Simon fort. -- "Er hat viel von dir, Simon, viel." Simon lachte: "Ei. das muß ein rarer Kerl sein, ich werde alle Tage schöner. An der Schule soll er sich wohl nicht verbrennen. Du läßt ihn die Kühe hüten? Eben so gut. Es ist doch nicht halb wahr, was der Magister sagt. Aber wo hütet er? Im Telengrund? im Koderholze? im Teutoburger Wald? auch des Nachts und früh?" -- "Die ganzen Nächte durch; aber wie meinst du das?"
Simon schien dies zu überhören; er reckte den Hals zur Thüre hinaus: "Ei da kommt der Gesell! Vaterssohn! er schlenkert gerade so mit den Armen wie dein seliger Mann. Und schau mal an! wahr- haftig, der Junge hat meine blonden Haare!"
In der Mutter Züge kam ein heimliches, stolzes Lächeln; ihres Friedrichs blonde Locken und Simons röthliche Borsten! Ohne zu antworten, brach sie einen Zweig von der nächsten Hecke und ging ihrem Sohne entgegen, scheinbar, eine träge Kuh anzu- treiben, im Grunde aber, ihm einige rasche, halb- drohende Worte zuzuraunen; denn sie kannte seine störrische Natur, und Simons Weise war ihr heute einschüchternder vorgekommen als je. Doch ging Alles über Erwarten gut; Friedrich zeigte sich weder verstockt, noch frech, vielmehr etwas blöde und sehr bemüht, dem Ohm zu gefallen. So kam es denn dahin, daß nach einer halbstündigen Unterredung
Simon fort. — „Er hat viel von dir, Simon, viel.“ Simon lachte: „Ei. das muß ein rarer Kerl ſein, ich werde alle Tage ſchöner. An der Schule ſoll er ſich wohl nicht verbrennen. Du läßt ihn die Kühe hüten? Eben ſo gut. Es iſt doch nicht halb wahr, was der Magiſter ſagt. Aber wo hütet er? Im Telengrund? im Koderholze? im Teutoburger Wald? auch des Nachts und früh?“ — „Die ganzen Nächte durch; aber wie meinſt du das?“
Simon ſchien dies zu überhören; er reckte den Hals zur Thüre hinaus: „Ei da kommt der Geſell! Vatersſohn! er ſchlenkert gerade ſo mit den Armen wie dein ſeliger Mann. Und ſchau mal an! wahr- haftig, der Junge hat meine blonden Haare!“
In der Mutter Züge kam ein heimliches, ſtolzes Lächeln; ihres Friedrichs blonde Locken und Simons röthliche Borſten! Ohne zu antworten, brach ſie einen Zweig von der nächſten Hecke und ging ihrem Sohne entgegen, ſcheinbar, eine träge Kuh anzu- treiben, im Grunde aber, ihm einige raſche, halb- drohende Worte zuzuraunen; denn ſie kannte ſeine ſtörriſche Natur, und Simons Weiſe war ihr heute einſchüchternder vorgekommen als je. Doch ging Alles über Erwarten gut; Friedrich zeigte ſich weder verſtockt, noch frech, vielmehr etwas blöde und ſehr bemüht, dem Ohm zu gefallen. So kam es denn dahin, daß nach einer halbſtündigen Unterredung
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Simon fort. — „Er hat viel von dir, Simon,
viel.“ Simon lachte: „Ei. das muß ein rarer Kerl
ſein, ich werde alle Tage ſchöner. An der Schule
ſoll er ſich wohl nicht verbrennen. Du läßt ihn die
Kühe hüten? Eben ſo gut. Es iſt doch nicht halb
wahr, was der Magiſter ſagt. Aber wo hütet er?
Im Telengrund? im Koderholze? im Teutoburger
Wald? auch des Nachts und früh?“ — „Die
ganzen Nächte durch; aber wie meinſt du das?“
Simon ſchien dies zu überhören; er reckte den
Hals zur Thüre hinaus: „Ei da kommt der Geſell!
Vatersſohn! er ſchlenkert gerade ſo mit den Armen
wie dein ſeliger Mann. Und ſchau mal an! wahr-
haftig, der Junge hat meine blonden Haare!“
In der Mutter Züge kam ein heimliches, ſtolzes
Lächeln; ihres Friedrichs blonde Locken und Simons
röthliche Borſten! Ohne zu antworten, brach ſie
einen Zweig von der nächſten Hecke und ging ihrem
Sohne entgegen, ſcheinbar, eine träge Kuh anzu-
treiben, im Grunde aber, ihm einige raſche, halb-
drohende Worte zuzuraunen; denn ſie kannte ſeine
ſtörriſche Natur, und Simons Weiſe war ihr heute
einſchüchternder vorgekommen als je. Doch ging
Alles über Erwarten gut; Friedrich zeigte ſich weder
verſtockt, noch frech, vielmehr etwas blöde und ſehr
bemüht, dem Ohm zu gefallen. So kam es denn
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Die "Letzten Gaben" (1860), postum von Levin Schü… [mehr]
Die "Letzten Gaben" (1860), postum von Levin Schücking aus dem Nachlass Annette von Droste-Hülshoffs herausgegeben, enthalten mehrere Texte, die zum Teil zu Lebzeiten der Autorin bereits andernorts veröffentlicht worden waren. Beispielsweise erschien Droste-Hülshoffs Novelle "Die Judenbuche" zuerst 1842 im "Morgenblatt für gebildete Leser"; die "Westfälischen Schilderungen" erschienen 1845 in den "Historisch-politischen Blättern für das katholische Deutschland". Einzelne Gedichte sind in Journalen und Jahrbüchern erschienen, andere wurden aus dem Nachlass erstmals in der hier digitalisierten Edition von Levin Schücking veröffentlicht (z.B. die Gedichte "Der Nachtwanderer", "Doppeltgänger" und "Halt fest!"). In den meisten Fällen handelt es sich somit nicht um Erstveröffentlichungen der Texte, wohl aber um die erste Publikation in Buchform, weshalb die Nachlassedition für das DTA herangezogen wurde.
Droste-Hülshoff, Annette von: Letzte Gaben. Nachgelassene Blätter. Hrsg. v. Levin Schücking. Hannover, 1860, S. 160. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_letzte_1860/176>, abgerufen am 19.04.2024.
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