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Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844.

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"Vetter! ein Segel, ein Segel fürwahr,
Ein Boot mit flatternden Streifen,
Lichterchen dann, eine schwimmende Schaar,
Die unter den Flanken ihm schweifen!
Schau, nun schleichen sie alle seitab,
Nun wechseln sie hüben und drüben --"
"'S ist eine Fischerflotte, mein Knab',
Sind nur Leute die fischen im Trüben." --
"Wie das Wasser kräuselt und rennt,
Und wie die Kämme ihm flittern!
Vetter, ob wohl die Düne brennt?
Ich höre das Seegras knittern." --
"Dünste, mein Junge, nur Phosphorlicht,
Vermoderte Quallen und Schnecken,
Laß sie leuchten, sie zünden nicht,
Und morgen sind's grünliche Flecken." --
"Dort kein Räuber? kein Feuer hier?
Ich hätt' es für Beides genommen.
Wetter! ist doch die Welle mir
Schier über den Tubus geschwommen.
Welch' ein Leben, so angerannt
Auf nackter Düne zu wohnen!
Und die schnarchenden Robben am Strand, --
Man meint es seyen Kanonen!"
"Schläft der Alte in gutem Muth,
Und läßt mich allein mit dem Spucke,
Und mir ist als steige die Fluth,
Und bäume sich gegen die Lucke.
„Vetter! ein Segel, ein Segel fürwahr,
Ein Boot mit flatternden Streifen,
Lichterchen dann, eine ſchwimmende Schaar,
Die unter den Flanken ihm ſchweifen!
Schau, nun ſchleichen ſie alle ſeitab,
Nun wechſeln ſie hüben und drüben —“
„'S iſt eine Fiſcherflotte, mein Knab',
Sind nur Leute die fiſchen im Trüben.“ —
„Wie das Waſſer kräuſelt und rennt,
Und wie die Kämme ihm flittern!
Vetter, ob wohl die Düne brennt?
Ich höre das Seegras knittern.“ —
„Dünſte, mein Junge, nur Phosphorlicht,
Vermoderte Quallen und Schnecken,
Laß ſie leuchten, ſie zünden nicht,
Und morgen ſind's grünliche Flecken.“ —
„Dort kein Räuber? kein Feuer hier?
Ich hätt' es für Beides genommen.
Wetter! iſt doch die Welle mir
Schier über den Tubus geſchwommen.
Welch' ein Leben, ſo angerannt
Auf nackter Düne zu wohnen!
Und die ſchnarchenden Robben am Strand, —
Man meint es ſeyen Kanonen!“
„Schläft der Alte in gutem Muth,
Und läßt mich allein mit dem Spucke,
Und mir iſt als ſteige die Fluth,
Und bäume ſich gegen die Lucke.
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[252/0266] „Vetter! ein Segel, ein Segel fürwahr, Ein Boot mit flatternden Streifen, Lichterchen dann, eine ſchwimmende Schaar, Die unter den Flanken ihm ſchweifen! Schau, nun ſchleichen ſie alle ſeitab, Nun wechſeln ſie hüben und drüben —“ „'S iſt eine Fiſcherflotte, mein Knab', Sind nur Leute die fiſchen im Trüben.“ — „Wie das Waſſer kräuſelt und rennt, Und wie die Kämme ihm flittern! Vetter, ob wohl die Düne brennt? Ich höre das Seegras knittern.“ — „Dünſte, mein Junge, nur Phosphorlicht, Vermoderte Quallen und Schnecken, Laß ſie leuchten, ſie zünden nicht, Und morgen ſind's grünliche Flecken.“ — „Dort kein Räuber? kein Feuer hier? Ich hätt' es für Beides genommen. Wetter! iſt doch die Welle mir Schier über den Tubus geſchwommen. Welch' ein Leben, ſo angerannt Auf nackter Düne zu wohnen! Und die ſchnarchenden Robben am Strand, — Man meint es ſeyen Kanonen!“ „Schläft der Alte in gutem Muth, Und läßt mich allein mit dem Spucke, Und mir iſt als ſteige die Fluth, Und bäume ſich gegen die Lucke.

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Zitationshilfe: Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844, S. 252. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844/266>, abgerufen am 29.03.2024.