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Daumer, Georg Friedrich: Die dreifache Krone Rom's. Münster, 1859.

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ewig nur über götzendienerischen Unfug, sinnloses Hängen am Aeußeren,
pfäffisches Blendwerk u. s. w. schimpfen. Auf einer solchen Stufe ist
nur der einseitige judaisirende Standpunkt möglich. Die concrete, le-
bendige, poetische, anschauliche Entwicklung des Christenthums, wie sie
sich im katholischen Cultus präsentirt, kann nur einerseits von der
frommen, empfindungsreichen Hingebung, Einfalt und Unbefangenheit
eines von reformatorischer und aufklärerischer Kritik noch unberühr-
ten und ungestörten Volkes, andererseits von der höchsten, reifsten,
durchgeführtesten Bildung und Einsicht goutirt, verstanden und gewür-
digt werden.

II.

In den philosophischen Studien über das Christenthum von Rico-
las
ist ein Capitel unter dem Titel: "Beständigkeit des Christenthums
in der Dauer seiner Katholicität" -- ein von uns in der Vorrede
ebenfalls berührter Punkt. Nicolas kommt hiebei auch auf Macau-
lay's
gewichtvolle Abhandlung über das Papstthum zu sprechen.
"Drei Historiker," sagt er, "Professoren im protestantischen Deutsch-
land, Hurter, Voigt und Ranke, verlegten sich, Jeder für seinen
Theil, auf das Studium des Papstthums. Der erste machte zu seinem
Gegenstande das Leben Innocenz's III. Der zweite wählte sich das
Leben Gregor's VII. Das Studium des dritten umfaßte die Ge-
schichte des Papstthumes vorzugsweise im Hinblicke auf die Reformation.
Aber -- es ist wunderbar! -- diese Gegenstände, die wegen der Vor-
urtheile und Schmähungen der vorigen Jahrhunderte so gefährlich wa-
ren, und die selbst von den Katholiken nur mit Furcht und Zittern
behandelt wurden, sind unter der gewissenhaften, obgleich feindlichen
Feder dieser drei protestantischen Schriftsteller die Ehre des Katholicis-
mus und der gründliche Beweis seiner Wahrheit geworden. Was muß
die Bestimmung dieser Kirche sein, die nach so vielen Jahrhunderten
und so lange selbst von ihren eigenen Kindern geschmäht, nun endlich
in den Reihen ihrer Gegner Vertheidiger findet und ihren Ruhm von
den Erben derer, die ihr denselben entreißen wollten, wieder entgegen-

ewig nur über götzendieneriſchen Unfug, ſinnloſes Hängen am Aeußeren,
pfäffiſches Blendwerk u. ſ. w. ſchimpfen. Auf einer ſolchen Stufe iſt
nur der einſeitige judaiſirende Standpunkt möglich. Die concrete, le-
bendige, poetiſche, anſchauliche Entwicklung des Chriſtenthums, wie ſie
ſich im katholiſchen Cultus präſentirt, kann nur einerſeits von der
frommen, empfindungsreichen Hingebung, Einfalt und Unbefangenheit
eines von reformatoriſcher und aufkläreriſcher Kritik noch unberühr-
ten und ungeſtörten Volkes, andererſeits von der höchſten, reifſten,
durchgeführteſten Bildung und Einſicht goutirt, verſtanden und gewür-
digt werden.

II.

In den philoſophiſchen Studien über das Chriſtenthum von Rico-
las
iſt ein Capitel unter dem Titel: „Beſtändigkeit des Chriſtenthums
in der Dauer ſeiner Katholicität“ — ein von uns in der Vorrede
ebenfalls berührter Punkt. Nicolas kommt hiebei auch auf Macau-
lay’s
gewichtvolle Abhandlung über das Papſtthum zu ſprechen.
„Drei Hiſtoriker,“ ſagt er, „Profeſſoren im proteſtantiſchen Deutſch-
land, Hurter, Voigt und Ranke, verlegten ſich, Jeder für ſeinen
Theil, auf das Studium des Papſtthums. Der erſte machte zu ſeinem
Gegenſtande das Leben Innocenz’s III. Der zweite wählte ſich das
Leben Gregor’s VII. Das Studium des dritten umfaßte die Ge-
ſchichte des Papſtthumes vorzugsweiſe im Hinblicke auf die Reformation.
Aber — es iſt wunderbar! — dieſe Gegenſtände, die wegen der Vor-
urtheile und Schmähungen der vorigen Jahrhunderte ſo gefährlich wa-
ren, und die ſelbſt von den Katholiken nur mit Furcht und Zittern
behandelt wurden, ſind unter der gewiſſenhaften, obgleich feindlichen
Feder dieſer drei proteſtantiſchen Schriftſteller die Ehre des Katholicis-
mus und der gründliche Beweis ſeiner Wahrheit geworden. Was muß
die Beſtimmung dieſer Kirche ſein, die nach ſo vielen Jahrhunderten
und ſo lange ſelbſt von ihren eigenen Kindern geſchmäht, nun endlich
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[124/0146] ewig nur über götzendieneriſchen Unfug, ſinnloſes Hängen am Aeußeren, pfäffiſches Blendwerk u. ſ. w. ſchimpfen. Auf einer ſolchen Stufe iſt nur der einſeitige judaiſirende Standpunkt möglich. Die concrete, le- bendige, poetiſche, anſchauliche Entwicklung des Chriſtenthums, wie ſie ſich im katholiſchen Cultus präſentirt, kann nur einerſeits von der frommen, empfindungsreichen Hingebung, Einfalt und Unbefangenheit eines von reformatoriſcher und aufkläreriſcher Kritik noch unberühr- ten und ungeſtörten Volkes, andererſeits von der höchſten, reifſten, durchgeführteſten Bildung und Einſicht goutirt, verſtanden und gewür- digt werden. II. In den philoſophiſchen Studien über das Chriſtenthum von Rico- las iſt ein Capitel unter dem Titel: „Beſtändigkeit des Chriſtenthums in der Dauer ſeiner Katholicität“ — ein von uns in der Vorrede ebenfalls berührter Punkt. Nicolas kommt hiebei auch auf Macau- lay’s gewichtvolle Abhandlung über das Papſtthum zu ſprechen. „Drei Hiſtoriker,“ ſagt er, „Profeſſoren im proteſtantiſchen Deutſch- land, Hurter, Voigt und Ranke, verlegten ſich, Jeder für ſeinen Theil, auf das Studium des Papſtthums. Der erſte machte zu ſeinem Gegenſtande das Leben Innocenz’s III. Der zweite wählte ſich das Leben Gregor’s VII. Das Studium des dritten umfaßte die Ge- ſchichte des Papſtthumes vorzugsweiſe im Hinblicke auf die Reformation. Aber — es iſt wunderbar! — dieſe Gegenſtände, die wegen der Vor- urtheile und Schmähungen der vorigen Jahrhunderte ſo gefährlich wa- ren, und die ſelbſt von den Katholiken nur mit Furcht und Zittern behandelt wurden, ſind unter der gewiſſenhaften, obgleich feindlichen Feder dieſer drei proteſtantiſchen Schriftſteller die Ehre des Katholicis- mus und der gründliche Beweis ſeiner Wahrheit geworden. Was muß die Beſtimmung dieſer Kirche ſein, die nach ſo vielen Jahrhunderten und ſo lange ſelbſt von ihren eigenen Kindern geſchmäht, nun endlich in den Reihen ihrer Gegner Vertheidiger findet und ihren Ruhm von den Erben derer, die ihr denſelben entreißen wollten, wieder entgegen-

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Zitationshilfe: Daumer, Georg Friedrich: Die dreifache Krone Rom's. Münster, 1859, S. 124. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/daumer_krone_1859/146>, abgerufen am 29.03.2024.