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Droste-Hülshoff, Annette von: Letzte Gaben. Nachgelassene Blätter. Hrsg. v. Levin Schücking. Hannover, 1860.

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Frommen Kindern geschieht kein Leid;
Drückt nur immer die Lippen zu,
Denn das böse, das lacht und schreit,
Das holt die Eul' und der Loup Garou.

Wißt ihr, dort, wo das Naß vom Schiefer träuft
Und über'm Weg 'ne andre Straße läuft,
Das nennt man Kreuzweg und da geht er um
Bald so, bald so, doch immer falsch und stumm,
Und immer schielend; vor dem Auge steht
Das Weiße ihm, so hat er es verdreht.
Dran ist er kenntlich und am Kettenschleifen,
So trabt er, trabt, darf keinem Frommen nah'n
Die schlimmen Leute nur, die darf er greifen
Mit seinem langen, langen, langen Zahn.
Schiebt das Reisig der Flamme ein,
Puh, wie die Funken knistern und stäuben!
Pierrot, was soll das Wackeln sein?
Mußt ein Weilchen du ruhig bleiben,
Gleich wird die Zeit dir Jahre lang.
Laß doch den armen Hund in Ruh!
Immer sind deine Händ' im Gang,
Denkst du denn nicht an den Loup Garou?

Frommen Kindern geſchieht kein Leid;
Drückt nur immer die Lippen zu,
Denn das böſe, das lacht und ſchreit,
Das holt die Eul’ und der Loup Garou.

Wißt ihr, dort, wo das Naß vom Schiefer träuft
Und über’m Weg ’ne andre Straße läuft,
Das nennt man Kreuzweg und da geht er um
Bald ſo, bald ſo, doch immer falſch und ſtumm,
Und immer ſchielend; vor dem Auge ſteht
Das Weiße ihm, ſo hat er es verdreht.
Dran iſt er kenntlich und am Kettenſchleifen,
So trabt er, trabt, darf keinem Frommen nah’n
Die ſchlimmen Leute nur, die darf er greifen
Mit ſeinem langen, langen, langen Zahn.
Schiebt das Reiſig der Flamme ein,
Puh, wie die Funken kniſtern und ſtäuben!
Pierrot, was ſoll das Wackeln ſein?
Mußt ein Weilchen du ruhig bleiben,
Gleich wird die Zeit dir Jahre lang.
Laß doch den armen Hund in Ruh!
Immer ſind deine Händ’ im Gang,
Denkſt du denn nicht an den Loup Garou?
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[89/0105] Frommen Kindern geſchieht kein Leid; Drückt nur immer die Lippen zu, Denn das böſe, das lacht und ſchreit, Das holt die Eul’ und der Loup Garou. Wißt ihr, dort, wo das Naß vom Schiefer träuft Und über’m Weg ’ne andre Straße läuft, Das nennt man Kreuzweg und da geht er um Bald ſo, bald ſo, doch immer falſch und ſtumm, Und immer ſchielend; vor dem Auge ſteht Das Weiße ihm, ſo hat er es verdreht. Dran iſt er kenntlich und am Kettenſchleifen, So trabt er, trabt, darf keinem Frommen nah’n Die ſchlimmen Leute nur, die darf er greifen Mit ſeinem langen, langen, langen Zahn. Schiebt das Reiſig der Flamme ein, Puh, wie die Funken kniſtern und ſtäuben! Pierrot, was ſoll das Wackeln ſein? Mußt ein Weilchen du ruhig bleiben, Gleich wird die Zeit dir Jahre lang. Laß doch den armen Hund in Ruh! Immer ſind deine Händ’ im Gang, Denkſt du denn nicht an den Loup Garou?

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Zitationshilfe: Droste-Hülshoff, Annette von: Letzte Gaben. Nachgelassene Blätter. Hrsg. v. Levin Schücking. Hannover, 1860, S. 89. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_letzte_1860/105>, abgerufen am 23.04.2024.