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Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844.

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Dies Alpenröschen nährte mit Schnee
Ein eisgrau starrender Riese;
Und diese Tange entfischt' ich der See
Aus Muschelgescherbe und Kiese;
Es war ein volles, gesegnetes Jahr,
Die Trauben hiengen gleich Pfunden,
Als aus der Rebe flatterndem Haar
Ich diesen Kranz mir gewunden.
Und ihr, meine Sträuße von wildem Haid',
Mit lockerm Halme geschlungen,
O süße Sonne, o Einsamkeit,
Die uns redet mit heimischen Zungen!
Ich hab' sie gepflückt an Tagen so lind,
Wenn die goldenen Käferchen spielen,
Dann fühlte ich mich meines Landes Kind,
Und die fremden Schlacken zerfielen.
Und wenn ich grüble an meinem Teich,
Im duftigen Moose gestrecket,
Wenn aus dem Spiegel mein Antlitz bleich
Mit rieselndem Schauer mich necket,
Dann lang' ich sachte, sachte hinab,
Und fische die träufelnden Schmehlen;
Dort hängen sie, drüben am Fensterstab,
Wie arme vertrocknete Seelen.
So mochte ich still und heimlich mir
Eine Zauberhalle bereiten,
Wenn es dämmert dort, und drüben, und hier,
Von den Wänden seh ich es gleiten;
Dies Alpenröschen nährte mit Schnee
Ein eisgrau ſtarrender Rieſe;
Und dieſe Tange entfiſcht' ich der See
Aus Muſchelgeſcherbe und Kieſe;
Es war ein volles, geſegnetes Jahr,
Die Trauben hiengen gleich Pfunden,
Als aus der Rebe flatterndem Haar
Ich dieſen Kranz mir gewunden.
Und ihr, meine Sträuße von wildem Haid',
Mit lockerm Halme geſchlungen,
O ſüße Sonne, o Einſamkeit,
Die uns redet mit heimiſchen Zungen!
Ich hab' ſie gepflückt an Tagen ſo lind,
Wenn die goldenen Käferchen ſpielen,
Dann fühlte ich mich meines Landes Kind,
Und die fremden Schlacken zerfielen.
Und wenn ich grüble an meinem Teich,
Im duftigen Mooſe geſtrecket,
Wenn aus dem Spiegel mein Antlitz bleich
Mit rieſelndem Schauer mich necket,
Dann lang' ich ſachte, ſachte hinab,
Und fiſche die träufelnden Schmehlen;
Dort hängen ſie, drüben am Fenſterſtab,
Wie arme vertrocknete Seelen.
So mochte ich ſtill und heimlich mir
Eine Zauberhalle bereiten,
Wenn es dämmert dort, und drüben, und hier,
Von den Wänden ſeh ich es gleiten;
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[185/0199] Dies Alpenröschen nährte mit Schnee Ein eisgrau ſtarrender Rieſe; Und dieſe Tange entfiſcht' ich der See Aus Muſchelgeſcherbe und Kieſe; Es war ein volles, geſegnetes Jahr, Die Trauben hiengen gleich Pfunden, Als aus der Rebe flatterndem Haar Ich dieſen Kranz mir gewunden. Und ihr, meine Sträuße von wildem Haid', Mit lockerm Halme geſchlungen, O ſüße Sonne, o Einſamkeit, Die uns redet mit heimiſchen Zungen! Ich hab' ſie gepflückt an Tagen ſo lind, Wenn die goldenen Käferchen ſpielen, Dann fühlte ich mich meines Landes Kind, Und die fremden Schlacken zerfielen. Und wenn ich grüble an meinem Teich, Im duftigen Mooſe geſtrecket, Wenn aus dem Spiegel mein Antlitz bleich Mit rieſelndem Schauer mich necket, Dann lang' ich ſachte, ſachte hinab, Und fiſche die träufelnden Schmehlen; Dort hängen ſie, drüben am Fenſterſtab, Wie arme vertrocknete Seelen. So mochte ich ſtill und heimlich mir Eine Zauberhalle bereiten, Wenn es dämmert dort, und drüben, und hier, Von den Wänden ſeh ich es gleiten;

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Zitationshilfe: Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844, S. 185. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844/199>, abgerufen am 28.03.2024.