne Zweifel Folge von Endosmose.

Der Ansicht, dasz Zusammenballung durch den Austritt der Flüssig-
keit aus den Zellen verursacht wird, stehen indesz folgende Thatsachen
entgegen. Es scheint kein naher Zusammenhang zwischen dem Grad
von erhöhter Absonderung und von Zusammenballung zu bestehen. So
verursacht ein der Absonderung um eine Drüse hinzugefügtes Stück-
chen Zucker eine viel gröszere Zunahme der Absonderung und viel
weniger Zusammenballung als ein Theilchen von kohlensaurem Am-
moniak, welches auf dieselbe Weise gegeben wurde. Es scheint nicht
wahrscheinlich zu sein, dasz reines Wasser eine starke Exosmose ver-
ursachen wird, und doch folgt häufig Zusammenballung nach Ein-
tauchen in Wasser, von zwischen 16 und 24 Stunden, und immer
nach Eintauchen von 24 bis 48 Stunden. Noch weniger wahrschein-
lich ist es, dasz Wasser von einer Temperatur von 51,6° bis 54,4° C.
(125° bis 130° F.) die Flüssigkeit nicht nur aus den Drüsen, sondern
aus allen Zellen der Tentakeln bis hinab nach ihren Basen zu auszu-
treten veranlassen sollte, und zwar so schnell, dasz Zusammenballung
in 2 oder 3 Minuten hervorgebracht wird. Ein anderes starkes Argu-
ment gegen diese Ansicht ist, dasz nach vollständiger Zusammenballung

Darwin, Insectenfressende Pflanzen. (VIII.) 4

Cap. 3. Zusammenballung des Protoplasma.
die in dieser Weise indirect gereizten Drüsen einen Einflusz ihre
eigne Stiele hinab, welcher eine Zusammenballung in Zelle unter Zelle
bis zu ihren Basen hervorruft.

Es erscheint auf den ersten Blick wahrscheinlich, dasz die Zusammen-
ballung eine Folge davon ist, dasz die Drüsen zu reichlicherer Absonde-
rung angeregt werden, so dasz nicht genügende Flüssigkeit in ihren
Zellen und in den Zellen der Stiele gelassen wird, um das Protoplasma
in Auflösung zu halten. Für diese Ansicht spricht auch die Thatsache,
dasz Zusammenballung der Einbiegung der Tentakeln folgt, und dasz
während der Bewegung die Drüsen gewöhnlich oder, wie ich glaube,
immer reichlicher absondern als vorher. Ferner sondern die Drüsen
während der Wiederausstreckung der Tentakeln viel weniger reichlich
ab, oder hören ganz auf abzusondern, und dann werden die zusammen-
geballten Massen von Protoplasma wieder aufgelöst. Wenn überdies
Blätter in dicke vegetabilische Lösungen oder Glycerin getaucht wer-
den, so geht die Flüssigkeit in den Drüsenzellen nach auszen, und
dann tritt Zusammenballung ein; und wenn die Blätter später in
Wasser oder eine unschädliche Flüssigkeit von geringerem specifischen
Gewicht als Wasser getaucht werden, so wird das Protoplasma dann
wieder aufgelöst, und dies ist ohne Zweifel Folge von Endosmose.

Der Ansicht, dasz Zusammenballung durch den Austritt der Flüssig-
keit aus den Zellen verursacht wird, stehen indesz folgende Thatsachen
entgegen. Es scheint kein naher Zusammenhang zwischen dem Grad
von erhöhter Absonderung und von Zusammenballung zu bestehen. So
verursacht ein der Absonderung um eine Drüse hinzugefügtes Stück-
chen Zucker eine viel gröszere Zunahme der Absonderung und viel
weniger Zusammenballung als ein Theilchen von kohlensaurem Am-
moniak, welches auf dieselbe Weise gegeben wurde. Es scheint nicht
wahrscheinlich zu sein, dasz reines Wasser eine starke Exosmose ver-
ursachen wird, und doch folgt häufig Zusammenballung nach Ein-
tauchen in Wasser, von zwischen 16 und 24 Stunden, und immer
nach Eintauchen von 24 bis 48 Stunden. Noch weniger wahrschein-
lich ist es, dasz Wasser von einer Temperatur von 51,6° bis 54,4° C.
(125° bis 130° F.) die Flüssigkeit nicht nur aus den Drüsen, sondern
aus allen Zellen der Tentakeln bis hinab nach ihren Basen zu auszu-
treten veranlassen sollte, und zwar so schnell, dasz Zusammenballung
in 2 oder 3 Minuten hervorgebracht wird. Ein anderes starkes Argu-
ment gegen diese Ansicht ist, dasz nach vollständiger Zusammenballung

Darwin, Insectenfressende Pflanzen. (VIII.) 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0063" n="49"/><fw place="top" type="header">Cap. 3. Zusammenballung des Protoplasma.</fw><lb/>
die in dieser Weise indirect gereizten Drüsen einen Einflusz ihre<lb/>
eigne Stiele hinab, welcher eine Zusammenballung in Zelle unter Zelle<lb/>
bis zu ihren Basen hervorruft.</p><lb/>
          <p>Es erscheint auf den ersten Blick wahrscheinlich, dasz die Zusammen-<lb/>
ballung eine Folge davon ist, dasz die Drüsen zu reichlicherer Absonde-<lb/>
rung angeregt werden, so dasz nicht genügende Flüssigkeit in ihren<lb/>
Zellen und in den Zellen der Stiele gelassen wird, um das Protoplasma<lb/>
in Auflösung zu halten. Für diese Ansicht spricht auch die Thatsache,<lb/>
dasz Zusammenballung der Einbiegung der Tentakeln folgt, und dasz<lb/>
während der Bewegung die Drüsen gewöhnlich oder, wie ich glaube,<lb/>
immer reichlicher absondern als vorher. Ferner sondern die Drüsen<lb/>
während der Wiederausstreckung der Tentakeln viel weniger reichlich<lb/>
ab, oder hören ganz auf abzusondern, und dann werden die zusammen-<lb/>
geballten Massen von Protoplasma wieder aufgelöst. Wenn überdies<lb/>
Blätter in dicke vegetabilische Lösungen oder Glycerin getaucht wer-<lb/>
den, so geht die Flüssigkeit in den Drüsenzellen nach auszen, und<lb/>
dann tritt Zusammenballung ein; und wenn die Blätter später in<lb/>
Wasser oder eine unschädliche Flüssigkeit von geringerem specifischen<lb/>
Gewicht als Wasser getaucht werden, so wird das Protoplasma dann<lb/>
wieder aufgelöst, und dies ist ohne Zweifel Folge von Endosmose.</p><lb/>
          <p>Der Ansicht, dasz Zusammenballung durch den Austritt der Flüssig-<lb/>
keit aus den Zellen verursacht wird, stehen indesz folgende Thatsachen<lb/>
entgegen. Es scheint kein naher Zusammenhang zwischen dem Grad<lb/>
von erhöhter Absonderung und von Zusammenballung zu bestehen. So<lb/>
verursacht ein der Absonderung um eine Drüse hinzugefügtes Stück-<lb/>
chen Zucker eine viel gröszere Zunahme der Absonderung und viel<lb/>
weniger Zusammenballung als ein Theilchen von kohlensaurem Am-<lb/>
moniak, welches auf dieselbe Weise gegeben wurde. Es scheint nicht<lb/>
wahrscheinlich zu sein, dasz reines Wasser eine starke Exosmose ver-<lb/>
ursachen wird, und doch folgt häufig Zusammenballung nach Ein-<lb/>
tauchen in Wasser, von zwischen 16 und 24 Stunden, und immer<lb/>
nach Eintauchen von 24 bis 48 Stunden. Noch weniger wahrschein-<lb/>
lich ist es, dasz Wasser von einer Temperatur von 51,6° bis 54,4° C.<lb/>
(125° bis 130° F.) die Flüssigkeit nicht nur aus den Drüsen, sondern<lb/>
aus allen Zellen der Tentakeln bis hinab nach ihren Basen zu auszu-<lb/>
treten veranlassen sollte, und zwar so schnell, dasz Zusammenballung<lb/>
in 2 oder 3 Minuten hervorgebracht wird. Ein anderes starkes Argu-<lb/>
ment gegen diese Ansicht ist, dasz nach vollständiger Zusammenballung<lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#k">Darwin,</hi> Insectenfressende Pflanzen. (VIII.) 4</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[49/0063] Cap. 3. Zusammenballung des Protoplasma. die in dieser Weise indirect gereizten Drüsen einen Einflusz ihre eigne Stiele hinab, welcher eine Zusammenballung in Zelle unter Zelle bis zu ihren Basen hervorruft. Es erscheint auf den ersten Blick wahrscheinlich, dasz die Zusammen- ballung eine Folge davon ist, dasz die Drüsen zu reichlicherer Absonde- rung angeregt werden, so dasz nicht genügende Flüssigkeit in ihren Zellen und in den Zellen der Stiele gelassen wird, um das Protoplasma in Auflösung zu halten. Für diese Ansicht spricht auch die Thatsache, dasz Zusammenballung der Einbiegung der Tentakeln folgt, und dasz während der Bewegung die Drüsen gewöhnlich oder, wie ich glaube, immer reichlicher absondern als vorher. Ferner sondern die Drüsen während der Wiederausstreckung der Tentakeln viel weniger reichlich ab, oder hören ganz auf abzusondern, und dann werden die zusammen- geballten Massen von Protoplasma wieder aufgelöst. Wenn überdies Blätter in dicke vegetabilische Lösungen oder Glycerin getaucht wer- den, so geht die Flüssigkeit in den Drüsenzellen nach auszen, und dann tritt Zusammenballung ein; und wenn die Blätter später in Wasser oder eine unschädliche Flüssigkeit von geringerem specifischen Gewicht als Wasser getaucht werden, so wird das Protoplasma dann wieder aufgelöst, und dies ist ohne Zweifel Folge von Endosmose. Der Ansicht, dasz Zusammenballung durch den Austritt der Flüssig- keit aus den Zellen verursacht wird, stehen indesz folgende Thatsachen entgegen. Es scheint kein naher Zusammenhang zwischen dem Grad von erhöhter Absonderung und von Zusammenballung zu bestehen. So verursacht ein der Absonderung um eine Drüse hinzugefügtes Stück- chen Zucker eine viel gröszere Zunahme der Absonderung und viel weniger Zusammenballung als ein Theilchen von kohlensaurem Am- moniak, welches auf dieselbe Weise gegeben wurde. Es scheint nicht wahrscheinlich zu sein, dasz reines Wasser eine starke Exosmose ver- ursachen wird, und doch folgt häufig Zusammenballung nach Ein- tauchen in Wasser, von zwischen 16 und 24 Stunden, und immer nach Eintauchen von 24 bis 48 Stunden. Noch weniger wahrschein- lich ist es, dasz Wasser von einer Temperatur von 51,6° bis 54,4° C. (125° bis 130° F.) die Flüssigkeit nicht nur aus den Drüsen, sondern aus allen Zellen der Tentakeln bis hinab nach ihren Basen zu auszu- treten veranlassen sollte, und zwar so schnell, dasz Zusammenballung in 2 oder 3 Minuten hervorgebracht wird. Ein anderes starkes Argu- ment gegen diese Ansicht ist, dasz nach vollständiger Zusammenballung Darwin, Insectenfressende Pflanzen. (VIII.) 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/darwin_pflanzen_1876
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/darwin_pflanzen_1876/63
Zitationshilfe: Darwin, Charles: Insectenfressende Pflanzen. Übers. v. Julius Victor Carus. Stuttgart, 1876, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/darwin_pflanzen_1876/63>, abgerufen am 19.04.2024.