Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844.

Bild:
<< vorherige Seite
Das Eselein.
Auf einem Wiesengrund gieng einmal
Ein muntres Rößlein weiden,
Ein Schimmelchen war's, doch etwas fahl,
Sein Aeußeres nenn' ich bescheiden,
Das schlechtste und auch das beste nicht,
Wir wollen nicht drüber zanken,
Doch hatt' es ein klares Augenlicht
Und starke geschmeidige Flanken.
In selbem Grunde schritt oft und viel
Ein edler Jüngling spazieren,
Hinter jedem Ohre ein Federkiel,
Das thät ihn wunderbar zieren!
Am Rücken ein Gänseflügelpaar,
Die thäten rauschen und wedeln,
Und wißt, seine göttliche Gabe war,
Die schlechte Natur zu veredeln.
Den Tropfen der seiner Stirne entrann,
Den soll wie Perle man fassen,
Ach, ohne ihn hätte die Sonne man
So simpelhin scheinen lassen,
Und ohne ihn wäre der Wiesengrund
Ein nüchterner Anger geblieben,
Ein Quellchen blank, ein Hügelchen rund,
Und eine Handvoll Maslieben!
Das Eſelein.
Auf einem Wieſengrund gieng einmal
Ein muntres Rößlein weiden,
Ein Schimmelchen war's, doch etwas fahl,
Sein Aeußeres nenn' ich beſcheiden,
Das ſchlechtſte und auch das beſte nicht,
Wir wollen nicht drüber zanken,
Doch hatt' es ein klares Augenlicht
Und ſtarke geſchmeidige Flanken.
In ſelbem Grunde ſchritt oft und viel
Ein edler Jüngling ſpazieren,
Hinter jedem Ohre ein Federkiel,
Das thät ihn wunderbar zieren!
Am Rücken ein Gänſeflügelpaar,
Die thäten rauſchen und wedeln,
Und wißt, ſeine göttliche Gabe war,
Die ſchlechte Natur zu veredeln.
Den Tropfen der ſeiner Stirne entrann,
Den ſoll wie Perle man faſſen,
Ach, ohne ihn hätte die Sonne man
So ſimpelhin ſcheinen laſſen,
Und ohne ihn wäre der Wieſengrund
Ein nüchterner Anger geblieben,
Ein Quellchen blank, ein Hügelchen rund,
Und eine Handvoll Maslieben!
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0269" n="255"/>
        </div>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">Das E&#x017F;elein.</hi><lb/>
          </head>
          <lg type="poem">
            <lg n="1">
              <l>Auf einem Wie&#x017F;engrund gieng einmal</l><lb/>
              <l>Ein muntres Rößlein weiden,</l><lb/>
              <l>Ein Schimmelchen war's, doch etwas fahl,</l><lb/>
              <l>Sein Aeußeres nenn' ich be&#x017F;cheiden,</l><lb/>
              <l>Das &#x017F;chlecht&#x017F;te und auch das be&#x017F;te nicht,</l><lb/>
              <l>Wir wollen nicht drüber zanken,</l><lb/>
              <l>Doch hatt' es ein klares Augenlicht</l><lb/>
              <l>Und &#x017F;tarke ge&#x017F;chmeidige Flanken.</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="2">
              <l>In &#x017F;elbem Grunde &#x017F;chritt oft und viel</l><lb/>
              <l>Ein edler Jüngling &#x017F;pazieren,</l><lb/>
              <l>Hinter jedem Ohre ein Federkiel,</l><lb/>
              <l>Das thät ihn wunderbar zieren!</l><lb/>
              <l>Am Rücken ein Gän&#x017F;eflügelpaar,</l><lb/>
              <l>Die thäten rau&#x017F;chen und wedeln,</l><lb/>
              <l>Und wißt, &#x017F;eine göttliche Gabe war,</l><lb/>
              <l>Die &#x017F;chlechte Natur zu veredeln.</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="3">
              <l>Den Tropfen der &#x017F;einer Stirne entrann,</l><lb/>
              <l>Den &#x017F;oll wie Perle man fa&#x017F;&#x017F;en,</l><lb/>
              <l>Ach, ohne ihn hätte die Sonne man</l><lb/>
              <l>So &#x017F;impelhin &#x017F;cheinen la&#x017F;&#x017F;en,</l><lb/>
              <l>Und ohne ihn wäre der Wie&#x017F;engrund</l><lb/>
              <l>Ein nüchterner Anger geblieben,</l><lb/>
              <l>Ein Quellchen blank, ein Hügelchen rund,</l><lb/>
              <l>Und eine Handvoll Maslieben!</l><lb/>
            </lg>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[255/0269] Das Eſelein. Auf einem Wieſengrund gieng einmal Ein muntres Rößlein weiden, Ein Schimmelchen war's, doch etwas fahl, Sein Aeußeres nenn' ich beſcheiden, Das ſchlechtſte und auch das beſte nicht, Wir wollen nicht drüber zanken, Doch hatt' es ein klares Augenlicht Und ſtarke geſchmeidige Flanken. In ſelbem Grunde ſchritt oft und viel Ein edler Jüngling ſpazieren, Hinter jedem Ohre ein Federkiel, Das thät ihn wunderbar zieren! Am Rücken ein Gänſeflügelpaar, Die thäten rauſchen und wedeln, Und wißt, ſeine göttliche Gabe war, Die ſchlechte Natur zu veredeln. Den Tropfen der ſeiner Stirne entrann, Den ſoll wie Perle man faſſen, Ach, ohne ihn hätte die Sonne man So ſimpelhin ſcheinen laſſen, Und ohne ihn wäre der Wieſengrund Ein nüchterner Anger geblieben, Ein Quellchen blank, ein Hügelchen rund, Und eine Handvoll Maslieben!

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844/269
Zitationshilfe: Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844, S. 255. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844/269>, abgerufen am 19.04.2024.