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Dohm, Hedwig: Erziehung zum Stimmrecht der Frau. Berlin, 1910 (= Schriften des Preußischen Landesvereins für Frauenstimmrecht, Bd. 6).

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der Menschen, denen das geistige Gehör so geschärft ist, daß
sie die Stimmen der Zukunft vernehmen, deren Blick so geweitet
ist, daß sie in der Tiefe die Schätze erblicken, die zu heben sind.

Der Geist der Zeit! Ein Ringen ist's nach Freiheit, Licht,
Luft, Wahrheit. Ein Losringen von ödem Konventionalismus,
von Vorurteilen, toten Dogmen, von den giftigen Miasmen
einer die Kulturwelt umspannenden Verheuchlung.

Los wollen die Kindermenschlein vom harten Schulzwang.
Los die Arbeiter von der Unwissenheit, die sie unfrei macht.
Hinaus aus der Stickluft der engen Städte in die Freiheit der
Gartenstädte drängen die Menschen. Die Dienstboten wollen
freie Arbeiter werden. Und los vom Magdtum will die Frau!

Die phänomenalen Errungenschaften der Technik sind eine
treibende Kraft in dem rasenden Tempo der geistigen Aufwärts-
bewegung. Grenzpfähle stürzen, die für Ewigkeit errichtet
schienen!

Jch denke wieder an das Bild einer berühmten Malerin.
"Arme Seelen" steht darunter. Ein langer Zug trauriger
Frauen. Nicht eine sieht aus wie die andere. Verhüllte, Betende,
Trotzige, Knieende, Schwärmerische, Verzweifelnde. Und alle
drängen vorwärts, vorwärts, einem Ziele entgegen. Und das
Ziel? Nichts als eine große leuchtende Helle.

Die Seelen all der Frauen, die ihr Leben nicht leben durften,
kämpfen mit uns für die siegenden Rechte der Frau, wie die
Geister der Gefallenen in jenen sagenhaften Kriegen an der
Seite der Lebendigen kämpften.

Meine Asche in der Urne (da ich mich doch verbrennen
lasse) wird wieder glühen, wenn die Pforten des Reichstags sich
den Frauen öffnen werden.



der Menschen, denen das geistige Gehör so geschärft ist, daß
sie die Stimmen der Zukunft vernehmen, deren Blick so geweitet
ist, daß sie in der Tiefe die Schätze erblicken, die zu heben sind.

Der Geist der Zeit! Ein Ringen ist's nach Freiheit, Licht,
Luft, Wahrheit. Ein Losringen von ödem Konventionalismus,
von Vorurteilen, toten Dogmen, von den giftigen Miasmen
einer die Kulturwelt umspannenden Verheuchlung.

Los wollen die Kindermenschlein vom harten Schulzwang.
Los die Arbeiter von der Unwissenheit, die sie unfrei macht.
Hinaus aus der Stickluft der engen Städte in die Freiheit der
Gartenstädte drängen die Menschen. Die Dienstboten wollen
freie Arbeiter werden. Und los vom Magdtum will die Frau!

Die phänomenalen Errungenschaften der Technik sind eine
treibende Kraft in dem rasenden Tempo der geistigen Aufwärts-
bewegung. Grenzpfähle stürzen, die für Ewigkeit errichtet
schienen!

Jch denke wieder an das Bild einer berühmten Malerin.
„Arme Seelen“ steht darunter. Ein langer Zug trauriger
Frauen. Nicht eine sieht aus wie die andere. Verhüllte, Betende,
Trotzige, Knieende, Schwärmerische, Verzweifelnde. Und alle
drängen vorwärts, vorwärts, einem Ziele entgegen. Und das
Ziel? Nichts als eine große leuchtende Helle.

Die Seelen all der Frauen, die ihr Leben nicht leben durften,
kämpfen mit uns für die siegenden Rechte der Frau, wie die
Geister der Gefallenen in jenen sagenhaften Kriegen an der
Seite der Lebendigen kämpften.

Meine Asche in der Urne (da ich mich doch verbrennen
lasse) wird wieder glühen, wenn die Pforten des Reichstags sich
den Frauen öffnen werden.



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[24/0025] der Menschen, denen das geistige Gehör so geschärft ist, daß sie die Stimmen der Zukunft vernehmen, deren Blick so geweitet ist, daß sie in der Tiefe die Schätze erblicken, die zu heben sind. Der Geist der Zeit! Ein Ringen ist's nach Freiheit, Licht, Luft, Wahrheit. Ein Losringen von ödem Konventionalismus, von Vorurteilen, toten Dogmen, von den giftigen Miasmen einer die Kulturwelt umspannenden Verheuchlung. Los wollen die Kindermenschlein vom harten Schulzwang. Los die Arbeiter von der Unwissenheit, die sie unfrei macht. Hinaus aus der Stickluft der engen Städte in die Freiheit der Gartenstädte drängen die Menschen. Die Dienstboten wollen freie Arbeiter werden. Und los vom Magdtum will die Frau! Die phänomenalen Errungenschaften der Technik sind eine treibende Kraft in dem rasenden Tempo der geistigen Aufwärts- bewegung. Grenzpfähle stürzen, die für Ewigkeit errichtet schienen! Jch denke wieder an das Bild einer berühmten Malerin. „Arme Seelen“ steht darunter. Ein langer Zug trauriger Frauen. Nicht eine sieht aus wie die andere. Verhüllte, Betende, Trotzige, Knieende, Schwärmerische, Verzweifelnde. Und alle drängen vorwärts, vorwärts, einem Ziele entgegen. Und das Ziel? Nichts als eine große leuchtende Helle. Die Seelen all der Frauen, die ihr Leben nicht leben durften, kämpfen mit uns für die siegenden Rechte der Frau, wie die Geister der Gefallenen in jenen sagenhaften Kriegen an der Seite der Lebendigen kämpften. Meine Asche in der Urne (da ich mich doch verbrennen lasse) wird wieder glühen, wenn die Pforten des Reichstags sich den Frauen öffnen werden.

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Zitationshilfe: Dohm, Hedwig: Erziehung zum Stimmrecht der Frau. Berlin, 1910 (= Schriften des Preußischen Landesvereins für Frauenstimmrecht, Bd. 6), S. 24. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_erziehung_1910/25>, abgerufen am 28.03.2024.