Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844.

Bild:
<< vorherige Seite
Da plötzlich schien sich aufzurichten
Am Fensterrahm ein Schattenwall,
Und mählig schob die dunklen Schichten
Er näher an den glühen Ball.
Durch der Gardine Spalten zog
Ein frischer Hauch, ich schloß die Augen,
Um tiefer, tiefer einzusaugen,
Was leise spielend mich umflog.
Genau vernahm ich noch das Rucken
Des flatternden Papiers, das Licht
Der Stufe sah ich schmerzend zucken;
Ob ich entschlief? mich dünkt es nicht.
Doch schneller schien am Autograph
Das dürre Jüngelchen zu wehen,
Ein glitzernd Aug' der Stein zu drehen,
Die Muschel dehnte sich im Schlaf.
Und, nächt'ger Mücke zu vergleichen,
Umsäuselte mich halber Klang,
Am Teppich schien es sacht zu streichen,
Und lief des Polsters Saum entlang,
Wie wenn im zitternden Papier
Der Fliege zarte Füßchen irren;
Und heller feiner aus dem Schwirren
Drang es wie Wortes Hauch zu mir:
Das Autograph.
Pst! -- St! -- ja, ja,
Das mocht' eine Pracht noch heißen,
Da plötzlich ſchien ſich aufzurichten
Am Fenſterrahm ein Schattenwall,
Und mählig ſchob die dunklen Schichten
Er näher an den glühen Ball.
Durch der Gardine Spalten zog
Ein friſcher Hauch, ich ſchloß die Augen,
Um tiefer, tiefer einzuſaugen,
Was leiſe ſpielend mich umflog.
Genau vernahm ich noch das Rucken
Des flatternden Papiers, das Licht
Der Stufe ſah ich ſchmerzend zucken;
Ob ich entſchlief? mich dünkt es nicht.
Doch ſchneller ſchien am Autograph
Das dürre Jüngelchen zu wehen,
Ein glitzernd Aug' der Stein zu drehen,
Die Muſchel dehnte ſich im Schlaf.
Und, nächt'ger Mücke zu vergleichen,
Umſäuſelte mich halber Klang,
Am Teppich ſchien es ſacht zu ſtreichen,
Und lief des Polſters Saum entlang,
Wie wenn im zitternden Papier
Der Fliege zarte Füßchen irren;
Und heller feiner aus dem Schwirren
Drang es wie Wortes Hauch zu mir:
Das Autograph.
Pſt! — St! — ja, ja,
Das mocht' eine Pracht noch heißen,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <pb facs="#f0186" n="172"/>
            <lg n="4">
              <l>Da plötzlich &#x017F;chien &#x017F;ich aufzurichten</l><lb/>
              <l>Am Fen&#x017F;terrahm ein Schattenwall,</l><lb/>
              <l>Und mählig &#x017F;chob die dunklen Schichten</l><lb/>
              <l>Er näher an den glühen Ball.</l><lb/>
              <l>Durch der Gardine Spalten zog</l><lb/>
              <l>Ein fri&#x017F;cher Hauch, ich &#x017F;chloß die Augen,</l><lb/>
              <l>Um tiefer, tiefer einzu&#x017F;augen,</l><lb/>
              <l>Was lei&#x017F;e &#x017F;pielend mich umflog.</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="5">
              <l>Genau vernahm ich noch das Rucken</l><lb/>
              <l>Des flatternden Papiers, das Licht</l><lb/>
              <l>Der Stufe &#x017F;ah ich &#x017F;chmerzend zucken;</l><lb/>
              <l>Ob ich ent&#x017F;chlief? mich dünkt es nicht.</l><lb/>
              <l>Doch &#x017F;chneller &#x017F;chien am Autograph</l><lb/>
              <l>Das dürre Jüngelchen zu wehen,</l><lb/>
              <l>Ein glitzernd Aug' der Stein zu drehen,</l><lb/>
              <l>Die Mu&#x017F;chel dehnte &#x017F;ich im Schlaf.</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="6">
              <l>Und, nächt'ger Mücke zu vergleichen,</l><lb/>
              <l>Um&#x017F;äu&#x017F;elte mich halber Klang,</l><lb/>
              <l>Am Teppich &#x017F;chien es &#x017F;acht zu &#x017F;treichen,</l><lb/>
              <l>Und lief des Pol&#x017F;ters Saum entlang,</l><lb/>
              <l>Wie wenn im zitternden Papier</l><lb/>
              <l>Der Fliege zarte Füßchen irren;</l><lb/>
              <l>Und heller feiner aus dem Schwirren</l><lb/>
              <l>Drang es wie Wortes Hauch zu mir:</l><lb/>
            </lg>
          </lg>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#b #g">Das Autograph.</hi><lb/>
            </head>
            <lg type="poem">
              <lg n="1">
                <l>P&#x017F;t! &#x2014; St! &#x2014; ja, ja,</l><lb/>
                <l>Das mocht' eine Pracht noch heißen,</l><lb/>
              </lg>
            </lg>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[172/0186] Da plötzlich ſchien ſich aufzurichten Am Fenſterrahm ein Schattenwall, Und mählig ſchob die dunklen Schichten Er näher an den glühen Ball. Durch der Gardine Spalten zog Ein friſcher Hauch, ich ſchloß die Augen, Um tiefer, tiefer einzuſaugen, Was leiſe ſpielend mich umflog. Genau vernahm ich noch das Rucken Des flatternden Papiers, das Licht Der Stufe ſah ich ſchmerzend zucken; Ob ich entſchlief? mich dünkt es nicht. Doch ſchneller ſchien am Autograph Das dürre Jüngelchen zu wehen, Ein glitzernd Aug' der Stein zu drehen, Die Muſchel dehnte ſich im Schlaf. Und, nächt'ger Mücke zu vergleichen, Umſäuſelte mich halber Klang, Am Teppich ſchien es ſacht zu ſtreichen, Und lief des Polſters Saum entlang, Wie wenn im zitternden Papier Der Fliege zarte Füßchen irren; Und heller feiner aus dem Schwirren Drang es wie Wortes Hauch zu mir: Das Autograph. Pſt! — St! — ja, ja, Das mocht' eine Pracht noch heißen,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844/186
Zitationshilfe: Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844, S. 172. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844/186>, abgerufen am 18.04.2024.