Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844.

Bild:
<< vorherige Seite
Längs des Teiches sieh ihn flattern,
Wie er rudert, wie er streicht,
Kann den Mantel nimmer zwingen
Mit den Fingern starr und feucht.
Oefters aus dem trüben Auge
Eine kalte Zähre bricht,
Wehn ihm seine grauen Haare
Spinnenwebig um's Gesicht.
Doch Gottlob! da ist die Hütte,
Und nun öffnet sich das Haus,
Und nun keuchend auf der Tenne
Schüttet er die Federn aus.
Ach wie freut der gute Pfarrer
Sich am blanken Feuerschein!
Wie geschäftig schenkt dem Kranken
Er das erste Gläschen ein.
Setzt sich an des Lagers Ende,
Stärkt ihm bestens die Geduld,
Und von seinen frommen Lippen
Einfach fließt das Wort der Huld.
Wenn die abgezehrten Hände
Er so fest in seine schließt,
Anders fühlt sich dann der Kranke,
Meint, daß gar nichts ihn verdrießt.
Mit der Einfalt, mit der Liebe
Schmeichelt er die Seele wach,
Kann an jedes Herz sich legen,
Sey es kraftvoll oder schwach.
Längs des Teiches ſieh ihn flattern,
Wie er rudert, wie er ſtreicht,
Kann den Mantel nimmer zwingen
Mit den Fingern ſtarr und feucht.
Oefters aus dem trüben Auge
Eine kalte Zähre bricht,
Wehn ihm ſeine grauen Haare
Spinnenwebig um's Geſicht.
Doch Gottlob! da iſt die Hütte,
Und nun öffnet ſich das Haus,
Und nun keuchend auf der Tenne
Schüttet er die Federn aus.
Ach wie freut der gute Pfarrer
Sich am blanken Feuerſchein!
Wie geſchäftig ſchenkt dem Kranken
Er das erſte Gläschen ein.
Setzt ſich an des Lagers Ende,
Stärkt ihm beſtens die Geduld,
Und von ſeinen frommen Lippen
Einfach fließt das Wort der Huld.
Wenn die abgezehrten Hände
Er ſo feſt in ſeine ſchließt,
Anders fühlt ſich dann der Kranke,
Meint, daß gar nichts ihn verdrießt.
Mit der Einfalt, mit der Liebe
Schmeichelt er die Seele wach,
Kann an jedes Herz ſich legen,
Sey es kraftvoll oder ſchwach.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <lg type="poem">
              <pb facs="#f0258" n="244"/>
              <lg n="3">
                <l>Längs des Teiches &#x017F;ieh ihn flattern,</l><lb/>
                <l>Wie er rudert, wie er &#x017F;treicht,</l><lb/>
                <l>Kann den Mantel nimmer zwingen</l><lb/>
                <l>Mit den Fingern &#x017F;tarr und feucht.</l><lb/>
                <l>Oefters aus dem trüben Auge</l><lb/>
                <l>Eine kalte Zähre bricht,</l><lb/>
                <l>Wehn ihm &#x017F;eine grauen Haare</l><lb/>
                <l>Spinnenwebig um's Ge&#x017F;icht.</l><lb/>
              </lg>
              <lg n="4">
                <l>Doch Gottlob! da i&#x017F;t die Hütte,</l><lb/>
                <l>Und nun öffnet &#x017F;ich das Haus,</l><lb/>
                <l>Und nun keuchend auf der Tenne</l><lb/>
                <l>Schüttet er die Federn aus.</l><lb/>
                <l>Ach wie freut der gute Pfarrer</l><lb/>
                <l>Sich am blanken Feuer&#x017F;chein!</l><lb/>
                <l>Wie ge&#x017F;chäftig &#x017F;chenkt dem Kranken</l><lb/>
                <l>Er das er&#x017F;te Gläschen ein.</l><lb/>
              </lg>
              <lg n="5">
                <l>Setzt &#x017F;ich an des Lagers Ende,</l><lb/>
                <l>Stärkt ihm be&#x017F;tens die Geduld,</l><lb/>
                <l>Und von &#x017F;einen frommen Lippen</l><lb/>
                <l>Einfach fließt das Wort der Huld.</l><lb/>
                <l>Wenn die abgezehrten Hände</l><lb/>
                <l>Er &#x017F;o fe&#x017F;t in &#x017F;eine &#x017F;chließt,</l><lb/>
                <l>Anders fühlt &#x017F;ich dann der Kranke,</l><lb/>
                <l>Meint, daß gar nichts ihn verdrießt.</l><lb/>
              </lg>
              <lg n="6">
                <l>Mit der Einfalt, mit der Liebe</l><lb/>
                <l>Schmeichelt er die Seele wach,</l><lb/>
                <l>Kann an jedes Herz &#x017F;ich legen,</l><lb/>
                <l>Sey es kraftvoll oder &#x017F;chwach.</l><lb/>
              </lg>
            </lg>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[244/0258] Längs des Teiches ſieh ihn flattern, Wie er rudert, wie er ſtreicht, Kann den Mantel nimmer zwingen Mit den Fingern ſtarr und feucht. Oefters aus dem trüben Auge Eine kalte Zähre bricht, Wehn ihm ſeine grauen Haare Spinnenwebig um's Geſicht. Doch Gottlob! da iſt die Hütte, Und nun öffnet ſich das Haus, Und nun keuchend auf der Tenne Schüttet er die Federn aus. Ach wie freut der gute Pfarrer Sich am blanken Feuerſchein! Wie geſchäftig ſchenkt dem Kranken Er das erſte Gläschen ein. Setzt ſich an des Lagers Ende, Stärkt ihm beſtens die Geduld, Und von ſeinen frommen Lippen Einfach fließt das Wort der Huld. Wenn die abgezehrten Hände Er ſo feſt in ſeine ſchließt, Anders fühlt ſich dann der Kranke, Meint, daß gar nichts ihn verdrießt. Mit der Einfalt, mit der Liebe Schmeichelt er die Seele wach, Kann an jedes Herz ſich legen, Sey es kraftvoll oder ſchwach.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844/258
Zitationshilfe: Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844, S. 244. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844/258>, abgerufen am 29.03.2024.