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Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844.

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Und wo ein Mund zu lächeln weiß
Im Traum, ein Auge noch zu weinen,
Da schmettre laut, da flüstre leis,
Trompetenstoß und West in Hainen!

"Tritt näher, wo die Sinnenlust
Als Liebe giebt ihr wüstes Ringen,
Und durch der eignen Mutter Brust
Den Pfeil zum Ziele möchte bringen,
Wo selbst die Schande flattert auf,
Ein lustiges Panier zum Siege,
Da rüttle hart: "wach auf, wach auf,
Unsel'ger, denk an deine Wiege!"
"Denk an das Aug', das überwacht
Noch eine Freude dir bereitet,
Denk an die Hand, die manche Nacht
Dein Schmerzenslager dir gebreitet,
Des Herzens denk, das einzig wund
Und einzig selig deinetwegen,
Und dann knie nieder auf den Grund
Und fleh' um deiner Mutter Segen!"
"Und wo sich träumen wie in Haft
Zwei einst so glüh ersehnte Wesen,
Als hab' ein Priesterwort die Kraft
Der Banne seligsten zu lösen,
Da flüstre leise: "wacht, o wacht!
Schaut in das Auge euch, das trübe,
Wo dämmernd sich Erinnrung facht,
Und dann: wach auf, o heil'ge Liebe!"

Und wo ein Mund zu lächeln weiß
Im Traum, ein Auge noch zu weinen,
Da ſchmettre laut, da flüſtre leis,
Trompetenſtoß und Weſt in Hainen!

„Tritt näher, wo die Sinnenluſt
Als Liebe giebt ihr wüſtes Ringen,
Und durch der eignen Mutter Bruſt
Den Pfeil zum Ziele möchte bringen,
Wo ſelbſt die Schande flattert auf,
Ein luſtiges Panier zum Siege,
Da rüttle hart: „wach auf, wach auf,
Unſel'ger, denk an deine Wiege!“
„Denk an das Aug', das überwacht
Noch eine Freude dir bereitet,
Denk an die Hand, die manche Nacht
Dein Schmerzenslager dir gebreitet,
Des Herzens denk, das einzig wund
Und einzig ſelig deinetwegen,
Und dann knie nieder auf den Grund
Und fleh' um deiner Mutter Segen!“
„Und wo ſich träumen wie in Haft
Zwei einſt ſo glüh erſehnte Weſen,
Als hab' ein Prieſterwort die Kraft
Der Banne ſeligſten zu löſen,
Da flüſtre leiſe: „wacht, o wacht!
Schaut in das Auge euch, das trübe,
Wo dämmernd ſich Erinnrung facht,
Und dann: wach auf, o heil'ge Liebe!“
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[116/0130] Und wo ein Mund zu lächeln weiß Im Traum, ein Auge noch zu weinen, Da ſchmettre laut, da flüſtre leis, Trompetenſtoß und Weſt in Hainen! „Tritt näher, wo die Sinnenluſt Als Liebe giebt ihr wüſtes Ringen, Und durch der eignen Mutter Bruſt Den Pfeil zum Ziele möchte bringen, Wo ſelbſt die Schande flattert auf, Ein luſtiges Panier zum Siege, Da rüttle hart: „wach auf, wach auf, Unſel'ger, denk an deine Wiege!“ „Denk an das Aug', das überwacht Noch eine Freude dir bereitet, Denk an die Hand, die manche Nacht Dein Schmerzenslager dir gebreitet, Des Herzens denk, das einzig wund Und einzig ſelig deinetwegen, Und dann knie nieder auf den Grund Und fleh' um deiner Mutter Segen!“ „Und wo ſich träumen wie in Haft Zwei einſt ſo glüh erſehnte Weſen, Als hab' ein Prieſterwort die Kraft Der Banne ſeligſten zu löſen, Da flüſtre leiſe: „wacht, o wacht! Schaut in das Auge euch, das trübe, Wo dämmernd ſich Erinnrung facht, Und dann: wach auf, o heil'ge Liebe!“

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Zitationshilfe: Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844, S. 116. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844/130>, abgerufen am 29.03.2024.